Was Arbeiter über die Fusion von PSA mit Fiat Chrysler wissen müssen

Am vergangenen Samstag, den 16. Januar, trat die Fusion des Opel-Mutterkonzerns PSA mit Fiat Chrysler Automobiles (FCA) in Kraft und brachte den neuen globalen Autogiganten „Stellantis“ hervor. Zu dem neuen Konzern werden künftig neben Opel, Peugeot, Citroën, DS und Vauxhall auch Fiat, Chrysler, Alfa Romeo, Jeep und fünf weitere Marken gehören.

Die 43 Milliarden Euro schwere Fusion, die erstmals 2019 angekündigt wurde, wird weitreichende Folgen für die gesamte Autoindustrie haben. Sie kommt einem Signal für einen noch massiveren Angriff auf die Arbeitsplätze von Autoarbeitern auf der ganzen Welt gleich.

Stellantis wird nach Verkaufsvolumen zum viertgrößten Autohersteller aufsteigen und überholt damit General Motors und Ford. Größer sind nur noch Volkswagen, Toyota und der Nissan–Mitsubishi-Konzern. Gemessen am operativen Gewinn liegt das Unternehmen sogar an dritter Stelle. Stellantis beschäftigt rund 410.000 Mitarbeiter und hat Niederlassungen in Dutzenden von Ländern auf praktisch allen Kontinenten.

Der bisherige Vorstandschef der PSA-Gruppe, Carlos Tavares, wird als Stellantis-Chef das Ruder übernehmen. Tavares hat sich einen Ruf als rücksichtsloser Sanierer erworben: Zunächst hat er bei den PSA-Marken Peugeot und Citroën Stellen abgebaut, und dasselbe Muster hat sich bei Opel und Vauxhall wiederholt, die der Konzern 2017 von GM übernommen hat.

John Elkann, Erbe der milliardenschweren italienischen Agnelli-Dynastie, die Fiat gegründet hat, wird als Vorsitzender fungieren, und Mike Manley, bisher CEO von Fiat Chrysler (FCA), wird die nordamerikanischen Aktivitäten des Unternehmens leiten.

Die Stellantis-Gründung markiert einen Meilenstein sowohl in der globalen Integration der Produktion als auch im langwierigen Niedergang der industriellen Dominanz Amerikas. Dies hat erhebliche geopolitische Auswirkungen.

Die Finanzminister Frankreichs und Italiens, Bruno Le Maire und Stefano Patuanelli, begrüßten in einer gemeinsamen Erklärung den Zusammenschluss. Darin heißt es, die Fusion habe einen „neuen europäischen Champion“ geschaffen und „Europas industrielle Führung gestärkt“. Die drei größten Eigentümer von Stellantis sind die Investmentholding Exor der italienischen Familie Agnelli (14,4 Prozent), die französische Familie Peugeot (7,2 Prozent) und der französische Staat (6,2 Prozent).

Sowohl Ford als auch GM waren in den letzten Jahren gezwungen, ihre globale Präsenz zu verkleinern. Sie haben Tausende von Arbeitsplätzen in ihren ausländischen Werken abgebaut. Ford hat erst diesen Monat angekündigt, seine brasilianischen Werke zu schließen, und es gibt Spekulationen, dass es sich in Kürze aus Indien zurückziehen könnte. General Motors gab letztes Jahr bekannt, sich aus Australien, Neuseeland und Thailand zurückzuziehen, und den Arbeitern in seinem südkoreanischen Werken drohte GM, sich auch aus Südkorea zurückzuziehen, falls sie nicht zu Zugeständnissen bereit seien.

Die FCA–PSA-Fusion wurde durch einen erbitterten Kampf zwischen mehreren Autogiganten um die Vorherrschaft an den Märkten vorangetrieben, wie auch durch das Wettrennen, das sie sich in den neuen Technologien und der Entwicklung elektrischer wie autonomer Fahrzeuge liefern. Der Zusammenschluss selbst wird andere Unternehmen ermutigen, weitere Konsolidierung und Kostenersparnis anzustreben. Die großen Banken und Investoren üben seit mehreren Jahren unerbittlichen Druck auf die Autohersteller aus. Sie verlangen immer neue Kürzungen und Restrukturierungspläne mit dem Ziel, jeden möglichen Tropfen Gewinn aus der Arbeiterklasse herauszuquetschen.

FCA hatte zuvor eine Fusion mit dem französischen Konzern Renault für 2019 angekündigt, zur gleichen Zeit, als es schon den Deal mit PSA prüfte. Aber die geplante Fusion mit Renault scheiterte. Zuvor hatte FCA unter dem damaligen CEO Sergio Marchionne Annäherungsversuche an General Motors unternommen. Laut einer Klage, die GM im letzten Jahr eingereicht hatte, hat FCA Dutzende von Millionen Dollar an leitende Funktionäre der US-Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) gezahlt. Dies sollte den Druck auf die UAW erhöhen, eine Fusion zwischen den beiden Unternehmen zu unterstützen.

Die Führungskräfte von Stellantis prahlen nun mit geplanten jährlichen Einsparungen von 5 Milliarden Euro, von denen sie behaupten, dass sie ohne Werksschließungen erreicht werden könnten. Stattdessen wollen sie Synergieeffekte beim Einkauf nutzen und die Abläufe in den Bereichen Vertrieb, Marketing, Technik sowie Forschung und Entwicklung koordinieren.

Versprechungen, Fabriken und Arbeitsplätze zu erhalten, sind jedoch wertlos. Das haben die vielen Werkschließungen und Massenentlassungen in den letzten Jahrzehnten gezeigt. Branchenanalysten verweisen bereits auf die überschüssigen Produktionskapazitäten von Stellantis, besonders in den italienischen Werken, wie auch auf die große Anzahl von 14 verschiedenen Marken im Portfolio des neuen Unternehmens, von denen einige als unrentabel gelten.

Was die deutschen Opel-Werke betrifft, so ist vor allem die Zukunft des Werks in Eisenach bedroht, und von der bisherigen Opel-Zentrale in Rüsselsheim, wo bisher auch das Entwicklungszentrum angesiedelt ist, könnte am Ende nur ein Produktionsbetrieb übrig bleiben.

„Bei jedem Unternehmen, egal ob es sich um die neue Stellantis oder FCA oder PSA handelt, muss man sich die Werke ansehen, die nicht ausgelastet sind, um festzustellen, ob man hier ein neues Produkt einführen, das Produkt streichen oder das Werk ganz schließen sollte“, sagte Katelyn Drake, Analystin bei LMC Automotive Ltd., gegenüber den Detroit News. Laut LMC waren die FCA-Werke in Europa zuletzt nur zu 55 Prozent ausgelastet, die von PSA dagegen zu 68 Prozent.

„Der Konzern kann nicht kosteneffizient sein, wenn er die gesamte Größe beider Unternehmen beibehält“, sagte Karl Brauer, ein weiterer Analyst der Autoindustrie, der Associated Press. „Wir haben das auch früher schon gesehen, und wir werden es wieder erleben und sehen, wo diese Plattformen verschlankt werden, auf welchen Kontinenten und auf welchen Märkten.“

Selbst wenn es nicht sofort zu Werksschließungen kommt, könnten Tausende von Angestellten bald auf der Abschussliste stehen. Beispielsweise werden zu Stellantis mehrere Forschungs- und Entwicklungszentren – in Rüsselsheim, Paris, Turin und Auburn Hills, Michigan – gehören.

Eine Reihe von Industrieanalysten haben auch auf die schwache Position der Gruppe in China hingewiesen, dem mittlerweile größten Automarkt der Welt, und auf die Möglichkeit einer Neukonfiguration der derzeitigen Partnerschaften mit chinesischen Unternehmen. Medienberichten in China zufolge, befindet sich Stellantis bereits in Gesprächen mit der GAC (Chery Automobile und Guangzhou Automobile Group) über die Gründung eines neuen Joint Ventures, obwohl das Unternehmen dies dementiert hat. Der PSA-Finanzchef sagte im November, er gehe davon aus, dass der Konzern seine Aktivitäten in China straffen werde.

Die katastrophalen Auswirkungen von Covid-19 in Amerika und Europa und die daraus resultierende Wirtschaftskrise haben den Kampf um die Vorherrschaft auf Chinas riesigem Automarkt noch verstärkt. Doch auch in China ist der Autoabsatz seit 2017 ins Stocken geraten. Die weltweiten Verkäufe fielen laut dem Informationsdienst IHS Markit von 94 Millionen Einheiten im Jahr 2017 auf 90 Millionen im Jahr 2019, um dann 2020 um 15 Prozent auf 76,5 Millionen abzusinken.

Auf der ganzen Welt sind Autoarbeiter gezwungen, unter schmutzigen und gefährlichen Bedingungen zu arbeiten, und überall wird ihnen gesagt, es sei nicht genug Geld da, um die Werke bei vollem Lohnausgleich vorübergehend stillzulegen, um die Corona-Pandemie unter Kontrolle zu bringen. Gleichzeitig können sich die Führungskräfte von Stellantis auf gigantische Zahlungen freuen.

Der bisherige FCA-CEO Mike Manley wird wohl nach Berechnungen von Automotive News Europe bis zu 62,7 Millionen Dollar (über fünfzig Millionen Euro) an Barprämie erhalten. Die Auszahlung für den bisherigen FCA-Finanzvorstand Richard Palmer könnte sich auf 20,3 Millionen Dollar (fast siebzehn Millionen Euro) belaufen, und mehrere bisherige FCA-Führungskräfte werden ebenfalls Millionenboni einstreichen.

John Elkann (geschätztes Nettovermögen: eine Milliarde Dollar) und andere Mitglieder der Familien Agnelli und Peugeot, die einen beträchtlichen Anteil der Stellantis-Aktien halten, werden zweifellos von der Fusion stark profitieren. Die Aktien des Unternehmens sind am ersten Handelstag, dem 18. Januar, um 6,94 Prozent an der Pariser Börse und um 7,57 Prozent an der Mailänder Börse angestiegen.

Die korporatistischen Gewerkschaften in Italien, Frankreich und den USA haben die Konsolidierung größtenteils abgesegnet. Das war keine Überraschung, da sie auf der Linie ihrer jeweiligen Unternehmen liegen, auch wenn sie gelegentlich hohle Bedenken wegen möglicher Angriffe auf die Arbeitsplätze äußern. Auf einer PSA-Betriebsratssitzung im Jahr 2019 stimmten alle Gewerkschaftsfunktionäre für den Zusammenschluss, und ein Vertreter der Gewerkschaft CFTC sagte: „Das Projekt in der vorgestellten Form macht Sinn, weil sich die beiden Gruppen ergänzen, finanziell gesund sind und dank des neuen Formats eine kritische Größe erreichen werden. Das ist im heutigen Automobilgeschäft entscheidend.“

Die UAW ihrerseits hat bisher zur Fusion weitgehend geschwiegen und nur im Dezember 2019 eine oberflächliche Erklärung abgegeben, in der sie die Fusion befürwortete. Vorausgegangen war die jahrelange Gerichtsuntersuchung gegen die UAW-Vizepräsidentin Cindy Estrada wegen systematischer Korruption. Als die Detroit News Frau Estrada vor kurzem zu der Fusion befragte, wiederholte sie einfach die Argumente des Managements, dass die Arbeitsplätze in den USA erhalten blieben. Sie sagte: „Zu diesem Zeitpunkt hat das FCA-Management in Nordamerika überzeugend kommuniziert, dass es aufgrund der Fusion mit PSA keine Veränderungen an den Standorten mit UAW-Vertretung und keine Auswirkungen auf unsere Mitglieder geben wird.“

Seit Jahrzehntelang hat die UAW Hand in Hand mit ihren „Partnern“ im Management gearbeitet und so den ununterbrochenen Angriff auf Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen ermöglicht. Für ihre Bemühungen bei der Unterdrückung von Opposition, der Isolierung von Arbeiterkämpfen und der Durchsetzung von unternehmensfreundlichen Verträgen wurden Gewerkschaftsfunktionäre mit Millionen an Bestechungsgeldern belohnt, wie die US-amerikanische Korruptionsuntersuchung ergab, zusammen mit zahllosen weiteren, „legalen“ Schmiergeldern und Privilegien.

Die ganze Zeit über haben die UAW und ihre Schwesterorganisationen in den anderen Ländern unaufhörlich den Nationalismus und die Lüge verbreitet, dass Arbeiter die gleichen Interessen wie ihre Ausbeuter im Konzernmanagement hätten. Dieser Nationalismus hat sich längst als bankrott und reaktionär erwiesen.

Die Fusion von FCA und PSA und die Schaffung des transnationalen Giganten Stellantis ist der jüngste Beweis dafür, dass sich die globale Wirtschaft immer stärker integriert, und dass sie die Arbeiter in einem riesigen, vernetzten System über nationale Grenzen hinweg zusammenschweißt. Im Kapitalismus geht die Globalisierung der Produktion mit endlosen Angriffen auf die Arbeiter einher. Sie schafft jedoch gleichzeitig die objektive Grundlage für die Stärkung des globalen Widerstandes und die Vereinigung der Arbeiterkämpfe über nationale Grenzen hinweg.

Um erfolgreich gegen die transnationalen Konzerne zu kämpfen, brauchen die Arbeiter neue Kampforganisationen, die unabhängig von den nationalistischen Gewerkschaften sind. Sie brauchen eine internationalistische Strategie, auf deren Grundlage sie – egal mit welcher Nationalitäten, Ethnie oder Hautfarbe – ihre Kämpfe gemeinsam führen können.

Die Globalisierung der Autoindustrie ist bereits weit fortgeschritten. Dies macht es notwendig, sie unter die demokratische Kontrolle der Arbeiter zu stellen, damit sie den Bedürfnissen der Gesellschaft dient und nicht den Profitinteressen der Finanzaristokratie. Dies kann nur im Kampf für den Sozialismus erreicht werden, und dafür muss eine revolutionäre Führung der Arbeiterklasse aufgebaut werden.

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