Trotz Ausbreitung der Delta-Variante: Frankreich beendet Einschränkungen für Unternehmen

Am 30. Juni beendete der französische Präsident Emmanuel Macron alle Social-Distancing-Maßnahmen, die die wirtschaftliche Tätigkeit in Frankreich eingeschränkt hatten. Regeln, die die Ausbreitung des Coronavirus begrenzt haben, werden abgeschafft, obwohl sich die ansteckendere Delta-Variante, die erstmals in Indien entdeckt wurde, zur vorherrschenden Variante in Europa entwickelt.

Betriebskantinen, Läden, Museen, Kinos, Theater, Restaurants und andere geschlossene öffentliche Einrichtungen werden wieder in der gleichen Kapazität operieren können wie vor der Pandemie. In Restaurants wird die Zahl der Personen an einem Tisch nicht mehr auf sechs begrenzt sein. Das offizielle Protokoll schlägt vor, dass Betriebe „soweit möglich Essen zum Mitnehmen verteilen, das am Arbeitsplatz verzehrt werden kann“, um überfüllte Kantinen zu vermeiden. Allerdings obliegt dies der Entscheidung der Arbeitgeber und ist damit weitgehend bedeutungslos.

Zu den wenigen Orten, an denen noch Einschränkungen bestehen, gehören Musik- und Sportveranstaltungen. Dort ist die Teilnehmerzahl auf 2.500 beschränkt, allerdings muss ab 1.000 Teilnehmern der Nachweis einer Impfung oder ein negativer Corona-Test vorgelegt werden. Die Wiederöffnung von Nachtclubs wurde auf den 9. Juli verlegt, doch die Regierung verhandelt mit Unternehmern, die ihren Öffnungsplan als zu einschränkend abgelehnt haben.

Die Politik Macrons, die von der ganzen Europäischen Union (EU) unterstützt und von nahezu dem gesamten politischen Establishment stillschweigend akzeptiert wird, sieht vor, die unkontrollierte Ausbreitung der Delta-Variante in der Bevölkerung hinzunehmen. Die Arbeiter sollen es als unvermeidbar akzeptieren, dass sie sich infizieren und darauf hoffen, dass Impfstoffe sie schützen werden.

Die Ungeimpften, darunter Kinder und viele Arbeiter, werden ihrem Schicksal überlassen. Macron hat es abgelehnt, dafür zu sorgen, dass sämtliche Erwachsenen geimpft werden oder eine Medienkampagne zum Aufruf für Impfungen zu organisieren. Das bedeutet faktisch eine Politik der „Herdenimmunität“, bei der sich das Virus ungehindert ausbreiten kann. Dies wird zu neuen Masseninfektionen und potenziell zur Entstehung von neuen, noch tödlicheren Varianten führen.

Zudem plant Macron laut zahlreichen Berichten die Einstellung der kostenlosen Corona-Tests. Nicht-Staatsbürger sollen ab dem 7. Juli für Corona-Tests zahlen, Staatsbürger und Einwohner ab September.

Angesichts wachsender Bedenken wegen der Delta-Variante und ihrer Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Impfstoffe hat Macron für die südwestfranzösische Region Landes, die am stärksten von der Delta-Variante betroffen ist, die Einschränkungen für Unternehmen bis zum 6. Juli verlängert. Dies verdeutlicht jedoch nur, dass er nicht ernsthaft die Absicht hat, die Ausbreitung der Delta-Variante aufzuhalten. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass die Delta-Variante am 6. Juli plötzlich verschwinden wird. Zudem wurde auch an der Riviera, in den Alpen und dem Raum Paris das Vorkommen dieser Variante festgestellt. Dort wird jedoch nichts dagegen unternommen.

Macron ignoriert erneut die Warnungen wissenschaftlicher Experten, die für September mit Masseninfektionen durch die Delta-Variante rechnen. Im Verlauf des letzten Monats hat sich die Zahl der Fälle in Großbritannien durch die Ausbreitung der Delta-Variante von 3.000 auf 26.000 erhöht, in Russland um das Doppelte auf 21.000; in Portugal um das Vierfache auf 1.700. Die portugiesischen Behörden haben einen kurzen Lockdown in der Hauptstadt Lissabon verhängt, um die Ausbreitung der Variante einzudämmen, die allerdings mittlerweile in ganz Europa vorkommt.

Derzeit finden zahlreiche Super Spreader-Events statt, vor allem in Zusammenhang mit der Fußball-Europameisterschaft. Laut britischen Regierungsvertretern waren am 18. Juni 1.290 infizierte schottische Fans zum Wembley-Stadion gekommen, in Finnland wurden bereits hunderte Infektionen unter zurückkehrenden Fans entdeckt. In Spanien wurden nach einem Super-Spreader-Event zur Feier des Schuljahresendes in Mallorca landesweit mehr als 1.000 Menschen infiziert.

Der französische Gesundheitsminister Olivier Véran bestätigte, dass die Delta-Variante mittlerweile für zwanzig Prozent der Neuinfektionen in Frankreich verantwortlich ist. Am Mittwoch meldete das Robert-Koch-Institut, dass die Delta-Variante in Deutschland für „mindestens die Hälfte aller Neuinfektionen“ verantwortlich ist.

Der Epidemiologe Arnaud Fontanet vom Pasteur Institut erklärte am Mittwoch gegenüber BFM-TV, die Zahl der Infektionen würde "im September und Oktober" aufgrund der Varianten deutlich ansteigen: „Die Delta-Variante wird vermutlich in zwei Monaten die bisher in Frankreich präsenten Varianten verdrängen, abgesehen vielleicht von der südafrikanischen Beta-Variante. Jedenfalls wird sie die vorherrschende Variante werden und für bis zu 80 oder 90 Prozent der Infektionen verantwortlich sein.“

Jean-François Delfraissy, der Präsident des Nationalen Wissenschaftlichen Rates, erklärte gegenüber France Inter, die derzeit „extrem niedrigen“ Neuinfektionszahlen, die zwischen 1.500 und 3.000 liegen, würden „von einem gewissen Standpunkt aus ein falsches Gefühl der Sicherheit vermitteln. ... Wir müssen daran denken, was im Sommer letzten Jahres passiert ist. Ende Juni 2020 waren wir bei vergleichbaren Zahlen, und dann kam im September die zweite Welle.“

Delfraissy erklärte, die Impfstoffe seien gegen die Delta-Variante wirksam, allerdings „für jemanden, der zwei Dosen erhalten hat", nicht nur eine Dosis. „Die Botschaft ist also: lasst euch impfen, und zwar zweimal, bevor die Schule wieder anfängt.“ Er erklärte außerdem, Über-60-Jährige sollten womöglich eine dritte Auffrischimpfung erhalten.

Es ist wichtig, die Arbeiterklasse politisch zu alarmieren und gegen Macrons Politik zu mobilisieren, die auf eine Katastrophe zusteuert. In Europa sind bereits 1,1 Millionen Menschen gestorben, weil die EU wissenschaftlich begründete Maßnahmen zur sozialen Distanzierung ablehnt. Eine neue Welle von Infektionen befindet sich in Vorbereitung. Macron hat die französische Bevölkerung dazu aufgerufen, „mit dem Virus zu leben“, der britische Premierminister Boris Johnson äußerte sich noch direkter: „Keine verdammten Lockdowns mehr, sollen sich die Leichen doch zu tausenden auftürmen!“ Die europäischen Regierungen planen derweil, die Milliarden der Superreichen zu retten, selbst wenn dabei Millionen sterben.

Diese Woche genehmigte die Europäische Kommission Frankreichs Anteil von 39,4 Milliarden Euro an der ersten Tranche des Pandemie-Rettungspakets „Next Generation EU“ in Höhe von 750 Milliarden Euro. Während das Vermögen der europäischen Milliardäre während der Pandemie durch ein Rettungspaket der Europäischen Zentralbank im Wert von 1,25 Billionen Euro um eine Billion Euro angestiegen ist, finanziert die EU damit die Pläne von Privatunternehmen für den Übergang zur „digitalen und wirtschaftlichen Transformation.“ Macron diskutiert mit Unternehmens- und Gewerkschaftsverbänden über eine Erhöhung des Rentenalters um zwei Jahre auf 64, um diese Pläne zu finanzieren.

Gleichzeitig wird die Politik der europäischen Regierungen zu Millionen von Neuinfektionen mit Covid-19 führen. Selbst wenn die Zahlen, die in den französischen Medien genannt werden, korrekt sind und zwei Impfstoffdosen einen Schutz von 90 bis 95 Prozent gegen eine Erkrankung an der Delta-Variante bieten, würde dies immer noch eine massive Zahl von Infizierten bedeuten.

Zum einen sind auch in den reicheren Ländern große Teile der Bevölkerung ungeimpft und gefährdet. In Großbritannien lebt Covid-19 wieder auf, obwohl 67 Prozent der Bevölkerung eine Dosis erhalten und 49 Prozent vollständig geimpft sind.

Auf dem europäischen Kontinent sind die Impfquoten noch niedriger. In Frankreich sind 30 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, 50 Prozent haben eine Dosis erhalten. Zudem ist die Zahl der täglichen Impfungen im Juni von 350.000 auf weniger als 180.000 gesunken. Wie Le Point schreibt, bedeutet dies, dass „das Ziel der Regierung, bis August 35 Millionen Menschen vollständig und 45 Millionen einmal zu impfen, schwerer zu erreichen ist, als es den Anschein hat“. Allerdings wären selbst bei dieser Zielvorgabe nur 52 Prozent der Bevölkerung vollständig und 67 Prozent einfach geimpft.

Zum anderen würden selbst dann viele durch wiederholten Kontakt mit infizierten ungeimpften Personen erkranken, wenn die gesamte geimpfte Bevölkerung zu 95 Prozent geschützt ist. Laut der US-Seuchenschutzbehörde wurden 4.100 Amerikaner hospitalisiert oder sind an Covid-19 gestorben, obwohl sie vollständig geimpft waren. Diese Zahlen werden weiter ansteigen, wenn die Infektionen durch die Politik der Herdenimmunität in die Höhe schießen.

Die medizinischen und technischen Mittel zur Eindämmung und Ausrottung des Virus existieren, doch sie zur Anwendung zu bringen, erfordert einen politischen Kampf. Um die Ausbreitung des Virus an Arbeitsplätzen und Schulen zu überwachen und zu stoppen, benötigen Arbeiter und Jugendliche ihre eigenen Sicherheitskomitees – unabhängig von den Gewerkschaften, die mit der EU über Rettungspakete und „Herdenimmunität“ verhandeln. Um die Kontrolle über die Mittel, die zur Beendigung der Pandemie notwendig sind, zu erlangen, müssen sich Arbeiter international vereinigen und den Kampf für die Entmachtung der EU und den Aufbau der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa aufnehmen.

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