Europaweite Proteste gegen Israels Krieg gegen Gaza

Am Samstag beteiligten sich Arbeiter und Jugendliche in ganz Europa an Protesten gegen Israels Luftangriffe auf die palästinensische Bevölkerung des Gazastreifens, u.a. in London, Paris, Berlin und Madrid.

Die Demonstrationen fielen zusammen mit dem palästinensischen Nakba-Tag (Tag der Katastrophe), der an die Gründung des Staates Israel durch die Vertreibung von 760.000 Palästinensern aus ihren Dörfern und Häusern 1948 erinnert.

Die größten Proteste fanden in London statt, wo sich Zehntausende im Hyde Park versammelten und zur israelischen Botschaft in Kensington zogen. Die Teilnehmer riefen u.a. „Stoppt die Luftangriffe auf Gaza“, „Israel ist ein Terrorstaat“ und „Freiheit, Freiheit für Palästina“. Viele trugen selbstgemachte Transparente. Im Verlauf des Tages wurden 13 Menschen von der Polizei verhaftet, einige davon vor der israelischen Botschaft. Eine Verhaftete wurde von mindestens sechs Polizisten in voller Kampfausrüstung fixiert.

Demonstranten zeigen mit Transparenten und palästinensischen Flaggen ihre Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung angesichts des anhaltenden Konflikts mit Israel. Aufgenommen während einer Demonstration in London am Samstag, den 15. Mai 2021. (AP Photo/Alberto Pezzali)

In mindestens 30 weiteren Städten in Großbritannien fanden am Wochenende ebenfalls Proteste statt.

In Deutschland demonstrierten in Berlin mehr als 3.000 Menschen, u.a. in Neukölln, wo viele türkische und arabische Migranten leben. Auch in Stuttgart, Frankfurt, Leipzig, Hamburg und weiteren Städten kam es zu Protesten.

In Frankreich protestierten laut dem Innenministerium landesweit 22.000 Menschen, mehr als 3.000 davon in Paris – allerdings setzt das Innenministerium die Zahlen regelmäßig zu niedrig an. Die Macron-Regierung hatte schon im Vorfeld der Veranstaltungen am Samstag Demonstrationen verboten und die Polizei angewiesen, gewaltsam gegen die Proteste in Paris vorzugehen. Der Pariser Polizeichef Didier Lallement mobilisierte mehr als 4.200 Polizisten. Im 18. Arrondissement im Norden der Stadt, wo viele Arbeiter und Araber leben, waren an den meisten Straßenecken Bereitschaftspolizisten positioniert. Die Hauptstraße, auf der die Demonstration stattfinden sollte, wurde gesperrt.

Im Verlauf des Nachmittags kamen Tränengas und Wasserwerfer zum Einsatz. An der U-Bahnstation La Chapelle wurde eine 22-jährige Demonstrantin von einer Blendgranate im Rücken getroffen und musste ins Krankenhaus.

In der spanischen Hauptstadt Madrid beteiligten sich Tausende an Protesten auf dem Puerta-del-Sol-Platz. In den Niederlanden demonstrierten Hunderte, u.a. vor dem Parlamentsgebäude in Den Haag.

Reporter der WSWS sprachen in Großbritannien mit Demonstranten.

In Manchester versammelten sich mehrere Tausend Demonstranten im Platt-Fields-Park im Stadtteil Rusholme, in dem ein großer Teil der Bevölkerung aus arabischen Staaten und vom indischen Subkontinent stammt, und marschierten durch die Durchgangsstraßen Wilmslow Road und Oxford Road.

Karim, der ein Plakat mit der Aufschrift „Israel ist ein Terrorstaat – Freiheit für Palästina“ trug, erklärte: „Gaza wird seit Jahren belagert. Die ganze Welt sieht zu und tut nichts dagegen. Es ist unsere humanitäre Pflicht, auf die Straße zu gehen und zu zeigen, dass es keine Gerechtigkeit gibt. Leute wie [US-Präsident] Joe Biden und [der israelische Ministerpräsident Benjamin] Netanjahu sind an allem schuld.

Das ist eine Art ethnischer Säuberung, die 1947 begann. Sie wollen schrittweise die Menschen umbringen, ermorden oder physisch von diesem Territorium vertreiben. Sie haben in der al-Aqsa-Moschee eine vorsätzliche Provokation und einen bewussten Landraub organisiert.

Alle hätten zusammen in Frieden leben können. Es ist sehr bedauerlich, dass Israel heute diese faschistische Haltung vertritt und dass es von Amerika unterstützt wird.“

Karim wies die Verleumdung zurück, Kritik an Israels Kriegsverbrechen sei Antisemitismus: „[Israel] will das so darstellen, weil sie keine Kritik an all den üblen Sachen hören wollen, die sie tun. Das Gleiche haben sie auch über Südafrika [während der Apartheid] gesagt.“

Khalid, der in der Luftfahrtindustrie arbeitet, trug ein Plakat mit der Aufschrift „Schluss mit der Belagerung Palästinas – Schluss mit den Luftangriffen auf Palästina“. Er erklärte: „Israel sollte es besser wissen. Sie wissen, wie es sich anfühlt, wenn man ausgerottet wird. Sie hatten keine Heimat und kamen als Gäste nach Palästina. Aber heute haben sie den Palästinensern die Häuser weggenommen und versuchen, sie zu vertreiben. Die Palästinenser haben kein Wasser und keine Nahrung. Dafür arbeiten Leute wie [der britische Premierminister] Boris Johnson und Präsidenten mit Israel zusammen und geben ihnen Geld, damit sie Menschenleben zerstören.“

Mizak aus dem Iran erklärte: „Für Palästinenser gibt es keine Menschenrechte. Die Leute sollten die Freiheit haben, in ihren eigenen Häusern zu leben. Aber wenn man über Freiheit redet, behaupten sie, man hätte etwas gegen die Juden. Das stimmt nicht, denn wenn es Juden passieren würde, dann würde ich sie unterstützen, notfalls sogar gegen mein eigenes Volk. Wir sehen fast nur die Videos, wie Israel Gaza bombardiert und weinen einfach nur. Sie können sich nicht schützen oder verteidigen.

Gestern habe ich zu meinem Freund gesagt, wenn Juden die Rechte der Palästinenser verteidigen würden, dann würden sie [von Israel] auch getötet werden, weil es denen egal ist, ob es Juden oder Muslime sind.”

Die Schülerinnen Faryal und Annabella kamen zusammen mit einem Freund.

Faryal erklärte: „Ich habe Palästina immer unterstützt. Es wird seit so vielen Jahren unterdrückt, und der Westen schaut einfach weg. Sie wissen, dass sie das nicht verurteilen können, weil sie genau das Gleiche selbst getan haben. Sie geben Israel militärische Unterstützung und Geld.“

Annabella erklärte: „Es ist nicht in Ordnung, wenn Menschen sterben, egal wo. [Gaza] ist nicht der einzige Ort, wo es passiert, aber wenn es jahrelang passiert wie im Gazastreifen, dann lässt es sich leichter ignorieren. Es ist egal, welcher Ethnie oder Religion man angehört, wir sind Menschen, und Töten ist nie in Ordnung. Und jede Art von militaristischer Regierung wird nie in Ordnung sein.“

In Sheffield protestierten Hunderte vor dem Rathaus.

Shekha, die an der Universität von Sheffield Journalismus studiert, erklärte: „Ich verfolge seit einiger Zeit, was in Palästina passiert. Es macht mich wirklich wütend, was Israel ihnen antut. Das ist eine ethnische Säuberung.

Wer Israel kritisiert, wird als Antisemit bezeichnet. Es ist aber eindeutig kein Antisemitismus, wenn man kritisiert, was sie mit den Palästinensern machen. Es hat nichts mit ihrer Religion zu tun, sondern damit, was sie tun. Es gibt Millionen Juden auf der Welt, die das Verhalten des israelischen Staats ablehnen.

Die Berichterstattung der Medien ist so übel, so voreingenommen. Sie sind praktisch ein Sprachrohr für Israel. Es ist lächerlich, dass Leute als Terroristen bezeichnet werden, weil sie ihre Heimat verteidigen.“

Shekha fügte hinzu: „Ich glaube, Sozialismus ist definitiv der Ausweg. Der Kapitalismus ist so tief verwurzelt, dass es große Anstrengungen kosten wird, etwas daran zu ändern. Die Menschen müssen sich bewusst werden, was Kapitalismus wirklich ist. Ich glaube, eine Revolution ist der einzige Ausweg aus dem Kapitalismus, einen anderen sehe ich nicht.“

Dekhras Familie stammt aus dem Jemen. Sie erklärte: „Wir sind hier, um unseren Brüdern und Schwestern in Palästina zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Was ihnen passiert, darf nicht noch so weitergehen. 73 Jahre sind lang genug.

Heute geht es gegen palästinensische Kinder, aber eines Tages könnten es meine Kinder sein, und das kann ich nicht dulden. Jeder anständige Mensch sollte aufstehen und zu dem, was den Palästinensern passiert ,Nein!‘ sagen.

Der Nationalismus spaltet die Leute, aber wir sind hier, um zu zeigen, dass wir gegen Krieg sind, gegen die Verbrechen an unschuldigen Menschen. Die Menschen sollten friedlich zusammenleben dürfen.“

Harris, der ursprünglich aus Griechenland stammt, erklärte: „Der Schlüssel dazu ist die Besetzung. Die Freiheit der Palästinenser wird nicht respektiert. Die BBC verbreitet nur Propaganda, ein verzerrtes Bild. Sie spricht von Terrorismus, aber die beiden Seiten sind nicht gleichwertig. Die Palästinenser sind nicht frei, sie leben in einem Besatzungsregime.

Wir wissen alle, dass Amerika die Welt regiert. Die Palästinenser wurden von den arabischen Ländern im Stich gelassen, die sich angeblich für sie einsetzen. Stattdessen schließen sie alle Deals mit Israel.“

In Leeds fanden Proteste vor den Büros der BBC und dem Einkaufsviertel Briggate statt.

Lewis, ein städtischer Beschäftigter, erklärte vor dem Gebäude der BBC: „Ich halte das Verhalten der israelischen Regierung gegenüber der palästinensischen Bevölkerung für abstoßend. Dass die US- und die britische Regierung es unterstützen, ist verachtenswert. Ich glaube, wir als freies westliches Land sollten solchen Kolonialismus und Landraub und Morde an unschuldigen Zivilisten nicht unterstützen. Ich kann einfach nicht dastehen und zusehen, wie meine Regierung diesen militarisierten Nationalismus in Palästina unterstützt.

Wir müssen vorsichtig sein, dass wir die Bevölkerung von Israel nicht verurteilen. Wir verurteilen die israelische Regierung. Letzten Endes hat dieser Krieg nichts mit Religion zu tun, sondern mit Siedlern und den Opfern der Siedlungen.“

Imran, der im öffentlichen Dienst arbeitet, erklärte: „Diese Vertreibungen sind Diebstahl, aber [die israelische Regierung] bezeichnet sie als legal. Sie nennt die Diebe Siedler, aber das sind sie nicht. Wenn Leute aus dem Ausland zu Ihnen nach Hause kämen und Sie rausschmeißen würden, wie würden Sie das nennen?

Wir sind gekommen, um vor der BBC zu demonstrieren, weil wir wollen, dass unsere Medien unvoreingenommen berichten und nicht parteiisch. Wenn man die richtige Bezeichnung benutzt, dann ist das Völkermord. Sie müssen die Worte Verfolgung, Diebstahl und Völkermord benutzen, weil genau das passiert.

Wir bezahlen für die BBC. Sie soll berichten, was passiert, ohne die ständige Voreingenommenheit zu Gunsten Israels. Sie sagen, wie viele Raketen auf Tel Aviv gefallen sind, etc., aber sie berichten nichts über die Gegenseite. Sie sagen, so viele Leute seien getötet worden, aber nicht, dass es Palästinenser sind... Wir sind gekommen, um für die Leute auf der Welt zu demonstrieren, die nicht für sich selbst sprechen können.“

In Glasgow demonstrierten Hunderte auf dem zentralen George Square. Der IT-Arbeiter Daniel erklärte: „Jeden Tag werden unschuldige Kinder bombardiert.“ Über die Stimmung in der Bevölkerung erklärte er: „Am Donnerstag haben wir etwas Menschlichkeit erlebt: Menschen haben die Abschiebung [eines Asylsuchenden] aus Glasgow verhindert. Gestern gab es Proteste in Edinburgh, heute in Glasgow, wir müssen nur dranbleiben.“

Danielle, die für ihren Master-Abschluss studiert, erklärte: „Ich komme aus dem Libanon. Gestern war der Jahrestag der Nakba, seit 73 Jahren werden die Palästinenser unterdrückt, zum Schweigen gebracht und ermordet – Kinder, Frauen, Männer, ganz egal.

Wenn so etwas passiert, gibt es diese Proteste, aber nach einiger Zeit lassen sie nach. Aber ich glaube, das Problem jetzt ist viel ernster. Israel hört offensichtlich nicht auf und wird immer brutaler. Vielleicht wird es deshalb diesmal anders werden.“

Der Lehrer Cathal erklärte: „Meiner Meinung nach ist Israel in dieser Lage der Aggressor. Die USA haben sich hinter Israel gestellt, weil sie enge Verbündete sind. Großbritannien hat Israel Waffen verkauft. Es ist sehr wahrscheinlich, dass genau im Moment diese Waffen gegen Palästinenser eingesetzt werden.“

Shaz erklärte: „Die Mainstream-Medien zeigen kein ausgewogenes Bild der Ereignisse. Von den Menschen vor Ort, die auf Instagram und Facebook posten, bekommt man ein besseres Bild. Man sieht in Echtzeit, was passiert. Es bricht einem das Herz... Deshalb sind wir hier... um unsere Sorge und unsere Wut darüber zu äußern, was gerade passiert. Die Welt muss zusammenstehen.“

Loading