Das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in Portugal am Sonntag ist ein Sieg des rechten Amtsinhabers Marcelo Rebelo de Sousa. Außerdem konnte die faschistische Partei Chega („Es reicht“) einen Stimmenzuwachs verbuchen.
Zum Zeitpunkt der Wahl erlebt Portugal einen sprunghaften Anstieg der Todesfälle in Zusammenhang mit dem Coronavirus. Die Zahl der Todesopfer hat sich seit Jahresbeginn mehr als verdoppelt und erreichte am Wahlsonntag 275 einen neuen täglichen Höchstwert. Insgesamt ist die Zahl der Todesopfer in diesem Land, das nur 10,2 Millionen Einwohner hat, auf über 11.000 angestiegen.
Die Angst vor dem Virus und das Fehlen von Briefwahl oder elektronischer Stimmabgabe waren mitverantwortlich für die rekordverdächtig niedrige Wahlbeteiligung von 39,5 Prozent. Allerdings ist die Wahlbeteiligung über Jahrzehnte hinweg stetig gesunken - von 84,4 Prozent nach dem Sturz der faschistischen Diktatur von Antonio Salazar in der Nelkenrevolution 1974 auf 51,3 Prozent im Jahr 2016, da die Unzufriedenheit mit dem politischen Establishment zunahm. An den Parlamentswahlen 2019 beteiligten sich nur 48,6 Prozent der Wähler.
In diesem Jahr gewann de Sousa, der Kandidat der konservativen Sozialdemokratischen Partei (PSD), mit 60,7 Prozent der Stimmen eine zweite Amtszeit. Er erhielt inoffizielle Unterstützung vom sozialdemokratischen Premierminister der Sozialistischen Partei (PS) António Costa und anderen PS-Vertretern. Der PS-Funktionär Carlos César gratulierte Rebelo de Sousa zu seiner Wiederwahl und sagte, dies sei eine „gute Nachricht“ für die PS, da es die Fortsetzung der engen „institutionellen Zusammenarbeit“ zwischen der Regierung und dem Präsidenten ermögliche.
Das Hauptanliegen der PS und ihrer pseudolinken Verbündeten ist es, die wachsende Wut über die soziale Ungleichheit und die Pandemie in der Arbeiterklasse zu ersticken und einen Linksruck zu blockieren. Die PS unterstützt verzweifelt den Rechten de Sousa und hatte keinen eigenen Kandidaten aufgestellt. Ana Gomes, Ex-Maoistin und PS-Abgeordnete im Europaparlament, kandidierte als Unabhängige und erhielt nur 13 Prozent der Stimmen.
Die anderen mit der PS verbündeten Parteien schnitten schlecht ab. Der Kandidat der stalinistischen Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP) João Ferreira erhielt 4,3 Prozent, und Marisa Matias vom pseudolinken Linksblock (BE) stürzte auf 4 Prozent ab - gegenüber 10,1 Prozent im Jahr 2016. Beide Parteien haben jahrelang in einer De-facto-Koalition mit der PS zusammengearbeitet.
Chega, eine 2019 gegründete Partei, erreichte 11,9 Prozent. Dies bedeutete einen beträchtlichen Stimmenzuwachs: Im Oktober 2019, als ihr Anführer André Ventura als erster faschistischer Kandidat seit der Revolution von 1974 antrat, erhielt sie 1,3 Prozent. Diesen Monat war Marine le Pen, Vorsitzende der rechtsextremen Rassemblement National in Frankreich, Ehrengast auf Venturas Wahlkampftour.
In der Wahlnacht erklärte Ventura die Wahl für „historisch“ und sagte, er habe „die extreme Linke in Portugal“ zerschlagen, womit er die PCP und die BE meinte. Er behauptete, Chega habe es „geschafft, die übliche Blockade in Portugal zu durchbrechen und eine überwältigende Anti-System-Kraft zu entwickeln“.
Wie andere faschistische Demagogen macht Ventura bösartig den Sozialismus, das „korrupte politische Establishment“ und die am meisten unterdrückten Teile der Gesellschaft für die wirtschaftliche und soziale Krise verantwortlich. Er greift Roma als „Zigeuner“ ebenso wie Sozialhilfeempfänger an und sagt Sätze wie diesen: „Sozialismus und Korruption bringen unsere Nation um.“ Er will die Verfassung abschaffen, die seit dem Ende der Diktatur in Kraft ist und die auf dem Papier „eine sozialistische Gesellschaft“ und die Abschaffung von Imperialismus, Kolonialismus und „allen anderen Formen der Aggression“ als Ziele benennt.
Faschistische Stimmung haben in der herrschenden Klasse Konjunktur. Nachdem Ventura sich im vergangenen Jahr mit portugiesischen Geschäftsleuten getroffen hatte, um sein Law-and-Order- und Pro-Business-Programm zu besprechen, sagte João Maria Bravo, Eigentümer der Sodarca-Gruppe, einem großen Rüstungslieferanten der portugiesischen Streitkräfte, zu Reportern: „Seit 1974 ist das Land gesunken, und dies ist bereits die teuerste Regierung aller Zeiten. André ist der Einzige, der den Finger in die Wunde legt und über das spricht, was wir hören wollen. Er macht ehrliche Vorschläge, will das Land in Ordnung bringen, die Straflosigkeit bekämpfen und die Wirtschaft zum Blühen bringen.“
Er fügte hinzu: „Wie Sie sich vorstellen können, habe ich exzellente Kontakte zur Polizei und zum Militär, und ich garantiere, dass er eine Menge Unterstützung hat. In diesen Gebieten gibt es im Moment keine erklärten Unterstützer mehr, weil sie sich nicht zeigen können.“
Der Aufstieg eines faschistischen Kandidaten in Portugal, nur wenige Wochen nach dem faschistischen Putschversuch des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump im Kapitol in Washington, ist eine Warnung an die Arbeiter weltweit. Die Antwort der Bourgeoisie auf die wachsende Wut der Arbeiterklasse über die mörderische Politik der „Herdenimmunität“ und das schlimme Ausmaß sozialer Ungleichheit ist die Hinwendung zum Faschismus. Parteien wie Chega in Portugal und Vox in Spanien - in Ländern, in denen die faschistischen Regime erst in den 1970er Jahren fielen und noch in lebhafter Erinnerung sind - steigen inmitten einer unlösbaren, internationalen Krise des Kapitalismus auf.
Hauptsächlich für den Aufstieg von Chega verantwortlich sind jedoch die arbeiterfeindlichen, pseudolinken Parteien, die Ventura fälschlicherweise als „extreme Linke“ bezeichnet.
Im Jahr 2015 unterstützte der BE zusammen mit der PCP und der Grünen Partei (PEV) die neue, Sparprogrammen verpflichtete, pro-EU Minderheitsregierung der PS von Costa. Sie rettete die PS, die sich wegen der harten Sparmaßnahmen in den Jahren 2005-2011 diskreditiert hatte und ähnlich wie ihre Schwesterpartei PASOK in Griechenland vor der Auflösung stand.
Der BE gab Costa enthusiastisch seine Unterstützung „unter der Bedingung, dass er einige der eher neoliberalen Standpunkte seines Programms aufgibt“. Die ganze Rhetorik vor der Wahl, Portugals Schulden abzulehnen und mit der Europäischen Union zu brechen, wurde über Bord geworfen. Der Pakt mit der PS war der Weg, durch den die kleinbürgerliche Basis des BE gründlich in die Maschinerie der EU-Austeritätsprogramme integriert wurde. Für die Arbeiterklasse konnte dies nur zu Katastrophen führen.
Nach Jahren einer von der BE unterstützten PS-Regierung gehört Portugal zu den sozial ungleichsten Ländern in der EU. Einer von fünf Arbeitern in Portugal bezieht den monatlichen Mindestlohn von 635 Euro, den niedrigsten in Westeuropa. Der monatliche Medianlohn in Portugal beträgt weniger als 900 Euro pro Monat, verglichen mit mehr als 2.000 Euro in der gesamten EU. Zugleich sind die Superreichen noch reicher geworden. Laut Statista.com: „Bis 2022 wird die Zahl der Personen in Portugal mit einem Nettovermögen von mehr als fünf Millionen US-Dollar schätzungsweise 5.650 erreichen, ein erwarteter Anstieg von fast 1.100 gegenüber 2017.“
Letztes Jahr, inmitten der durch die Pandemie verursachten Katastrophe, gab der BE zu, dass die von ihm unterstützten PS-Regierungen „eine Strategie des Transfers von Ressourcen an den privaten Sektor“ verfolgten. Jetzt steht Portugals öffentliches Gesundheitssystem am Rande des Zusammenbruchs, da den Krankenhäusern die Betten für die Intensivpflege ausgehen. „Wir behandeln bereits Patienten über unsere vorgesehenen Kapazität hinaus... und wir sind nicht das einzige Krankenhaus, in dem das passiert“, sagte Daniel Ferro, Direktor von Lissabons größtem Krankenhaus Santa Maria.
Als die Arbeiter gegen die PS-Regierung mobilisierten, reagierten die Pseudo-Linken heftig und feindselig. Als portugiesische Arbeiter streikten und sich die Proteste der „Gelbwesten“ nach Frankreich auch in Portugal ausbreiteten, denunzierte BE-Führer Francisco Louçã sie als Faschisten: „Das ist eine rechtsextreme Operation. Sie nutzen die sozialen Medien, um eine aggressive Politisierung im rechtsextremen Sinne zu betreiben.“ 2019 isolierten BE und die portugiesischen Gewerkschaften einen landesweiten Lkw-Streik, als die PS-Regierung die Armee auf den Plan rief, um die Lkw-Fahrer wieder zur Arbeit zu zwingen.
Der Aufstieg von Chega, während die Kapitalistenklasse in Europa und international eine tödliche, faschistische „Herdenimmunitäts“-Politik verfolgt, ist eine ernste Warnung. Die dringende Aufgabe besteht, eine politisch unabhängige Bewegung in der Arbeiterklasse aufzubauen, die gegen die Politik der „Herdenimmunität“ und für den Sozialismus auf Grundlage einer marxistisch-internationalistischen Kritik an den pseudolinken Gruppen kämpft. Dies bedeutet den Aufbau einer Sektion der Sozialistischen Gleichheitsparteien als Teil des Internationalen Komitees der Vierten Internationale in Portugal.