Am 2. März wurde die 60-jährige Afitap D. von der hessischen schwarz-grünen Landesregierung brutal in die Türkei abgeschoben. Afitap D. lebte seit 1985 in Deutschland. Sie ist Mutter von fünf erwachsenen Kindern. Alle sind in Deutschland geboren und haben den deutschen Pass. Eines der Kinder ist behindert und benötigt Betreuung, die sie bisher gewährleistete. Afitap D. ist Altenpflegehelferin und kurdischer Herkunft. Ihr droht politische Verfolgung in der Türkei.
Zwei Wochen vor ihrer Abschiebung wurde Afitap D. im Abschiebegefängnis Darmstadt-Eberstadt inhaftiert. Ihr 32-jähriger Sohn, der unter einer geistigen Behinderung leidet und mit Afitap D. in einer gemeinsamen Wohnung lebt, musste mit ansehen, wie seine Mutter um halb sechs Uhr morgens von Polizisten aus der Wohnung geholt wurde, um sie in Abschiebehaft zu nehmen.
Die anderen Kinder von Afitap D. arbeiten als Lehrer, Informatiker und in der Pflege. Sie sind geschockt und enttäuscht vom Vorgehen der Behörden gegen ihre Mutter, die sie in Deutschland erzogen hat. Sie stellen sich die Frage, was aus ihrem behinderten Bruder werden soll, der dringend auf die Hilfe der Mutter angewiesen ist.
Afitap D. musste zwischen 2012 und 2017 eine Gefängnisstrafe verbüßen, weil sie sich gegen ihren gewalttätigen Ehemann, der sie jahrelang misshandelte, gewehrt hatte. Es sieht so aus, als ob sie mit der Abschiebung in die Türkei ein zweites Mal dafür bestraft werden soll.
Mehrere Frauengruppen sowie der Bundesverband der Migrantinnen hatten sich für die Freilassung von Afitap D. und ihren Verbleib in Deutschland eingesetzt und eine Kundgebung vor dem Abschiebegefängnis organisiert. Auch die Tatsache, dass Afitap D. 1985 als politisch Verfolgte in Deutschland Schutz suchte, ließ die Behörden kalt. Die Abschiebung wurde gnadenlos durchgezogen.
Als Beleg dafür, dass sie die Abschiebung von Flüchtlingen weiter verschärfen und beschleunigen wird, hat die Koalition aus CDU und Grünen gerade die Kapazität für Abschiebehaft in Darmstadt-Eberstadt von 20 auf 80 Plätze erweitert.
Das Innenministerium in Hessen wird von CDU-Minister Peter Beuth geleitet. Er ist bekannt für sein rücksichtsloses Vorgehen gegen Flüchtlinge und Migranten. Die Angehörigen der Opfer des rassistischen Anschlags von Hanau vor einem Jahr beklagen, dass Innenminister und Polizei die Ermittlungen verschleppen. Das Verschicken von faschistischen Hass- und Drohmails von hessischen Polizeicomputern ist bis heute nicht aufgeklärt und gestoppt worden.
Bei der gerichtlichen Untersuchung der NSU-Morde an Migranten verhinderte die hessische Landesregierung unter Volker Bouffier die Aussagen von V-Leuten und sperrte die entsprechenden Akten für Jahrzehnte.
Für Soziales und Integration ist Kai Klose von den Grünen zuständig, die seit 2014 mit der CDU in Hessen regieren. Sie rühren keinen Finger zur Verteidigung von Flüchtlingen und lange hier lebenden Menschen wie Afitap D. Stattdessen setzen sie die rechte Politik, Menschen, die seit Jahrzehnten hier leben, ihrer Rechte zu berauben und abzuschieben, mit aller Rücksichtslosigkeit mit um.
Afitap D. ist kein Einzelfall. Außer ihr wurden zur gleichen Zeit noch drei Männer aus der Abschiebehaft in Darmstadt-Eberstadt abgeschoben. Alle seien „vollziehbar ausreisepflichtig” und wegen Straftaten verurteilt gewesen, erklärte das hessische Innenministerium.
Einer von ihnen ist der 31-jährige Mutlu B. Er ist in Wiesbaden geboren, hier aufgewachsen und spricht laut Berichten kein Türkisch. Er ist Vater einer dreijährigen Tochter. Er hatte bei einer Restaurantkette gearbeitet. Seine Duldung wurde wegen einer lange zurückliegenden und abgebüßten Strafe aufgehoben. Er befindet sich nach der Abschiebung in Istanbul, ohne Geld und ohne Ansprechpartner. Auch gegen seine Abschiebung wurde vor dem Abschiebegefängnis protestiert, ohne Erfolg.
Pro Asyl hat von dem Fall von Omar F. aus Somalia berichtet. Als er Mitte Februar in Hessen seine Duldung verlängern wollte, wurde er bei der Ausländerbehörde verhaftet und auch in Darmstadt-Eberstadt in Abschiebehaft genommen. Kurze Zeit später wurde er nach Mogadischu abgeschoben.
Omar F. lebte seit 2013 in Deutschland. Seit drei Jahren hat er als Maschinenführer bei einem Recyclingbetrieb gearbeitet. Auch das spielte für die Behörden der schwarz-grünen Landesregierung keine Rolle. Er wurde brutal und rücksichtslos abgeschoben, obwohl Somalia als offensichtliches Krisengebiet gilt.
Über einen weiteren Fall von großer Unsicherheit berichtete die Hessenschau am 5. März dieses Jahres. Es handelt sich um die 33-jährige Leyla Lacin. Sie kam im Alter von drei Jahren mit ihren Eltern aus der Türkei nach Deutschland. Seit dieser Zeit kämpft die Familie um eine Bleibeperspektive und rechtmäßigen Aufenthalt.
Lacin lebt seit zehn Jahren mit ihrer schwerkranken Mutter in Kassel. Sie arbeitete zuletzt fünf Jahre in der ambulanten Pflege. Weil sie keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis erhält, wird sie „faktisch geduldet“. Ihr Arbeitgeber wurde gezwungen, ihr zu kündigen, weil sie keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis besitzt. Er wie auch ihre Kolleginnen setzen sich dafür ein, dass sie und ihre Mutter eine dauerhafte Bleibeperspektive erhalten. Er würde sie sofort wieder einstellen, erklärte Georg Riester vom ambulanten Pflegedienst.
Leyla Lacin hat erklärt, dass sie sich wie in einem permanenten Ausnahmezustand fühle, dass sie ohne die nötigen Papiere zu einem Leben in Unsicherheit verdammt und jeglicher Zukunftsperspektive beraubt sei. Sie dürfe nicht arbeiten, keinen Führerschein machen, habe keine Krankenversicherung und sei von Sozialleistungen abhängig. Dazu komme die ewige Sorge, irgendwann in die Türkei abgeschoben zu werden.
Am 9. März hat es erneut eine Sammelabschiebung nach Afghanistan gegeben. 26 Männer wurden trotz Krieg und Corona-Pandemie nach Kabul geflogen und dort ihrem lebensgefährlichen Schicksal überlassen. Es war die 37. Abschiebeaktion nach Afghanistan seit Dezember 2016.
Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl, appellierte an die Grünen in der hessischen Landesregierung, sich mehr dafür einzusetzen, dass Menschen durch Abschiebungen nicht in Lebensgefahr geraten. Die Bilanz der Grünen in Regierungsverantwortung in den Bundesländern spricht dagegen, von ihnen einen Einsatz für Flüchtlinge und lange hier lebende Menschen mit Migrationshintergrund zu erwarten.
Allein im Jahr 2019 wurden in Hessen 1681 Menschen abgeschoben. Im Jahr 2020 waren es in den ersten neun Monaten 554 Personen, trotz Corona-Pandemie und dadurch eingeschränkten Flug- und anderen Verkehrs. Den Grünen ist ihre Teilhabe an der Macht und das Verbleiben in der Koalition mit der CDU wichtiger als der Schutz von Menschen, die bereits jahre- oder jahrzehntelang in Deutschland leben.
In den letzten Jahren gab es einen regelrechten Wettlauf der Bundesländer, unabhängig von der politischen Zusammensetzung der Landesregierungen, wer die meisten Asylsuchenden und Migranten abschiebt.
In Hessen haben sich bei den Protestaktionen gegen die jüngsten Abschiebungen vor dem Abschiebegefängnis Darmstadt-Eberstadt Mitglieder der Linken beteiligt und das Thema öffentlich gemacht. In Thüringen, wo die Linke die Regierung führt, brüstet sich ihr Ministerpräsident Bodo Ramelow, dass sein Land mit an der Spitze der Bundesländer steht, die am meisten abschieben.
In den letzten Jahren haben praktisch alle im Bundestag vertretenen Parteien die faschistische Anti-Flüchtlings- und Ausländerpolitik der AfD übernommen. Im Wahlaufruf der Sozialistischen Gleichheitspartei zur Bundestagswahl heißt es dazu:
„An den Universitäten verharmlosen Professoren die Verbrechen der Nazis. Die AfD wurde von Politik und Medien systematisch gestärkt. Mit ihrer Entscheidung, die Große Koalition nach der letzten Bundestagswahl trotz massiver Stimmenverluste fortzusetzen, machten SPD und Union die rechtsextreme Partei zur offiziellen Oppositionsführerin und integrierten sie in die parlamentarische Arbeit.
Anschließend übernahmen alle Bundestagsparteien das menschenverachtende Programm der Rechtsextremen und setzten es in die Tat um: Abschottung der EU-Außengrenzen, Massenabschiebung und menschenunwürdige Lager für Flüchtlinge, Aufbau eines Polizeistaats, umfassendste militärische Aufrüstung seit den Nazis und zuletzt eine mörderische Durchseuchungspolitik.
Die SGP tritt dem Aufstieg der Rechten entgegen. Wir verteidigen alle demokratischen Rechte und kämpfen gegen die Zensur des Internets durch Regierungen und Großkonzerne! Wir fordern gleiche Rechte für alle hier lebenden Menschen, den Stopp von Abschiebungen und die Schließung der Abschiebelager. Die geheimdienstliche Beobachtung der SGP und anderer linker Organisationen muss eingestellt und der Verfassungsschutz aufgelöst werden. Freiheit für Julian Assange!“