Vor dem Hintergrund einer intensiven Öffnungskampagne in Politik und Medien fand am vergangenen Montag ein weiteres Treffen des Netzwerks der Aktionskomitees für sichere Bildung statt. Zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zählten Schüler, Lehrer und Eltern, sowie Pfleger und Arbeiter aus weiteren Bereichen.
„Wir sind in unserem Kampf an einem kritischen Punkt angelangt“, betonte Gregor Link, IYSSE-Mitglied und Autor für die World Socialist Web Site, gleich zu Beginn. „Das leichte Sinken der Zahlen im Verlauf der Winterferien hat ein weiteres Mal bewiesen, welche zentrale Rolle Schulen, Kitas und Betriebe im Pandemiegeschehen spielen. Wir sehen, wie wichtig es ist, einen europaweiten Schul- und Generalstreik zu organisieren, um die Pandemie unter Kontrolle zu bringen und Leben zu retten.“ In seinem einleitenden Bericht stellte er fest:
„Führende Wissenschaftler sind sich einig, dass sofort umfassende Shutdown-Maßnahmen durchgesetzt werden müssen, um das Massensterben zu beenden. Doch die herrschende Klasse verfolgt mit ihrer Politik der Öffnung von Schulen und Kitas das genaue Gegenteil und bereitet eine weitere Welle der Pandemie vor.“ Die medizinische Fachzeitschrift BMJ [vormals British Medical Journal] hatte die Corona-Politik der Regierungen Nordamerikas und Europas zuletzt unter Bezugnahme auf den sozialistischen Revolutionär Friedrich Engels als „sozialen Mord“ bezeichnet.
„Die Virologen Drosten und Brinkmann warnen davor, dass eine zusätzliche Katastrophe droht, falls die Impfung älterer Menschen von der Regierung zum Vorwand für eine umfassende Öffnungspolitik genommen werden sollte. Dann würden auch zigtausende junge Menschen schwer erkranken und sterben. Drosten und Brinkmann sprechen von 100.000 bis 180.000 zusätzlichen Toten unter 60 Jahren allein in Deutschland. Bei vollständiger Öffnung würden in Deutschland eine Million Tote drohen.“
Diese Politik, so Link, werde von Vertretern sämtlicher etablierter Parteien gleichermaßen durchgesetzt und mit schamlosen Lügen gerechtfertigt: „Die verzweifelte Lage von Eltern und die Belastungen, unter denen Arbeiterfamilien leiden, werden benutzt, um die Schulöffnungen voranzutreiben. Kinder haben Großeltern und Eltern sterben sehen, während die Betriebe und Schulen geöffnet waren. Jetzt wird erklärt, dass diese Politik fortgesetzt werden muss – und zwar mit der Begründung, dass dies dem Kindeswohl dient.“
In den letzten Wochen und Monaten hatte sich dagegen ein wachsender Widerstand entwickelt – darunter Streiks von Zehntausenden Lehrern in Chicago, Proteste gegen soziale Ungleichheit von Studierenden in der Türkei und Großbritannien, sowie Schulstreiks gegen Präsenzunterricht im ganzen Bundesgebiet von Nürnberg bis Bremen. „Dieser Widerstand muss sich in unabhängigen Aktionskomitees organisieren und auf der Grundlage einer sozialistischen und internationalistischen Perspektive zusammengebracht werden. Schulen und Kitas müssen bestreikt und die Wirtschaft auf das absolut Lebensnotwendige heruntergefahren werden.“
Mehrere Schülerinnen und Schüler berichteten von ihrem Kampf für sichere Bildung. Meret, die in diesem Jahr in Bremen ihr Abitur schreibt und die 13. Klasse besucht, hatte im Dezember angesichts der hohen Infektions- und Todeszahlen einen Streik initiiert, der unter Schülern und Lehrern auf große Resonanz stieß. „Wir wollen das so bald wie möglich wiederholen, weil es wirklich dringend nötig ist“, erklärte sie. Es müsse nun darum gehen, immer mehr Lehrer in die Vorbereitung weiterer Streiks mit einzubeziehen.
Über die gegenwärtige Lage der Schüler sagte Meret: „Die Klassen zehn bis 13 hatten seit Anfang Januar wieder Präsenzpflicht und mussten jeden zweiten Tag zur Schule. In der Schule musste außerdem bei Temperaturen von bis zu -7 Grad gelüftet werden. In den Klassenräumen herrschen also brutale Extrembedingungen. Obwohl das tiefe Auswirkungen auf die Qualität des Unterrichts hat, werden wir völlig im Unklaren gelassen, ob und wie die Prüfungen stattfinden werden und wie unsere Zukunft aussehen wird. Viele Schüler leben am Existenzminimum, weil ihre Familien ihr Einkommen verloren haben.“
Als nächstes sprach Clemens, der gegenwärtig ein freiwilliges soziales Jahr in einem Kindergarten absolviert und Mitglied der IYSSE ist. Er sprach über die soziale Lage in Deutschland, die sich im Jahr 2020 dramatisch verschärft hat: „Die Arbeitslosenzahl ist auf 2,7 Millionen gestiegen, das sind 480.000 Menschen mehr als 2019. Auch die Jugendarbeitslosigkeit ist 2020 im Vergleich zum Vorjahr bundesweit um 23,2% gestiegen.“ Clemens betonte, dass es sich um eine Entwicklung handle, die in jedem Land stattfinde, und rief dazu auf, die SGP bei der kommenden Bundestagswahl zu unterstützen.
Jaimy, ein Schüler aus Sachsen, sprach über die Gefahren in der Schule und auf dem Schulweg. Die einzige Hygiene-Maßnahme an seiner Schule sei das Lüften, bei bis zu -10 Grad; dies sei „Unverantwortlich“. Er habe diese Woche beschlossen, einen Streik vorzubereiten, damit „die Politiker sehen, dass es um unsere Gesundheit geht“.
Tamino, der im Herbst in Karlsruhe ein Aktionskomitee für sichere Bildung ins Leben gerufen hatte, wies ebenfalls die Lüge zurück, dass die geöffneten Schulen dem Kindeswohl dienten: „Es sind dieselben Politiker, Parteien und Regierungen, die in den letzten Jahren gemeinsam soziale Absicherungen abgebaut, in Aufrüstung statt Bildung investiert und insgesamt eine Politik für die Reichen betrieben haben. Jetzt in der Pandemie wurde das so deutlich wie nie. Unsere Antwort auf die Schulöffnungen muss eine sozialistische Perspektive sein, weil nur durch eine demokratische Kontrolle der Wirtschaft die massenhafte Armut beendet und Millionen Menschenleben gerettet werden können.“ Der nächste Schritt in diesem Kampf müsse ein europaweiter Streik von Schülern und Arbeitern sein.
Die Perspektive eines gemeinsamen Kampfs von Lehrern, Schülern und Arbeitern war ein zentrales und wiederkehrendes Thema in der ganzen Veranstaltung. So sprach etwa Marco, ein Heilerziehungspfleger, der in Bayern in einem Heim für Menschen mit Behinderung arbeitet, über den extremen Druck, der auf Pflegern lastet: „Wenn es um die Sicherheit von Bewohnern und Pflegern geht, erhalten wir vom Staat oder dem Trägerunternehmen keinerlei Unterstützung. Auch die Impfung kommt nicht, weil kapitalistische Gier herrscht und die Patente nicht freigegeben werden. Wir sind an den Grenzen unserer Ausdauer – viele von uns arbeiten seit Monaten ohne Urlaub und Pausen. Zu Beginn der Pandemie hatten wir weder ausreichend Masken, noch irgendeine Art von Hygienekonzept. Abgesehen davon, dass wir jetzt mehr arbeiten müssen, hat sich an dieser Situation nicht viel geändert.“
Marco berichtete, dass unter Pflegerinnen und Pflegern intensiv über die Frage von Streiks diskutiert werde: „Der Zustand in der Pflege ist nicht mehr hinnehmbar. Viele von uns sprechen davon, dass sie streiken wollen. Aber wie kann ein Streik in einem Heim stattfinden, ohne dass die Bewohner darunter leiden? Das sind die Fragen, die wir uns stellen.“
„Wir müssen einen Generalstreik vorbereiten, um die Betriebe zu schließen und damit auch den Druck von Schulen, Kitas und der Pflege zu nehmen“, antwortete Dietmar Gaisenkersting vom Vorstand der Sozialistischen Gleichheitspartei, der auch Gründungsmitglied des Netzwerks der Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze ist. „Die Schulen und Kitas sollen geöffnet werden und geöffnet bleiben, weil die Betriebe durchgängig durcharbeiten sollen“, erklärte er. „Wir haben dieses Netzwerk ins Leben gerufen, weil wir nicht mehr bereit sind, die geplanten Massenentlassungen in der Industrie, die gefährlichen Arbeitsbedingungen und die Vertuschung der Infektionszahlen in den Betrieben hinzunehmen.“
Dietmar Gaisenkersting gab einen ausführlichen Bericht über verheimlichte Massenausbrüche in der Industrie und die umfassenden Entlassungspläne von Arbeitgebern und Gewerkschaften: „Die Manager, die Gewerkschaften und ihre Betriebsräte sowie die kommunale Politik verbergen diese wichtigen Informationen gezielt. Sie alle stecken unter einer Decke, um die Arbeit im Interesse der reichen Elite am Laufen zu halten. In der gesamten Diskussion über notwendige Einschränkungen behandeln Konzerne, Politik und Medien die Arbeitswelt als das große Tabu. Gleichzeitig lassen sich fast alle Unternehmen nicht die Chance entgehen, die Corona-Pandemie als Ursache für in Wirklichkeit schon zuvor geplante Umstrukturierungen und Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne, Renten und Arbeitsbedingungen darzustellen.“ Er folgerte:
„Arbeiter müssen selbst dafür sorgen, dass nicht lebensnotwendige Betriebe geschlossen werden und diejenigen, die in existenziellen Bereichen wie der Medikamenten- und Lebensmittelproduktion oder Teilen der Logistik arbeiten, sichere und gute Arbeitsbedingungen erhalten. Niemand anderes übernimmt das. Unser Netzwerk fordert den Zugang zu allen Informationen, um ein genaues, detailliertes und umfassendes Bild von der Ausbreitung der Pandemie in den Konzernen zu erstellen. Ich denke, es ist wichtig, dass unsere beiden Netzwerke zusammenarbeiten.“
Die Onlinetreffen des Netzwerks der Aktionskomitees für sichere Bildung finden jeden zweiten Montag um 19:30 statt. Werdet Mitglied unserer Facebook-Gruppe und registriert euch für den Aufbau von Aktionskomitees an euren Schulen und Einrichtungen!
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