Am 29. März veröffentlichten die DSA-Mitglieder Briahna Joy Gray und Virgil Texas eine Episode ihres Podcasts „Bad Faith“, um die Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez gegen Kritik der World Socialist Web Site in Schutz zu nehmen. Sie behaupteten, die WSWS, die sich auf ein Interview der DSA-Zeitschrift Democratic Left mit Ocasio-Cortez bezog, habe diese „in böser Absicht“ und „hetzerisch“ kritisiert. Das Interview sei in einem falschen Licht dargestellt, und das von Ocasio-Cortez Gesagte sei „völlig aus dem Zusammenhang gerissen“.
Dieser Podcast von Gray und Texas ist ein Anzeichen dafür, dass die Demokratische Partei verzweifelt bemüht ist, die Auswirkungen der WSWS-Enthüllungen unter Kontrolle zu halten. Auf den Seiten des offiziellen Magazins der Democratic Socialists of America (DSA) hatte die New Yorker Kongressabgeordnete Ocasio-Cortez behauptet, die Demokratische Partei habe sich „völlig neu erfunden“, und nur „Privilegierte“ würden Biden von links kritisieren.
Gray ist eine prominente Figur in Kreisen der Demokratischen Partei; sie diente Bernie Sanders 2020 im Präsidentschaftswahlkampf als nationale Pressesprecherin. Im Gegensatz zu Sanders unterstützte Gray Joe Biden in den Kongresswahlen nicht. Später erklärte sie, es sei ihr Ziel gewesen, „Joe Biden nach links zu drücken und aus ihm einen besseren, eher wählbaren Kandidaten zu machen“. Gray und Virgil Texas sind beide DSA-Mitglieder.
Am Anfang der Podcast-Episode vom 29. März stellt Gray fest, dass die erste WSWS-Analyse des Interviews von Ocasio-Cortez einen „großen Wirbel“ an der linken Peripherie der Demokratischen Partei verursacht habe. Gray ist mit dieser Schicht bestens vertraut. „In unseren Kreisen“, erklärt sie, „bedeutet das viel für eine der größten Ikonen der progressiven Bewegung“.
Gray anerkennt die breite Opposition, die es unter Arbeitern und Jugendlichen gegen die Äußerungen von Ocasio-Cortez gibt. Sie sagt: „Wenn die Leute das so verstehen, dann ist es nicht ihre Schuld, sondern weil Eric London das so darstellt.“ Der Zweck der Episode sei es, „all das böswillige Zeug aus der Welt zu schaffen“. Sie bezieht sich danach noch mehrmals auf die „böswilligen“ Argumente der WSWS.
Auf der (englischsprachigen) Wikipedia wird „Bad Faith“ als „Form der Täuschung“ definiert, „die darin besteht, eine Reihe von Gefühlen vorzutäuschen, während man so handelt, als würde man von anderen Gefühlen beeinflusst“.
Aber die WSWS, die Ocasio-Cortez von links kritisiert, handelt keineswegs „in böser Absicht“. Wir haben unsere Positionen sehr klar und offen dargelegt: Wir sind gegen die Demokratische Partei, wir sind gegen Ocasio-Cortez, und wir sind gegen jeden Versuch, die eine oder die andere als einen Weg zum Sozialismus darzustellen.
Die Arglistigkeit liegt ganz und gar auf der Seite der Demokratischen Partei und ihrer Verteidiger.
Seit zweihundert Jahren hat die Demokratische Partei die Kunst der arglistigen Täuschung perfektioniert. Sie hat Krieg und soziale Konterrevolution geführt, während sie sich als Freund des Volkes präsentierte. Die gesamte kapitalistische Politik beruht auf Handeln „in böser Absicht“. Es bedarf der systematischen politischen Täuschung der Volksmassen, um den Klassenkampf zu unterdrücken und die Interessen der herrschenden Klasse zu verfolgen.
Als Barack Obama sich zum Kandidaten der „Hoffnung“ und des „Wandels“ erklärte, handelte er in böser Absicht, und auch als er sich anschickte, die Banken zu retten und imperialistische Kriege in der ganzen Welt zu führen. Als Bernie Sanders sich als Führer einer „politischen Revolution“ präsentierte, sprach er in bösem Glauben, wie auch danach jedes Mal, als er 2016 seine Anhänger hinter Hillary Clinton und 2020 hinter Joe Biden scharte. Wenn Ocasio-Cortez heute sagt, sie sei Sozialistin, dann handelt sie in böser Absicht, denn ihre wirkliche Rolle besteht darin, die Demokratische Partei zu verteidigen.
Auch Gray handelt in böser Absicht, obwohl es in ihrem Fall wohl eher auf Selbstbetrug als auf bewusste Täuschung hinausläuft. Was Texas’ Haltung betrifft, so ist sie von einer besonders faulen Art von böser Absicht geprägt, denn er greift die WSWS an, obwohl er zugibt, das Interview in Democratic Left nicht einmal gelesen zu haben.
Auf jeden Fall gelingt es Gray und Texas nicht, auch nur einen einzigen Fall nachzuweisen, bei dem die WSWS die Fakten falsch dargestellt oder Zitate manipuliert hätte.
Gray sagt, der schlimmste Teil von Eric Londons Artikel sei derjenige, wo er sich mit Ocasio-Cortez' Hinweis auf die Sozialisten befasst, die sich „ausschließlich mit Klassenfragen“ beschäftigten, und für die „die Menschenrechte nachrangig“ seien. Das sei komplett aus dem Zusammenhang gerissen. Wenn das jedoch die „böswilligste“ Stelle des ganzen Artikels ist, dann sollte Gray in der Lage sein, zu erklären, worin die Täuschung besteht.
Die WSWS stützt sich auf die lange historische Bilanz der DSA, wenn sie erklärt, dass in der Assoziation von Sozialismus mit Menschenrechtsverletzungen der liberale Antikommunismus der DSA zum Ausdruck kommt.
Gray antwortet darauf mit den Worten: „Im Kontext sagt sie [Ocasio-Cortez], dass sie sich in ihrer hispanischen, stark von der Arbeiterklasse geprägten Community engagiert habe, indem sie alle Arten von Arbeiten, politische Arbeit, geleistet habe, und dass sie skeptisch gegenüber einer Reihe von Organisationen gewesen sei, die offenbar mehrheitlich weiß waren und nicht wirklich daran interessiert waren, praktische Arbeit zu leisten.“
Dies ist aber alles andere als ein Beweis für die Behauptung, die WSWS habe Ocasio-Cortez' antikommunistische Aussage „völlig aus dem Zusammenhang gerissen“. Stattdessen ist es ein schwacher Versuch, die Diskussion umzupolen und von den politischen Konsequenzen von Ocasio-Cortez' Assoziation von Sozialismus mit Menschenrechtsverletzungen auf Fragen von Ocasio-Cortez' Identität und persönlicher Vorgeschichte umzulenken.
Gray und Texas stellen abschließend fest, dass sie grundsätzlich Ocasio-Cortez‘ Orientierung an der Biden-Administration und an der Demokratischen Partei teilen, wie sie sie im ursprünglichen Interview mit Democratic Left geäußert hatte.
Gray besteht darauf, dass es „wichtige Fortschritte gibt, die die Biden-Regierung in Angriff nimmt“. Damit stützen sie Ocasio-Cortez' lügnerische Behauptung im Interview, selbst rechte Demokratische Amtsinhaber hätten „sich völlig neu erfunden, und zwar in eine viel progressivere Richtung“. Gray fügt hinzu: „Nur sehr wenige Linke sagen, dass aus einer Biden-Administration überhaupt kein Fortschritt hervorgehen werde.“
Während der gesamten Podcast-Episode schlagen Gray und Texas einen sehr defensiven Ton an. Sie versuchen, verschiedene Kritikpunkte an der Art und Weise zu äußern, wie Ocasio-Cortez bestimmte Antworten formuliert hat. Es ist ihnen eindeutig peinlich, dass sie gezwungen sind, ein so miserables Interview zu verteidigen, und sie sind sich der Gefahr bewusst, dass der Widerstand gegen den Kapitalismus dabei ist, aus dem Würgegriff der Demokraten auszubrechen.
Der Kommentarbereich des YouTube-Videos zeigt, dass sie nicht einmal ihre eigene Zuhörerschaft überzeugt haben.
Über Ocasio-Cortez heißt es beispielsweise in einem vielbeachteten Kommentar, sie sei „eine Verschwendung von einer Nominierung“. Ein anderer schreibt, Ocasio-Cortez „wird tun was sie kann, solange sie ihre politische Karriere fortsetzen kann. Genauso hat auch Nancy Pelosi angefangen.“ Ein dritter schreibt: „Wenn mich die Vorwahlen von 2020 etwas gelehrt haben, dann das: Die Demokratische Partei ist bereit, gegen eine interne Übernahme von links härter zu kämpfen, als sie es gegen die Republikaner tun wird. Ich bin überzeugt, dass der Versuch, einen Wandel durch die Demokratische Partei zu erreichen, mehr oder weniger eine Sackgasse ist.“
Legt man die Definition von Ocasio-Cortez und Gray zu Grunde, handeln offenbar auch die Zuhörer des „Bad Faith“-Podcasts "in böser Absicht". Jedenfalls haben die Gastgeber Vertrauen in die Demokratische Partei, während die World Socialist Web Site ihr Vertrauen in den revolutionären Charakter der internationalen Arbeiterklasse setzt.
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