„Charité intensiv – Station 43“. Eine erschütternde Dokumentation der Corona-Realität

Diese Filmdokumentation über die Corona-Pandemie ist hochaktuell. Oder, wie es der Chefvirologe der Berliner Charité Christian Drosten Anfang November formuliert hat, sie ist eine „sehr stille Dokumentation“, die ohne zu kommentieren einen politischen Kommentar liefert. Die wahre Misere der tödlichen Pandemie liege „auf den Gesichtern der Patienten, ihrer Kinder und Lebenspartner. Und sie spiegelt sich in den Augen des medizinischen Personals wider.“

Drosten hielt die Laudatio bei der Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises für Fernsehjournalismus am 4. November in Köln, mit dem die vierteilige Doku-Serie „Charité intensiv – Station 43“ von Carl Gierstorfer ausgezeichnet wurde. Der Regisseur hatte sie während der zweiten Welle der Pandemie im vergangenen Winter gedreht. Bereits am 16. September erhielt sie den Deutschen Fernsehpreis.

Die Kamera folgt in Echtzeit der Arbeit von Intensivärzten und -pflegern, die oftmals unter Gefährdung ihrer eigenen physischen und psychischen Gesundheit um jeden einzelnen Corona-Patienten kämpfen. Man erlebt den Wettlauf gegen die Zeit hautnah mit, wenn die Notambulanzwagen durch die Stadt rasen, im Gepäck Beatmungs- und ECMO-Gerät, das bei Lungenversagen eine externe Sauerstoffversorgung ermöglicht.

Die hochmotivierten Ärzte- und Pflegeteams, die anders als in ärmeren Ländern zumindest in Berlin mit diesen hochspezialisierten, teuren Geräten ausgerüstet sind, vermitteln einen Eindruck von der tödlichen Gefahr durch das Corona-Virus und widerlegen nachhaltig die Lüge über eine grippeähnliche Krankheit von älteren, vorerkrankten Menschen, wie sie von Corona-Leugnern und entsprechenden Medienberichten verbreitet werden.

Eingeliefert werden viele jüngere Menschen, die aus dem Leben gerissen werden. Das Team der Intensivstation betreut sie manchmal mehrere Wochen, nicht nur mit Geräten und Medikamenten, sondern auch psychisch. Die wenigen Kommentare von Patienten, von Ärzten und Pflegern gehen nahe. Jeder weiß, es sind Menschen wie du und ich.

Da ist ein junger, sportlicher Mann aus Brandenburg, der aus einer Klinik, die kein Ecmo-Gerät hat, von dem Charité-Team abgeholt wird und nach 35 Tagen Koma wieder aufwacht, allmählich selbst atmen, seinen Vornamen „Marko“ aussprechen und seine völlig schlaffen Beine und Füße bewegen lernt.

Oder der IT-Mitarbeiter, ein Hüne von Mann in den besten Jahren, der gerade mit hohem Kredit seine Wohnung gekauft hat, in der er mit Frau und Kindern lebt. Er wird eingeliefert, nachdem sich sein Zustand nach einer Woche Erkältungssymptomen massiv verschlechtert hat. Sein Leben wird gerettet, doch muss er eine weitere gefährliche Operation überstehen, um ein Blutgerinnsel in der Lunge zu beseitigen. Auch er braucht viel therapeutische Hilfe, um wieder ins Leben zurückzukehren.

Und besonders schockierend: ein farbiger Arbeiter, auch er in den besten Jahren mit heranwachsenden Kindern, der es letztlich nicht schafft zu überleben. Am Ende sitzen Pfleger und Mediziner mit seiner verzweifelten Frau zusammen, die religiös ist, Gospel-Lieder singt und Bilder von den Kindern auf den Rücken des Sterbenden legt. „Sie haben eine schöne Stimme“, sagt der Oberarzt, bevor er ihr, einem Betreuer und dem per Video zugeschalteten Bruder aus den USA die aussichtslose Lage erklärt. Dieser dankt dem Charité-Team für ihre Arbeit und spricht sein großes Vertrauen in die Wissenschaft aus.

Am Ende der Doku-Serie, es ist Januar 2021, sprechen Pfleger und Mediziner des Teams, über ihre belastenden Erfahrungen in der zweiten Welle. „Wir haben alle Angst vor der dritten Welle ... und dass unsere Kräfte nicht mehr reichen“, so Intensivmedizinerin Sarah Kamel. Und doch könne sie nicht anders, als diese Arbeit fortzusetzen.

„Es ist ein historisches Ereignis von einer enormen Dimension“, betont Oberarzt Jan Kruse. Auch er gibt seiner Befürchtung vor der nächsten Welle Ausdruck. Es könnte noch schlimmer kommen, aber manche aus dem Pflegepersonal hätten bereits gekündigt, weil sie es nicht mehr schaffen. Er hoffe, dass künftig die Leistungen, der persönliche Einsatz, die Opfer des Personals mehr anerkannt werden und zu Verbesserungen führen. „Ich habe da meine Zweifel...“, ergänzt er.

Seine Zweifel haben sich bestätigt. Trotz wochenlanger Streiks an der Charité und im landeseigenen Klinikkonzern Vivantes in den vergangenen Monaten ist die Personalsituation zu Beginn der vierten Welle extrem angespannt, die Gehälter und Arbeitszeiten für die belastende Arbeit sind kaum verbessert worden.

In diesen Tagen füllen sich wieder die Intensivstationen der Krankenhäuser, ein noch schlimmerer Corona-Winter steht bevor. Zugleich vergeht kein Tag, an dem nicht Politiker aller Couleur in den Medien die Pandemie verharmlosen, das Ende aller Maßnahmen zu ihrer Eindämmung fordern und von der Bevölkerung verlangen, mit dem Virus, das heißt mit dem Tod zu leben.

Die vierteilige Doku-Serie ist eine Anklage an alle kapitalistischen Regierungen, vor allem die alte und neue Regierung in Berlin, die im Interesse von Konzernen und Finanzspekulanten das Leben von Hunderttausenden Menschen aufs Spiel setzen.

Christian Drosten klagte bei der Preisverleihung besonders über die Verantwortungslosigkeit der Medien. „Unsere Realität ist das, was die Medien uns spiegeln“, sagte er und forderte die Journalisten zu einer kritischen Bewertung ihrer bisherigen Berichterstattung auf. „In einer Pandemie kostet unverantwortliches Handeln Menschenleben“, betonte er.

Das Handeln des Einzelnen habe direkte Folgen für zahllose andere Menschen. „Es geht auch darum, einen Beitrag zu einem gesellschaftsweiten Schutz zu leisten. Ohne flächendeckende Impfung kann nur die Reduktion von Kontakten verhindern, dass zu viele schwere Infektionen gleichzeitig auftreten und das Gesundheitssystem überlastet wird.“

Drosten ist von der rechtsradikalen AfD ebenso wie von der Bild-Zeitung beschimpft und bedroht worden. In einem langen Interview des Wochenmagazins Zeit in dieser Woche versucht Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, ihn in die Enge zu treiben und als gescheiterten Merkel-Berater darzustellen, der keine Antwort auf die vierte Welle hätte. Der Virologe verteidigt darauf seine Kritik an den Medien und beklagt die ständigen Attacken auf einzelne Wissenschaftler, die weit über die Angriffe der Bild-Zeitung hinausgehen. „Mir geht es um die generelle Atmosphäre, dieses ständige Raunen in den Berichten und Moderationen, die Untertöne.“

Erneut spricht er sich für eine Impfpflicht und eine möglichst schnelle Booster-Impfung aus, die genauso wie die Anschnallpflicht im Auto lebensrettend wären. Auch verteidigt er die „No Covid“-Initiative. Auf die höhnische Nachbemerkung des Zeit-Redakteurs, dass diese Initiative eine „kapitalismuskritische Stoßrichtung“ habe, wiederholt Drosten, dass die Aufgabe der Wissenschaftler darin besteht, die bedrohliche Situation der Pandemie zu erklären. Er zeigt sich am Ende enttäuscht, dass die Politik seinen Mahnungen nicht folgt.

Arbeiter müssen die Warnungen und Erkenntnisse von ernsthaften Wissenschaftlern wie Drosten oder den Unterzeichnern des jüngsten Appells von 35 namhaften Medizinern aufgreifen und selbst die Initiative übernehmen. Die arbeitende Bevölkerung muss sich weltweit zusammenschließen und Aktionskomitees aufbauen, um mit Hilfe der Wissenschaft aufzuklären und die notwendigen Maßnahmen zur Eliminierung von Covid-19 durchzusetzen. Dazu gehört die flächendeckende Impfung der Bevölkerung genauso wie die Schließung von Schulen und der nicht lebensnotwendigen Betriebe. Das Gesundheitssystem und die Impfstoff- und Medikamentenproduktion müssen dem Profitsystem entzogen und unter die Kontrolle der Arbeiterklasse und des medizinischen Personals gestellt werden.

Von den Regierungen und Wirtschaftsverbänden sind keine ernsthaften Schutzmaßnahmen zu erwarten. Ihre Haltung ist nicht nur verantwortungslos, sondern kriminell. Es ist an der Zeit, ihnen das Heft aus der Hand zu nehmen.

Die Dokumentation „Charité intensiv – Station 43“, in der ARD-Mediathek noch bis zum 1. April 2022 zu sehen, ist dafür eine wichtige Inspiration.

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