„In der Politik werden alle Maßnahmen nur national betrachtet, aber von der Pandemie ist die ganze Welt betroffen.“

Seit Beginn des neuen Schuljahres breitet sich die Delta-Variante des Coronavirus in Deutschland rasant aus. Obwohl Wissenschaftler Alarm schlagen, zwingen Bundes- und Länderregierungen die Schulen in den uneingeschränkten Präsenzunterricht zurück. Die World Socialist Web Site sprach darüber mit Laura, die an einem Berufsschulzentrum ihr Abitur macht und zusammen mit ihren Eltern in der Nähe von Dessau lebt.

„Man macht sich schon große Sorgen angesichts der Delta-Variante,“ sagte sie. „Es geht ja nicht nur um mich, sondern darum, dass ich das Virus nach Hause zu meiner Familie tragen könnte. Die größte Sorge ist für mich, dass die Auswirkungen für sie noch schlimmer sein werden als für mich.

Wenn es im September wieder losgeht, werden wir fast 3000 Schüler und Azubis sein. Viele kommen von außerhalb aus den umliegenden Städten und fahren – wie ich – morgens mit dem Zug, wodurch das Ansteckungsrisiko zusätzlich steigt. Andere wohnen im Wohnheim und fahren am Wochenende nach Hause aufs Land, zu ihrer Familie.

Wir hatten letztes Jahr einen Fall, das ‚geht noch‘ – aber mit der Delta-Variante kann das auch bei uns sehr schnell umschlagen. Länder wie die USA, Israel und Großbritannien zeigen, was auch unsere Zukunft sein könnte. Dass Kinder ins Krankenhaus müssen, könnte sich bei uns genauso entwickeln, wie in diesen Ländern.“

Mit der Aufhebung der Kohortenbildung und der allgemeinen Rückkehr in den ungesicherten Präsenzunterricht steuere die Regierung auf ein solches Szenario zu, meint Laura:

„Es kommt von der Politik immer das Argument, dass Präsenzunterricht besser für uns wäre als Online-Unterricht. Aber es ist nur deshalb ‚besser‘, weil der Distanzunterricht so schlecht ist! Weil für die Digitalisierung keine Mittel zur Verfügung gestellt wurden und Lehrer keine Weiterbildungen erhalten haben. Gleichzeitig sind die Schulen selbst sehr veraltet ausgestattet – wir haben Glück, wenn unser Internet funktioniert. Die Mittel gehen in die falsche Richtung. Während in den Schulen zu wenig investiert wird, gehen die Milliarden stattdessen in den Militarismus. An uns wird dabei nicht gedacht.

Von Anfang an hat man gesehen, dass die Interessen der Regierung nur bei den Konzernen lagen: Bei den Banken, der Autoindustrie, beim Fußball… In Großbritannien wurden dafür mitten in der Ausbreitung der Delta-Variante vierzigtausend Leute zugelassen. Die Interessen der Bürger standen nicht im Vordergrund, sondern nur die Interessen der Großmächte und der Wirtschaft.

Von dieser globalen Pandemie ist die ganze Welt betroffen. In der Politik werden alle Maßnahmen nur national betrachtet, aber jeder Mensch auf der ganzen Welt ist betroffen – wir haben jetzt alle dieselben Probleme. Ich finde deshalb, dass die World Socialist Web Site eine gute Sichtweise hat. Die Vierte Internationale sieht die Fragen international und Vieles, was wir jetzt machen müssen, muss global geschehen.

Was das Thema Impfen betrifft, benutzen die Länder wie die USA ihren ganzen Vorrat nur für sich, während viele Länder nichts davon bekommen. Weil sich ärmere Länder den Impfstoff nicht werden leisten können, können dadurch neue Mutationen entstehen. Wir müssen an die Leute denken, die keinen Impfstoff bekommen können, weil sie nicht zu den reichsten Ländern der Welt gehören. Dass Länder wie Deutschland die Patente nicht freigeben und stattdessen mehr Geld mit den Impfstoffen machen wollen, ist nichts Neues und leider nicht überraschend.“

An ihre Mitschülerinnen und Mitschüler weltweit gerichtet, schließt Laura: „Schweigen bringt nichts. Auf der ganzen Welt gibt es Proteste und Schulstreiks – wir müssen etwas unternehmen, um die Situation zu ändern. Es geht jetzt um die Gesundheit von uns und unseren Mitmenschen und unserer Familie. Es geht nicht nur um ‚Bildung‘ – was anscheinend das Wichtigste in einer globalen Pandemie ist? – sondern auch um unsere Gesundheit. Kein Schüler hat ein Interesse daran, in die Schule zu gehen, sich da anstecken zu lassen und das weiterzugeben.

Auch als Lehrer ist man sehr gefährdet. Viele haben Vorerkrankungen und viele sind schon seit Beginn der Pandemie nur mit Maske erschienen. Wenn sie nach Hause kommen, kann es sein, dass sie schwerkrank ins Krankenhaus müssen und ihre Familie anstecken.

Aktionskomitees sind eine sehr gute Idee, weil wir dadurch unsere Meinung zeigen und darstellen können: Wir wollen unterrichtet werden, aber nicht mit der Gefahr, infiziert zu werden. Das ist ein wichtiges Mittel, damit jeder – egal, ob man Schüler, Lehrer oder Arbeiter ist – seine Sicht zum Ausdruck bringen kann.“

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