Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zeigen die wachsende Unzufriedenheit mit der „Profite vor Leben“-Politik und den Sozialangriffen der Großen Koalition und der Landesregierungen. Die CDU, die mit Angela Merkel die Kanzlerin stellt, erzielte in beiden Bundesländern ihr historisch schlechtestes Ergebnis seit 1945. Die rechtsextreme AfD, die von der herrschenden Klasse aufgebaut wird, um ihre rechte Agenda durchzusetzen, verlor fast die Hälfte ihrer Wähler.
In Baden-Württemberg fuhren sowohl die CDU mit 24,1 Prozent (-2,9) als auch die SPD mit elf Prozent (-1,7) ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein. Die beiden Parteien, die in dem süddeutschen Bundesland vor 20 Jahren noch 78 Prozent der Stimmen auf sich vereinten, liegen jetzt zusammen bei 35 Prozent.
In Rheinland Pfalz lagen die Parteien mit 35,7 (SPD) und 27,7 Prozent (CDU) zwar etwas höher, doch gab es auch hier deutliche Verluste. Die SPD verlor 0,5 Prozent der Stimmen. Angesichts der gesunkenen Wahlbeteiligung bedeutete dies zehn Prozent weniger Wähler als 2016. Die CDU stürzte um 4,1 Prozent ab und markierte auch hier ihr historisches Allzeittief.
Am deutlichsten verlor in beiden Bundesländern die AfD. In Rheinland-Pfalz verloren die Rechtsextremisten 4,1 Prozent bzw. 40 Prozent ihrer absoluten Stimmen und landeten bei 8,3 Prozent. In Baden-Württemberg sanken sie sogar um 5,2 Prozent auf 9,7 Prozent und verloren 42 Prozent ihrer Stimmen von 2016.
In Baden-Württemberg wurde auch die grün-schwarze Landesregierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) empfindlich abgestraft. Prozentual verlor die Koalition zwar nur 0,6 Punkte, aber auf Grund der gesunkenen Wahlbeteiligung über zehn Prozent ihrer Wähler von 2016. Die Grünen konnten prozentual zwar um 2,3 auf 32,6 Prozent zulegen, verloren in absoluten Zahlen aber ebenso zehntausende Wähler.
In Rheinland-Pfalz konnte die Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen wegen des Zuwachses der Grünen (plus vier Prozent) zwar ebenfalls leicht zulegen, verlor in absoluten Zahlen jedoch auch hier knapp 40.000 Stimmen.
Die Linkspartei, die in Berlin, Bremen und Thüringen Regierungspartei ist und sich auch im Bund an der Politik des Sozialabbaus, des Militarismus und der Durchseuchung beteiligt, stagnierte deutlich unter fünf Prozent und verpasste in beiden Bundesländern den Einzug in den Landtag.
Das Wahlergebnis ist ein verzerrter Ausdruck der Opposition gegen die Corona-Politik der Regierungen und der krassen Verschärfung der sozialen Ungleichheit. Am stärksten wuchs mit 6,6 Prozent in Baden-Württemberg und sechs Prozent in Rheinland-Pfalz die Gruppe der Nichtwähler, die sich vom gesamten politischen Establishment abwandten. Zudem stieg der Anteil der „sonstigen Parteien“ um 4,8, respektive 6,1 Prozent. In Rheinland-Pfalz gelang den Freien Wählern mit 5,4 Prozent sogar der Einzug in den Landtag.
Der Einbruch der CDU wurde sicherlich durch die Masken-Affäre verstärkt. Wenige Tage vor der Wahl war bekannt geworden, dass Abgeordnete der Union ihr Mandat ausgenutzt hatten, um sich mit der Vermittlung von Atemschutzmasken an der Corona-Pandemie persönlich zu bereichern.
Doch diese Enthüllungen haben die Politik der Regierung nur besonders deutlich sichtbar gemacht. Seit Beginn der Pandemie wurden den Banken und Konzernen über Konjunkturpakete und Anleihenkäufe hunderte Milliarden in den Rachen geworfen. Damit die Industrie Rekordgewinne erzielen konnte, wurden die Arbeiter jeden Tag einem tödlichen Risiko ausgesetzt. Sämtliche Parteien schlossen einen harten Lockdown, der auch die nicht lebensnotwendige Industrie umfasst, kategorisch aus. In der Folge sind allein in Deutschland bereits über 73.000 Menschen an Corona gestorben.
Die Spitzenkandidatin der CDU in Baden-Württemberg, Susanne Eisenmann, vertritt diese Politik des Todes besonders aggressiv und hatte deshalb extrem negative Beliebtheitswerte. Eisenmann hatte als Bildungsministerin im Kabinett Kretschmann schon im Januar inmitten der zweiten Corona-Welle die sofortige Öffnung der Schulen unabhängig von der Inzidenz gefordert. Zuletzt holte sie am gestrigen Montag angesichts rasant wachsender Fallzahlen die Klassenstufen 5 und 6 vollständig in den Präsenzunterricht ohne auch nur eine Vorkehrung für die Einhaltung des Mindestabstands zu treffen.
Die AfD vertritt die Öffnungspolitik um jeden Preis am vehementesten und unterstützt die rechtsradikalen Demonstrationen der Corona-Leugner. Dass die faschistische Partei in beiden Ländern die größten Verluste erlitt und fast die Hälfte ihrer Wähler verlor, zeigt, dass diese Politik, anders als von den Medien kolportiert, keine Unterstützung in breiteren Teilen der Gesellschaft hat. Die AfD wird vor allem von der herrschenden Elite gefördert, um ihre reaktionäre Agenda durchsetzen zu können.
Die mörderische Durchseuchungspolitik wird von allen im Bundestag vertretenen Parteien getragen. Auch wenn die Masken-Affäre die Aufmerksamkeit auf die Rolle der Union lenkte und Eisenmann die Öffnungspolitik besonders heftig vertrat, sind auch der grüne Ministerpräsident Kretschmann und seine sozialdemokratische Amtskollegin Malu Dreyer vehemente Befürworter der Öffnungspolitik im Interesse der Wirtschaft.
In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zeigt sich die Austauschbarkeit der Parteien sehr deutlich. Sowohl die Ampel-Koalition Dreyers als auch die grün-schwarze Koalition Kretschmanns zeichnen sich durch die massenhafte Abschiebung von Flüchtlingen, Staatsaufrüstung und eine aggressive „Profite vor Leben“-Politik aus.
Kretschmanns Regierung hatte schon 2019 insgesamt 2648 Asylsuchende abgeschoben und auch während der Pandemie zahlreiche Geflüchtete aus Baden-Württemberg deportiert. In den beengten und unhygienischen Flüchtlingsunterkünften breitete sich das Coronavirus rasend schnell aus. Anstatt die Lager aufzulösen, wurden die Migranten dort eingesperrt und von der Bundeswehr bewacht.
Der Einsatz der Armee im Inneren unter dem Vorwand der „Amtshilfe“ unter Pandemiebedingungen ist Bestandteil einer umfassenden Polizeistaatsaufrüstung. Die sogenannte „Gewaltnacht von Stuttgart“ diente als Vorwand für die Ausweitung von Personenkontrollen, Body-Cams bei Polizisten, flächendeckender Videoüberwachung und rassistischer Stammbaumforschung.
Noch am Wahlabend unterstrichen alle Parteien ihre Bereitschaft, die rechte Regierungspolitik in unterschiedlichen Koalitionen fortzusetzen. In der Berliner Runde bekundeten SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen Britta Haßelmann ihr Interesse, möglicherweise auch im Bund zusammen mit der FDP zu koalieren. Die Grünen hielten sich dabei auch eine Koalition mit der Union offen, mit der die SPD gegenwärtig auf Bundesebene regiert.
Auch die Linkspartei steht für eine Regierungsbeteiligung im Bund bereit. So antwortete ihr Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler auf die Frage, „ob die Linke sich mit Stichwort Außen- und Sicherheitspolitik regierungsfähig machen wird“ mit den Worten: „Selbstverständlich, das ist doch gar nicht die Frage“. Zuvor hatten sich bereits die neuen Parteivorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler ähnlich geäußert.
Die Wahlen und die Reaktionen darauf beinhalten eine dringende Erkenntnis. Inmitten der Pandemie und der tiefsten Krise des kapitalistischen Systems seit den 1930er Jahren schließen alle Parteien die Reihen, um die Politik der sozialen Angriffe, des Militarismus und der Durchseuchung fortzusetzen. Die wachsende Opposition dagegen kann nur einen progressiven Ausdruck finden, wenn Arbeiter und Jugendliche unabhängig ins politische Geschehen eingreifen.
Die Sozialistische Gleichheitspartei tritt zu den Bundestagswahlen an, um für eine sozialistische Perspektive zu kämpfen. Wir treten als einzige Partei der Allparteienregierung entgegen und kämpfen für ein sozialistisches Programm, das das Leben der Menschen vor die Profitinteressen stellt. Kein Arbeitsplatz und kein Cent Lohn darf der Profitgier der Reichen geopfert werden. Dem Anwachsen von Militarismus und Faschismus setzen wir die internationale Einheit der Arbeiter entgegen.