Opel Eisenach: Kurzarbeit kündigt endgültige Werksschließung an

Der Stellantis-Konzern, der Zusammenschluss aus der PSA-Gruppe (Peugeot/Citroën), Fiat Chrysler Automotive (FCA) und Opel/Vauxhall hatte am Donnerstag letzter Woche mitgeteilt, dass die Produktion des Opel-SUV Grandland X am Standort Eisenach bis zum Jahresende eingestellt werde. Alle rund 1.360 Beschäftigten wurden in Kurzarbeit geschickt. Auch im Opel-Werk im österreichischen Aspern bei Wien ruht bis Jahresende die Produktion. Das Unternehmen begründete dies mit dem weltweiten Mangel an Halbleitern.

Als im August schon einmal in Eisenach die Produktion ruhte, war der Stillstand absehbar vorübergehend. Damals hatte ein Zulieferer für elektronische Komponenten in Malaysia die Fertigung wegen eines Covid-19-Ausbruchs stoppen müssen.

Nun befürchtet die Belegschaft, dass der jetzige Produktionsstopp die Schließung des Werks einläutet. Die Ankündigung des Konzerns, die Produktion werde zum Jahresbeginn 2022 wieder aufgenommen, „falls die Lieferketten das erlauben“, wird von vielen Arbeitern so verstanden, dass die Wiederaufnahme der Produktion nach drei Monaten völlig unsicher ist.

Es gibt Anzeichen dafür, dass der Produktionsstopp genutzt wird, um die Produktion des aktuellen Grandlands und eines Facelift-Modells vom Werk im französischen Sochaux übernommen wird, obwohl die Produktion des neuen Modells ursprünglich für das ostdeutsche Werk vorgesehen war. Arbeiter berichten darüber, dass Lager komplett geräumt und Material in andere Werke versandt werde, darunter das in Sochaux.

Nur zwei Tage bevor der Konzern die vierteljährliche Werksschließung ankündigte, kam die Belegschaft in einer Betriebsversammlung zusammen. Dort verlor der Betriebsrat kein Wort über die anstehende Kurzarbeit. Nach der Ankündigung empörten sich die IG Metall und der Betriebsrat darüber, davon nichts gewusst zu haben. „Das ist eine Katastrophe ohne jede Ankündigung“, sagte der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Eisenach, Uwe Laubach, gegenüber der Automobilwoche.

Das entspricht wohl kaum der Wahrheit. Kurzarbeit ist wie jede Änderung der betriebsüblichen Arbeitszeit mitbestimmungspflichtig. Der Betriebsrat, der auf der Betriebsversammlung 48 Stunden vor Bekanntgabe der Kurzarbeit nichts davon hat verlauten lassen, muss also davon gewusst haben. Wahrscheinlich hatte er der Kurzarbeit sogar schon zugestimmt. Warum hat er nichts berichtet? Was wissen der Betriebsrat und die Gewerkschaft sonst noch, was sie der Belegschaft verheimlichen?

Es scheint wie immer in den letzten Jahren zu laufen: Betriebsrat, Gewerkschaft und Konzernspitze haben sich und ihre Rollen in diesem abgekarteten Spiel abgestimmt, um die von Stellantis geforderten Kürzungen durchzusetzen. Eine zentrale Rolle spielt der Eisenacher Betriebsratsvorsitzende Bernd Lösche. Er ist Mitglied des Opel-Aufsichtsrats, seit Juni 2019 auch stellvertretender Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates und bereits seit 2013 Vorstandsmitglied der IG Metall.

Unterstützt werden Lösche und die Gewerkschaft von der Linkspartei. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow bezeichnete es als „Form von Unkultur“, dass Belegschaft und Betriebsrat nicht rechtzeitig informiert worden seien.

Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf (Die Linke) hat die Befürchtungen der Opel-Arbeiter kurzerhand beiseite gewischt. Im Interview mit dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) äußerte sie Verständnis für die Autokonzerne. Sie wisse, dass die Situation für die Autohersteller wegen der weltweiten Lieferengpässe schwierig sei. Aber gleichzeitig erwarte sie, dass die Produktion schnellstmöglich wieder anlaufe. Sie stehe in Kontakt mit der Werksleitung, dem Stellantis-Konzern und dem Betriebsrat, sagte Wolf. Alle würden „positive Signale“ senden, also offenbar auch der Betriebsrat, der vorgibt wenig bis nichts zu wissen.

Dieses abgekartete Spiel hat gerade bei Opel eine lange Tradition, in Bochum, Rüsselsheim, Kaiserslautern und auch in Eisenach. Bereits 1990 hatte Opel mit dem Automobilwerk Eisenach, in dem zuvor der Wartburg gebaut wurde, ein Joint Venture gegründet und im Herbst des gleichen Jahres die Produktion des Opel-Modells Vectra begonnen. Parallel wurde ein hochmodernes Opel-Werk in der Wartburgstadt aufgebaut. Im Januar 1991 beendete die Treuhandanstalt die Produktion im Automobilwerk Eisenach, die 4.500 Beschäftigten wurden mit Zustimmung der IG Metall in Null-Stunden-Kurzarbeit entlassen. Nur anderthalb Jahre später wurde dann das neue Opel-Werk eröffnet. 1.900 Arbeiter stellten die beiden Modelle Astra und Corsa her. Zu dieser Zeit galt das Werk als eines der produktivsten in Europa.

Nach Jahrzehnten des Arbeitsplatzabbaus und der Werksschließungen hatte 2017 die PSA-Gruppe und ihr Vorstandsvorsitzender Carlos Tavares Opel/Vauxhall von General Motors übernommen. Die IG Metall war voll des Lobes über Tavares, der schon damals als harter Sanierer berüchtigt war. Gewerkschaft und Betriebsrat haben mit ihm sofort den Sanierungsplan „Pace“ (Tempo) vereinbart. Damals beschäftigte Opel insgesamt noch rund 19.500 Arbeiter in Deutschland, davon etwa 1.800 in Eisenach. Heute zählt Opel 15.000 Beschäftigte, von denen weitere 2.100, vor allem im Stammwerk in Rüsselsheim, gehen sollen.

In Eisenach arbeiten heute nur noch 1.360 Menschen. 2018 stimmte der Betriebsrat dem Abbau von 400 bis 450 Arbeitsplätzen zu. Der damalige Gesamtbetriebsratsvorsitzende Wolfgang Schäfer-Klug erklärte, der Wechsel von General Motors zu PSA sei „gut für das Werk“, weil die Produktion erhöht werde. „Der Nachteil ist“, so Schäfer-Klug weiter, „es gehen Arbeitsplätze verloren. Für Eisenach würde das den Wegfall von 400 bis 450 Arbeitsplätzen bedeuten. Wir wären aber bereit, das in Kauf zu nehmen“.

Laut IG Metall hat Tavares 2017 versichert, auf betriebsbedingte Kündigungen und Standortschließungen zu verzichten. In Wirklichkeit hat Tavares Sparvorgaben gemacht und Betriebsrat und IGM verpflichteten sich, den verlangten Arbeitsplatzabbau durchzusetzen. Dabei setzten sie auf ihre altbekannten Mechanismen wie Abfindungen und Transfergesellschaften. Das ist inzwischen Makulatur.

Da immer mehr Arbeiter sich weigern, dem Druck der Betriebsräte nachzugeben und „freiwillig“ ihre Arbeitsplätze aufzugeben, drohen Tavares und der Konzern auch mit betriebsbedingten Kündigungen und Werksschließungen.

Diese sollen in Deutschland nun offenbar nach der Bundestagswahl durchgesetzt werden. Tavares selbst hat dazu den früheren Renault-Manager Uwe Hochgeschurtz zum Opel-Chef in Deutschland gemacht. Die beiden kennen sich noch aus ihrer gemeinsamen Zeit bei Renault. Hochgeschurtz war für Renault in verschiedenen Management-Positionen seit 2004 tätig, seit 2016 als Deutschland-Chef von Renault. Tavares begann seine Karriere bei Renault bereits 1981 und blieb dort bis 2014 als er den Posten des Vorstandsvorsitzenden von PSA Peugeot Citroën übernahm. Nun soll Hochgeschurtz für Tavares und die Stellantis-Aktionäre die nächste Kürzungsrunde einleiten.

Das Hauptproblem, vor denen die Opel-Arbeiter stehen, ist weniger die skrupellose Chefetage als vielmehr die IG Metall und deren Betriebsräte. Seit Jahren sind sie es, die die Angriffe der jeweiligen Konzernspitzen gegen die Belegschaften durchsetzen.

Die Fusionen von Opel und PSA genauso wie die zu Beginn des Jahres von PSA und FCA fand die Unterstützung der Gewerkschaft und der Betriebsräte, die von Beginn an darin einbezogen wurden. Der Erste IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann und der damalige Opel-Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Schäfer-Klug priesen 2017, noch vor der Fusion zwischen Opel und PSA, dass „in konstruktiven Gesprächen“ die Weichen für einen „europäischen Automobil-Champion mit deutsch-französischen Wurzeln“ geschaffen werde. Auch die Stellantis-Fusion zum viertgrößten Autokonzern der Welt Anfang dieses Jahres haben die Gewerkschaften begeistert begrüßt.

Sowohl Schäfer-Klug, der immer noch den Europabetriebsrat leitet, als auch der jetzige Opel-Gesamtbetriebsratschef Uwe Baum haben beide hoch-dotierte Posten im Aufsichtsrat der Opel Automobile GmbH. Sie sind seit langem in alle Umstrukturierungspläne eingeweiht.

Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze ist die Einsicht, dass die IG Metall und deren Betriebsräte auf der Seite des Konzerns stehen. Zahnlose Proteste wie Trillerpfeifen-Demos, das Tragen von Särgen durch Innenstädte oder auch Mahnwachen sollen diese zentrale Frage verschleiern. Derartige Pseudo-Proteste dienen einzig und allein dazu, der Gewerkschaft und den Betriebsräten den Rücken frei zu halten für ihre schmutzigen Deals mit der Konzernspitze.

Die Globalisierung der Produktion schafft die objektive Grundlage für die Stärkung des globalen Widerstandes und die Vereinigung der Arbeiterkämpfe über nationale Grenzen hinweg. Weltweit sind Arbeiter mit ähnlichen Angriffen der transnationalen Konzerne auf Arbeitsbedingungen und Löhne konfrontiert und beginnen sich dagegen zu wehren.

In den USA haben in der vergangenen Woche über 10.000 Arbeiter des Landtechnik-Riesen John Deere für Streik gestimmt. Zuvor hatten 3.000 Volvo-Arbeiter in Virginia über drei Monate lang die Arbeit niedergelegt und gegen einen miserablen Abgruppierungsvertrag protestiert, den die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) mit dem Management ausgearbeitet hatte. In beiden Betrieben haben Arbeiter unabhängige Aktionskomitees aufgebaut.

Auch bei Opel in Eisenach müssen Arbeiter diesen Schritt gehen, um ihre Interessen gegen die gemeinsame Front aus Management und Gewerkschaft zu verteidigen.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale und die ihr angeschlossenen Sozialistischen Gleichheitsparteien haben im Mai die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees ausgerufen, um die weltweiten Kämpfe aller Arbeiter zu koordinieren und zu organisieren. Wir rufen alle Opel-Arbeiter auf, sich in von den Gewerkschaften unabhängigen Aktionskomitees zusammenzuschließen, um sich mit Stellantis-Arbeitern und anderen Auto- und Industriearbeitern weltweit zu vereinen. Nehmt noch heute mit uns Kontakt auf.

Loading