Sowohl israelische als auch saudische Regierungsstellen haben bestätigt, dass der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zusammen mit US-Außenminister Mike Pompeo und dem Chef des israelischen Geheimdienstes Mossad, Yossi Cohen, am Sonntag eine bisher beispiellose Geheimreise nach Saudi-Arabien unternommen hat.
Der Radiosender Israel Army Radio berichtete zuerst über die Reise und das Treffen zwischen US-amerikanischen und israelischen Vertretern und dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Bestätigt wurde es von einem hochrangigen saudischen Beamten in einem Gespräch mit dem Wall Street Journal. Es handelt sich um das erste öffentlich gewordene Treffen dieser Art. Man nimmt allerdings an, dass in den letzten Jahren häufiger Gespräche zwischen israelischen und saudischen Militär- und Geheimdienstvertretern stattgefunden haben.
Der saudische Außenminister Prinz Faisal bin Farhan dementierte daraufhin auf Twitter den Bericht mit den Worten: „Ein solches Treffen hat nicht stattgefunden. Die einzigen Anwesenden waren Vertreter Amerikas und Saudi-Arabiens.“ Das Dementi spiegelt den kontroversen Charakter der Gespräche innerhalb Saudi-Arabiens wider. Die regierende Dynastie der Saud stellt sich selber als Hüter des Islam dar und besteht formell darauf, dass eine „Normalisierung“ der Beziehungen zwischen Riad und Tel Aviv von der Umsetzung eines Nahost-Friedensabkommens und der Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staates abhängt.
Die sunnitischen Ölmonarchien der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Bahrain verzichteten jedoch auf solche Bedingungen, als sie im August ein von den USA vermitteltes Abkommen zur Anerkennung Israels unterzeichneten. Die Monarchie in Bahrain, die über eine unterdrückte schiitische Bevölkerungsmehrheit herrscht, hängt auf Leben und Tod von Saudi-Arabien ab und hätte das Abkommen nicht ohne die Zustimmung dieses wichtigen Partners abschließen können.
Das Treffen zwischen Pompeo, Netanjahu und bin Salman in der am Roten Meer gelegenen Stadt Neom hatte genauso wie das Abkommen vom August nicht zum Ziel, Frieden im Nahen Osten zu schaffen. Vielmehr soll es das Bündnis zwischen Washington, Israel und der saudischen Monarchie festigen. Saudi-Arabien ist Zentrum der Reaktion sowie Dreh- und Angelpunkt der imperialistischen Herrschaft über den Nahen Osten bei der Vorbereitung eines Kriegs gegen den Iran.
Dies war das Hauptanliegen von Pompeos außerordentlicher zehntägiger Auslandsreise, die knapp zwei Monate vor dem Tag der Amtseinführung stattfand. Wenn es nach den Wahlergebnissen geht, wird am 20. Januar eine neue Regierung unter der Führung des Demokraten Joe Biden vereidigt.
Es ist Tradition, dass ein scheidenden US-Außenminister dieses Interregnum nutzen, um die Machtübergabe vorzubereiten und politische Entscheidungen mit dem Nachfolgern zu koordinieren. Doch Pompeo hat deutlich gemacht, dass er nichts dergleichen zu tun gedenkt.
Am Vorabend seiner Reise antwortete er einem Reporter auf die Frage, ob er einen „reibungslosen Übergang“ im US-Außenministerium erwarte, dass es tatsächlich einen „reibungslosen Übergang zu einer zweiten Trump-Regierung“ geben werde. Damit richtete er die US-Außenpolitik offen auf die Linie des Weißen Hauses aus, dass sich die gegenwärtige US-Regierung durch einen Putsch auch nach der Wahl an der Macht halten könnte.
Pompeo hat Pläne angekündigt, nach denen Washingtons Sanktionskampagne des „maximalen Drucks“ gegen den Iran in den nächsten zwei Monaten kontinuierlich verschärft werden soll. Diese Wirtschaftsblockade kommt einem Kriegszustand gleich, und mindestens wöchentlich werden neue Maßnahmen verkündet.
Im Zuge seiner Reise haben er und Vertreter des Außenministeriums wiederholt erklärt, dass die Option einer militärischen Aktion gegen den Iran „auf dem Tisch“ bleibe.
Während der US-Außenminister sich weigerte, während seiner Reise Fragen von den mitreisenden US-Medienvertretern zu beantworten, gab er The National ein Interview und antwortete auf die Frage, ob ein Militärschlag der USA gegen den Iran in Erwägung gezogen werde. The National ist eine von den monarchischen Herrschern der VAE kontrollierte Tageszeitung mit Sitz in Abu Dhabi.
Pompeo sagte: „Der Präsident der Vereinigten Staaten behält sich immer das Recht vor, das zu tun, was nötig ist, um die Sicherheit der Amerikaner zu gewährleisten. Das ist seit vier Jahren unsere Politik. Es wird unsere Politik sein, solange wir die Verantwortung haben, Amerika zu schützen.“
Dass solche Pläne diskutiert werden, bestätigte die New York Times unter Berufung auf hohe Regierungsvertreter. Die Zeitung berichtete über ein Treffen zwischen Trump und seinem nationalen Sicherheitskabinett am 12. November, bei dem der US-Präsident über die Möglichkeit von Luftangriffen auf das wichtigste zivile Atomkraftwerk des Iran in Natanz sprach. Der Vorwand für einen solchen Angriff ist, dass Teheran die Obergrenze seines Vorrats an schwach angereichertem Uran überschritten hat, die durch das Nuklearabkommen von 2015 zwischen dem Iran und den Großmächten festgelegt worden war. Die Trump-Regierung hat das Abkommen 2018 einseitig aufgekündigt.
Die Times berichtet zwar, dass hochrangige Berater Trump davon überzeugt haben, die Nuklearanlage nicht anzugreifen und „das Treffen in dem Glauben verließen, ein Raketenangriff innerhalb des Iran sei vom Tisch“. Doch es gibt bedrohliche Anzeichen dafür, dass die Kriegsvorbereitungen weitergehen.
Das US Central Command bestätigte am Wochenende, dass US-Bomber vom Typ B-52H Stratofortress, die bis zu 20 nukleare Marschflugkörper sowie konventionelle Munition einsetzen können, vom Luftwaffenstützpunkt Minot in North Dakota für eine „kurzfristige Langstreckenmission“ in den Nahen Osten verlegt wurden.
Laut einer Pressemitteilung des US Central Command besteht der Zweck der Mission darin, „Aggressionen abzuschrecken und die Partner und Verbündeten der USA zu beruhigen“.
Seit Januar letzten Jahres ist dies das erste Mal, dass die strategischen Langstreckenbomber in der Region eingesetzt werden. Damals wurde General Qassem Soleimani, einer der höchsten Funktionäre im Iran, von US-Drohnen getötet, direkt nachdem er auf dem internationalen Flughafen von Bagdad zu einem offiziellen Staatsbesuch eingetroffen war.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Vor der Entsendung der B-52 in den Nahen Osten war in der vergangenen Woche ein F-16-Kampfgeschwader von Deutschland zum Luftwaffenstützpunkt Al-Dhafra in Abu Dhabi verlegt worden. Gleichzeitig bleibt der Flugzeugträgerverband Nimitz der US-Marine weiterhin im Persischen Golf stationiert.
Derweil führt Israel in Syrien zunehmend provokative Luftangriffe gegen Streitkräfte mit Verbindung zum Iran durch, das israelische Militär bekennt sich dabei in bisher nie dagewesener Form öffentlich zu den Angriffen. Über die jüngsten derartigen Angriffe in der östlichen Region Deir Ezzor nahe der irakischen Grenze wurde am Samstag berichtet, hierbei sollen bis zu zehn Ziele getroffen und 14 Milizkämpfer getötet worden sein.
Die israelische Regierung drängt die USA seit Jahren, einen Krieg gegen den Iran zu führen, und ihre jüngsten Aktionen sollen zweifellos eine solche Konfrontation vor dem Ende der Trump-Regierung provozieren.
Die gängige Meinung der US-Leitmedien und der Demokratischen Partei in den Vereinigten Staaten lautet, dass die von Trump und Pompeo geführte antiiranische Kampagne darauf abzielt, eine neue Biden-Regierung in die Enge zu treiben. Biden soll damit erschwert werden, das erklärtes Ziel der Erneuerung eines Atomabkommen mit dem Iran durchzusetzen, auch wenn die US-Regierung in diesem Zuge noch weitere Zugeständnisse von Teheran verlangen würde.
Zunehmend werden jedoch weitere bedrohliche Möglichkeiten erwogen. Die Washington Post berichtete am Sonntag, „Spekulationen nehmen zu, dass die Trump-Regierung in ihren letzten Tagen eine Militäraktion gegen iranische Atomeinrichtungen vorbereitet. Einige betrachten Netanjahus offenen Besuch im [saudischen] Königreich und die Anwesenheit von Pompeo als weiteres Indiz, dass ein Angriff möglich sei.“
Der schwellende Konflikt zwischen den USA und dem Iran geht auf den Sturz der von den USA unterstützten Diktatur des Schahs im Iran vor fast 40 Jahren zurück. Der Konflikt wurzelt objektiv im Ziel des US-Imperialismus, die amerikanische Vorherrschaft über den ölreichen Nahen Osten durchzusetzen und China als dem wichtigsten globalen Rivalen der USA die strategischen Ressourcen der Region vorzuenthalten. Unabhängig von den taktischen Differenzen wird diese politische Stoßrichtung auch weiterhin in der US-Politik präsent sein, egal ob die Demokraten oder die Republikaner im nächsten Jahr an der Macht sind.
Vor dem Hintergrund der explosiven politischen Krise, die sich innerhalb der USA entwickelt, könnte eine überstürzte militärische Konfrontation mit dem Iran durch die Trump-Regierung – und der unvermeidliche iranische Vergeltungsschlag – jedoch auch einem anderen unheilvollen politischen Zweck dienen: Sie wäre Vorwand für das Ausrufen des nationalen Notstands, womit die Übergabe der Präsidentschaft verhindert und das Kriegsrecht verhängt wird.
Bis zum 20. Januar kann jede Provokation benutzt werden, um den Beginn eines katastrophalen neuen Kriegs im Nahen Osten zu rechtfertigen, der das Potenzial hat, einen Weltbrand auszulösen. Den Kampf gegen diese Bedrohung kann nur die Arbeiterklasse führen: Sie muss sich unabhängig sowohl gegen die Trump-Regierung als auch gegen die Demokraten mobilisieren und sich mit den Arbeitern weltweit vereinen im Kampf gegen die Ursache des Kriegs, das kapitalistische Profitsystem.