Erneut hat ein Warnstreik der Security den Flugbetrieb in Deutschland weitgehend zum Erliegen gebracht. An acht Flughäfen – Berlin, Frankfurt, Hamburg, Bremen, Hannover, Stuttgart, Köln/Bonn und Düsseldorf – beteiligten sich am gestrigen Dienstag die Sicherheitskräfte praktisch zu 100 Prozent an dem Streik. Passagiere konnten auf diesen Airports nur umsteigen und nicht starten. Mehrere hundert Flüge mussten gestrichen werden.
Der Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) weigert sich rigoros, über die Forderung der Sicherheitskräfte ernsthaft zu verhandeln. Selbst die sehr begrenzte Forderung, den Stundenlohn des Sicherheitspersonals um einen Euro aufzubessern und die Löhne bundesweit anzugleichen, lehnt er entschieden ab. Am kommenden Donnerstag sollen die Gespräche im hessischen Raunheim fortgesetzt werden.
Viele Arbeiter sind wütend. Verdi sah sich gezwungen, zu einem nahezu flächendeckenden, ganztägigen Warnstreik aufzurufen. Der Streik machte deutlich, welche Stärke und Macht die Sicherheitskräfte an den Flughäfen entfalten können.
Am größten Drehkreuz Frankfurt gab es nur einen Notdienst. Nach Angaben des Betreibers Fraport wurden 108 von 790 geplanten Flügen bis zum Mittag abgesagt. Auch aus Berlin und Hamburg wurden starke Einschränkungen gemeldet. Wie der Flughafen Hamburg angab, mussten alle 88 geplanten Abflüge storniert werden. Am Flughafen Berlin-Brandenburg fielen nach Angabe einer Sprecherin rund 100 von 150 geplanten Abflügen aus, und von den etwa 150 Ankünften wurden rund 50 gestrichen.
Am Flughafen Düsseldorf fielen 140 von insgesamt 260 Abflügen und Ankünften aus, am Köln Bonn Airport konnten 50 von 60 Starts nicht stattfinden, und in Stuttgart wurden einer Sprecherin zufolge 40 von 50 Abflügen abgesagt.
Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft tobte und nannte den Ausstand unverhältnismäßig.
Trotz der Kampfbereitschaft der Beschäftigten und der großen Solidarität unter andern Flughafenarbeitern arbeitet Verdi jedoch auf einen faulen Kompromiss hin. Im Grunde ist die Unnachgiebigkeit des Arbeitgeberverbands ein Ergebnis davon, dass die Verhandlungsführer die Dienstleistungsgewerkschaft gut kennen, weil sie früher selbst Verdi- und DGB-Funktionäre waren.
Verhandlungsführer Rainer Friebertshäuser und andere Vertreter der Luftfahrtindustrie kritisieren die Forderungen als „unrealistisch“ und behaupten entrüstet, dass sie zu einer 40-prozentigen Lohnsteigerung führen würden. Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), erklärte sogar, die Beschäftigten brächten mit ihren Forderungen „die wirtschaftliche Wiederbelebung nach dem Pandemie-bedingten Zusammenbruch in Gefahr“.
Sowohl Friebertshäuser als auch von Randow sind langjährige SPD- und Gewerkschaftsmitglieder. Matthias von Randow war zuvor schon Referatsleiter des DGB-Bundesvorstandes, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und Direktor der Air Berlin. Rainer Friebertshäuser ist nach 40-jähriger Verdi-Mitgliedschaft heute Arbeitsdirektor von FraSec, der Tochter des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport.
Mehrere Streikende am Frankfurter Terminal 1 kommentierten die wütende Managerhetze gegenüber der World Socialist Web Site.
Rainer, der seit über zwanzig Jahren in der Flughafenkontrolle arbeitet, erklärte: „Wir sollten von vorneherein Forderungen in zweistelliger Höhe stellen. Gemessen an dem Lohnverzicht der Pandemiezeit und der letzten Jahre, den ständig steigenden Preisen und der Inflation, die noch bevorsteht, wäre das angebracht und notwendig.“
Sein Kollege erklärte: „Wir haben hier Schichten rund um die Uhr. Viele kommen von weit her und zahlen jetzt schon das Doppelte für Benzin. Andere müssen eine kleine Zweitwohnung oder ein Zimmer hier in der Nähe finanzieren.“
Andrea, die seit 15 Jahren am Flughafen arbeitet, warf die Frage auf: „Wo ist denn das ganze Geld geblieben? Die Konzerne haben in der Pandemie Milliarden einkassiert, aber die Arbeiter sollen verzichten.“ Auf den Hinweis, dass die Bundesregierung gerade dabei ist, 100 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr locker zu machen, um sich für den dritten Weltkrieg zu rüsten, sagte Andrea: „Das ist alles Wahnsinn, das führt nur zu noch mehr Krieg. Das will doch kein Mensch.“
Ein Kollege erklärte: „Sie sollten lieber uns mehr Geld geben. Die letzten Jahre kamen wir relativ gut zurecht. Aber jetzt wird alles teurer, und bei uns herrscht wirklich ein großer Arbeitsstress, weil so viele Kollegen gehen mussten und nicht wieder ersetzt worden sind.“
Das bestätigen auch Wolfgang, der seit 18 Jahren an der Flughafenkontrolle arbeitet, und ein Kollege. Wie sie erklären, sind in der Pandemie mindestens zehn Prozent der Belegschaft abgebaut worden. „Alle mit Leihvertrag mussten gehen, weil das Kurzarbeitergeld für sie nicht bezahlt wurde“, berichten sie. „Außerdem wurden die Verträge mit langjährigen Kollegen gekündigt, die noch Verträge als Beschäftigte des öffentlichen Dienstes hatten.“
Bei der Privatisierung der Flughafenkontrolle wurden diese Kollegen einer Sonderregelung nach EU-Recht unterstellt. „Diese Verträge sind alle jetzt ausgelaufen, und so mussten Kollegen mit 30-jähriger Erfahrung den Dienst quittieren.“
Wolfgang und seine Kollegen haben auch miterlebt, wie der Dienstleister WISAG am Frankfurter Flughafen langjährige Arbeiter von heute auf morgen gekündigt und durch Leiharbeiter ersetzt hat. Sie stimmen zu, dass Flughafenarbeiter gemeinsam kämpfen müssen, um sich nicht spalten und gegeneinander ausspielen zu lassen.
Wolfgang berichtet, dass er vor 18 Jahren mit einem Stundenlohn von 7,50 Euro am Flughafen angefangen habe: „Nach und nach haben wir uns hochgearbeitet, und dank des großen Streiks von 2014 hatten wir zuletzt halbwegs vernünftige Löhne.“
Heute jedoch seien die Arbeiter damit konfrontiert, dass die Aktionäre „nur noch die Gewinne abschöpfen“, und deshalb sehen sie nicht ein, warum sie auf ihre Forderungen verzichten sollten: „Für alles ist Geld da. Für die Bundeswehr hat man 100 Milliarden Euro aus dem Hut gezaubert, aber wir sollen mit viel zu wenig Personal die ganze Arbeit machen.“
Zu der Tatsache, dass hohe Verdi-Funktionäre wie Rainer Friebertshäuser ganz offen die Seiten wechseln, sagte Wolfgang: „Für Gewerkschaftsfunktionäre ab einer bestimmten Gehaltsklasse ist das nur ein Beruf wie jeder andere. Da greifen sie zu, wenn ihnen einer eine noch lukrativere Karriere anbietet.“
Die World Socialist Web Site und die Sozialistischen Gleichheitspartei schlagen vor, dass die Arbeiter sich in Aktionskomitees organisieren, die unabhängig von Verdi handeln können und sich mit ihren Kollegen in den anderen Betrieben und an allen Standorten Europas vernetzen.
Zu der Forderung „Kein dritter Weltkrieg! Gegen Ukraine-Krieg, Nato-Aggression und deutsche Aufrüstung“ sagt Wolfgang, dass er es unterstützen würde, wenn sich alle Arbeiter gegen den Krieg zusammenschließen und gemeinsam gegen die wahnwitzige Aufrüstung stellen würden. Für ihn sei es „besonders übel, dass jetzt russische Aussiedler diskriminiert werden sollen“, das erinnere ihn lebhaft an das Dritte Reich: „Wie damals gegen die Juden will man heute gegen die Russen vorgehen. Das dürfen wir nicht zulassen.“