Aufstand in Sri Lanka zwingt Präsident und Premierminister zum Rücktritt

Die Massenproteste in der sri-lankischen Hauptstadt Colombo, an denen am Samstag etwa eine Million Arbeiter, Jugendliche und Angehörige der armen Landbevölkerung teilnahmen, haben Präsident Gotabhaya Rajapaksa gezwungen, für Mittwoch seinen Rücktritt anzukündigen. Nachdem er sich zunächst geweigert hatte, gab auch Premierminister Ranil Wickremesinghe am Samstagabend seinen Rücktritt bekannt. Zuvor soll eine „Allparteienregierung“ gebildet werden.

Demonstranten, einige mit sri-lankischen Flaggen, versammeln sich am Samstag in Colombo auf einer Straße, die zum Amtssitz des Präsidenten führt. Colombo, 9. Juli 2022 (AP Photo/Amitha Thennakoon) [AP Photo/Amitha Thennakoon]

Die Demonstrationen am Samstag, zu denen Menschen aus allen Teilen des Landes nach Colombo gekommen waren, fanden drei Monate nach Beginn der Proteste in der Grünanlage Galle Face Green statt, bei denen der Rücktritt von Präsident Rajapaksa und seiner Regierung gefordert wurde. Die Teilnehmer der Massenproteste am Samstag hatten sich dabei einer Ausgangssperre und Angriffen der Polizei widersetzt.

Die Massenprotestveranstaltung war ein Wendepunkt in der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Krise Sri Lankas, die ihrerseits ein akuter Ausdruck der globalen Krise des Kapitalismus ist, die sich erst durch die Corona-Pandemie und dann durch den Nato-Stellvertreterkrieg in der Ukraine gegen Russland verschärft hat.

Der erzwungene Rücktritt von Rajapaksa und Wickremesinghe zeigt die immense soziale Macht der Arbeiterklasse, die eine zentrale Rolle in dem seit drei Monaten andauernden Volksaufstand gegen die Regierung gespielt hat. Doch ihre Ablösung durch eine Allparteienregierung wird keine der lebenswichtigen Probleme der Arbeiter, Jugendlichen und Landarbeiter lösen. Sie wird auch nicht die unerträglichen Lebensbedingungen beenden, die in Folge der gravierenden Engpässe und rasant steigenden Preise für Nahrungsmittel, Treibstoff, Medikamente und Kochgas sowie der täglichen stundenlangen Stromausfälle entstanden sind.

Auch wenn Rajapaksa und Wickremesinghe zurücktreten, wird die politische und wirtschaftliche Macht in den Händen der Bourgeoisie bleiben. Solange die Bourgeoisie weiter regiert, wird sich die soziale Krise der arbeitenden Bevölkerung und der Landarbeiter nur weiter verschlimmern. Die Oppositionsparteien – die Samagi Jana Balawegaya (SJB), Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) und die Tamil National Alliance (TNA) –, die gerade hinter verschlossenen Türen über eine „Übergangsregierung“ verhandeln, sind entschlossen, die harten Austeritätsmaßnahmen umzusetzen, die der Internationale Währungsfonds (IWF) fordert.

Demonstranten sehen sich einen Tag nach der Stürmung im offiziellen Amtssitz des Präsidenten um. Colombo, 10. Juli 2022 (AP Photo/Eranga Jayawardena)

Als die Massenproteste begannen, veröffentlichte die Socialist Equality Party (SEP) am 7. April eine Erklärung, in der sie auf die wesentlichen politischen Fragen für die Arbeiterklasse einging. Sie schrieb: „Die Socialist Equality Party (SEP) unterstützt voll und ganz die Forderungen der arbeitenden Bevölkerung: ,Gota muss weg!‘ Aber wer soll auf ihn folgen? Rajapaksas Absetzung zu fordern, reicht nicht aus. Er ist nur das momentane hässliche Gesicht eines korrupten und reaktionären Präsidialsystems, das darauf ausgelegt ist, den Reichtum und die Interessen der Kapitalistenklasse zu sichern und die Ausbeutung und Verarmung der Arbeiter und Bauern in allen Teilen des Inselstaats aufrechtzuerhalten.“

Zur Frage des weiteren Vorgehens erklärte sie: „Als entscheidenden Schritt zur Bewältigung der aktuellen politischen Krise fordert die SEP die sofortige Abschaffung der Exekutivpräsidentschaft, die der Arbeiterklasse durch ihre umfassenden autokratischen Vollmachten die Pistole auf die Brust setzt... Die SEP betont, dass diese notwendigen demokratischen Veränderungen auf eine grundlegende Neuordnung der Wirtschaft nach sozialistischen Gesichtspunkten abzielen. Sie können nur durch einen entschlossenen Kampf der Arbeiterklasse, der armen Landbevölkerung und der Jugend verwirklicht werden.“

Die Klasseninteressen der Arbeiter und der Landbevölkerung stehen in direktem Gegensatz zum Spardiktat des IWF, das jede Übergangsregierung rücksichtslos umsetzen wird. Der IWF erklärte am Sonntag: „Wir hoffen auf eine Lösung der derzeitigen Situation, die eine Wiederaufnahme unseres Dialogs über ein vom IWF unterstütztes Programm ermöglichen wird.“

Zusätzlich zu den bereits verhängten harten Maßnahmen fordert der IWF höhere Steuern sowie die Ausweitung des Einkommenssteuersystems und umfangreiche Kürzungen der öffentlichen Ausgaben, die schwerwiegende Folgen für lebensnotwendige Leistungen wie Bildung, Gesundheit und Preissubventionen haben werden. Weiter fordert er zusätzliche Privatisierungen, die unweigerlich drastische Stellenstreichungen sowie Einschnitte bei Löhnen und Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst nach sich ziehen werden.

Der US-Imperialismus verfolgt die Ereignisse in Sri Lanka mit Nervosität, weil ihm akut bewusst ist, dass der Volksaufstand auf der Insel ähnliche Proteste in anderen Teilen der Welt auslösen könnte, vor allem in Indien, wo die arbeitende Bevölkerung mit einer ähnlichen sozialen Krise konfrontiert ist. Gleichzeitig wird er versuchen, die Krise zur Stärkung seiner Stellung in Colombo im Rahmen der umfassenderen Kriegsvorbereitungen gegen China zu nutzen.

Am Vorabend der Proteste vom Samstag rief die US-amerikanische Botschafterin in Colombo, Julie Chung, auf Twitter zur Ruhe auf: „Gewalt ist keine Antwort. Wenn Sie protestieren wollen, dann tun Sie das bitte friedlich. Und ich erinnere das Militär und die Polizei daran, friedlichen Demonstranten den notwendigen Raum und die nötige Sicherheit zu geben. Chaos und Gewalt werden weder die Wirtschaft retten, noch für die politische Stabilität sorgen, die Sri Lanka jetzt braucht.“

Doch die Austeritätsmaßnahmen des IWF werden den Widerstand der Arbeiter und der Landbevölkerung nur noch weiter verstärken und können nicht auf demokratischem Weg durchgesetzt werden. Der Rücktritt Rajapaksas und Wickremesinghes und die Bildung einer Allparteien-Übergangsregierung ist ein verzweifelter Versuch der herrschenden Klasse, Zeit zu gewinnen. Eine solche Regierung wird versuchen, den Widerstand zu ermüden, zu spalten und zu demoralisieren, sodass er von Militär und Polizei unterdrückt werden kann und diktatorische Herrschaftsformen errichtet werden können.

Der Generalstabschef und ehemalige Befehlshaber der Armee, General Shavendra Silva, machte am Samstagabend gegenüber den Medien folgende bedrohliche Äußerung: „Die Bevölkerung muss den Streitkräften und der Polizei die notwendige Unterstützung gewähren, um Frieden im Land zu erhalten.“

Die sri-lankischen Arbeiter müssen die Erfahrungen der ägyptischen Revolution von 2011 als nachdrückliche Warnung begreifen. Damals wurde das diktatorische Regime von Hosni Mubarak nach Jahrzehnten von einem Massenaufstand der arbeitenden Bevölkerung gestürzt. Die unabhängige revolutionäre Intervention der Arbeiterklasse wurde jedoch durch die Rolle von pseudolinken Kräften wie den Revolutionary Socialists (RS) abgeblockt, die den Widerstand politisch der bürgerlichen Muslimbruderschaft unterordneten.

Die Regierung der Muslimbrüder konnte die zugrunde liegende wirtschaftliche und soziale Krise nicht lösen. Als ihr Rückhalt schwand und es keine sozialistische Alternative gab, ergriff das Militär die Initiative, griff mit brutaler Gewalt durch und errichtete die aktuell herrschende Militärdiktatur unter Mubaraks ehemaligem General Abdel Fattah al-Sisi. Genau wie in Sri Lanka waren die USA eng in all diese reaktionären Manöver verwickelt, die das Ziel hatten, die bürgerliche Herrschaft zu stabilisieren.

Die sri-lankischen Arbeiter dürfen der Allparteienregierung, in welcher Form auch immer, keinerlei Vertrauen schenken. Sie sollten auch die Bestrebungen der diversen pseudolinken Organisationen wie der Frontline Socialist Party zurückweisen, welche die Illusion schüren, eine solche Regierung könne durch Druck dazu gebracht werden, die erschütternden sozialen Bedingungen der arbeitenden Bevölkerung zu verbessern.

Die Alternative für die Arbeiterklasse ist der Kampf für ihr eigenes revolutionäres sozialistisches Programm und die Mobilisierung der Jugendlichen und armen Landbevölkerung für eine Arbeiter- und Bauernregierung als Teil eines umfassenderen Kampfs für den Sozialismus in Südasien und weltweit.

Die SEP ist die einzige Partei in Sri Lanka, die eine solche Perspektive vertritt. Im Einklang damit hat die SEP eine Einladung der SJB zu „Allparteiengesprächen“ für die Bildung einer Übergangsregierung kategorisch abgelehnt.

In einem offenen Brief an den SJB-Führer Sajith Premadasa warnte sie: „Genau wie die Regierung von Präsident Rajapaksa und Premierminister Wickremesinghe, wird jede kapitalistische Regierung, die sie ablöst, das Spardiktat des Internationalen Währungsfonds (IWF) umsetzen. Eine solche Regierung wird außerdem alle vorhandenen Instrumente des Staatsapparats einsetzen, um Arbeiter, Jugendliche und andere Werktätige zu unterdrücken, die sich den Kämpfen gegen diese Angriffe anschließen werden.“

Die SEP fügte hinzu: „Wir lehnen eure Einladung ab und verfolgen gleichzeitig ein Aktionsprogramm für die Arbeiterklasse, um ihre gesellschaftliche Macht zu mobilisieren und ihre eigene Lösung für die massive soziale und wirtschaftliche Krise voranzutreiben – eine Lösung, die die Bedürfnisse der Menschen über den Profit der Investoren stellt... gegen das Austeritätsprogramm der Regierung ebenso wie gegen Oppositionsparteien wie die SJB.“

Die SEP hat Arbeiter und die Landbevölkerung aufgerufen, ihre eigenen Aktionskomitees zu gründen, unabhängig von allen etablierten Parteien und den Gewerkschaften, die eine verräterische Rolle gespielt haben und Streiks und Proteste verraten und blockiert haben. Wir haben eine Reihe von Forderungen formuliert, mit denen die Aktionskomitees einen politischen Kampf führen können, darunter die Zurückweisung aller Auslandsschulden, demokratische Kontrolle der Arbeiter über Produktion und Verteilung, die Enteignung der Vermögen von Milliardären und Konzernen, einen Schuldenerlass für arme Bauern und Kleinunternehmer sowie die Wiedereinführung von Preissubventionen für Nahrungsmittel, Treibstoff und Dünger.

Wir rufen Arbeiter und Jugendliche, die nach einer politischen Alternative zu den verkommenen Manövern der kapitalistischen Politiker und ihrer pseudolinken Anhängsel suchen, dazu auf, unserer Partei beizutreten und sie zu der revolutionären Führung aufzubauen, die in den bevorstehenden Kämpfen benötigt wird.

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