Macrons „globales Sicherheitsgesetz“: Filmaufnahmen französischer Polizisten sollen verboten werden

Am Dienstag legte die französische Regierung unter Präsident Emmanuel Macron der Nationalversammlung einen Entwurf für ein „globales Sicherheitsgesetz“ vor. Der neue Gesetzesentwurf ist Teil der Versuche der Regierung, einen dauerhaften Ausnahmezustand zu errichten und die Polizei mit drakonischen Vollmachten auszustatten. Das Gleiche gilt für das geplante Gesetz gegen „Separatismus“, das sich vorgeblich gegen islamistische Gruppen richtet.

Einen Gesetzesentwurf dieser Art hat es in Frankreich noch nicht gegeben. Die Veröffentlichung von Aufnahmen öffentlicher Veranstaltungen, an denen Polizisten teilgenommen haben, soll mit einem Jahr Haft und einer Geldstrafe von 45.000 Euro geahndet werden, wenn dadurch in irgendeiner Weise das „körperliche oder seelische Wohlergehen des Beamten beeinträchtigt“ wird. Dieses rein fiktive Kriterium ermöglicht es der Polizei, jeden zu verhaften, der sie filmt. Der Beamte muss nur behaupten, er fühle sich deshalb unbehaglich. Ein derartiges Vorgehen untergräbt die Pressefreiheit und alle Versuche, Polizeibrutalität zu ahnden.

Das Gesetz verleiht der Polizei zudem weitgehende Befugnisse, die Bevölkerung per Video zu überwachen. In Zukunft sollen auch städtische Polizeibehörden Zugang zu Sicherheitskameras in Geschäften, öffentlichen Einrichtungen und Wohnanlagen erhalten. Dies war bisher der Nationalpolizei vorbehalten. Daneben ermächtigt das Gesetz die Polizei, bei öffentlichen Protestveranstaltungen Drohnen mit Gesichtserkennungstechnologie einzusetzen.

Erst kürzlich wurde außerdem bekannt, dass die Regierung in ein Gesetz, das die Vergabe von Forschungsgeldern an Universitäten regelt, insgeheim eine Klausel eingebaut hatte, die Proteste faktisch verbietet: „Das unbefugte Betreten oder der unbefugte Aufenthalt in einer höheren Bildungseinrichtung ohne gesetzliche Grundlage oder behördliche Genehmigung mit dem Ziel, die Ruhe und Ordnung der Einrichtung zu stören, kann bestraft werden“; vorgesehen sind drei Jahre Haft und Geldstrafen von bis zu 45.000 Euro.

Nachdem in den letzten Jahren in Frankreich und weltweit immer häufiger soziale Proteste ausgebrochen waren, ist nun offenbar ein kritischer Punkt erreicht. Nach der brutalen Unterdrückung von Arbeitskämpfen und Gelbwesten-Protesten wurde die Macron-Regierung durch die Massendemonstrationen, die im Frühjahr auch in Frankreich nach dem Polizeimord an George Floyd in Minneapolis ausbrachen, in Angst und Schrecken versetzt. Angesichts der zunehmenden Wut der Bevölkerung über die enorm hohe Zahl an Covid-19-Opfern versuchen die Herrschenden nun, eine Polizeidiktatur zu errichten.

Das nicht mehr haltbare Ausmaß an sozialer Ungleichheit und staatlicher Kriminalität, wie es sich in der Corona-Pandemie deutlich zeigt, untergräbt die letzten Reste der demokratischen Herrschaftsformen. In den Vereinigten Staaten weigert sich Donald Trump, seine Niederlage in der Präsidentschaftswahl anzuerkennen, und plant mit Hilfe rechtsextremer Milizen ein Komplott, um an der Macht zu bleiben. In Frankreich setzt sich die Regierung über Grundrechte wie die Pressefreiheit und das Recht auf Protest hinweg und versucht, ein Gesetz durchzupeitschen, das durch Polizeiterror ein Klima der Angst schaffen und Widerstand unterdrücken soll.

Dieses Gesetz ist ohne Frage unrechtmäßig und mit demokratischen Regierungsformen nicht vereinbar. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen und auch die Menschenrechtsbeauftragte der französischen Regierung, Claire Heron, haben erklärt, dass es gegen demokratische Grundsätze verstößt.

Die Vereinten Nationen wiesen zudem darauf hin, dass die Veröffentlichung von Aufnahmen von Polizisten nicht nur „von grundlegender Bedeutung für das Recht auf freien Informationsaustausch ist, sondern auch legitim für die Ausübung demokratischer Kontrolle über die öffentlichen Institutionen. Vor allem könnte ein Verbot die Dokumentation von etwaigem Missbrauch und exzessiver Gewaltanwendung der Sicherheitskräfte während Demonstrationen verhindern.“ Die Vereinten Nationen warnten, Frankreich würde durch die Einführung des Gesetzes gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sowie die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen.

Die französische Menschenrechtsbeauftragte warnte, das Gesetz sei „zum Schutz der Polizei und der paramilitärischen Kräfte nicht notwendig, bedroht in unhaltbarem Ausmaß die Meinungsfreiheit und schafft Hindernisse für die Kontrolle der Ordnungskräfte“. Sie fügte hinzu, das Filmen von Demonstranten sei nach dem Gesetz eine „direkte Bedrohung der Privatsphäre“ dieser Menschen und „könnte die Freiheit der Demonstranten gefährden, deren Schutz Aufgabe des Staates ist“.

Als der undemokratische Gesetzesentwurf der Nationalversammlung vorgelegt wurde, veranstalteten Journalistengewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen Proteste. In Toulouse kamen etwa 1.300 Menschen im Stadtzentrum zusammen, darunter Gelbwesten, die sich dort zum zweiten Jahrestag ihrer Proteste versammelt hatten. Eine Stunde später wurden sie von der Polizei mit Tränengas vertrieben. In Bordeaux und Lyon beteiligten sich etwa 700 Menschen an Protesten vor dem Gebäude der Polizeipräfektur. Weitere Proteste fanden in Marseille und Rennes auf dem Place de la République statt.

In Paris versammelten sich am Dienstag mehrere hundert Demonstranten vor der Nationalversammlung, während die Abgeordneten über den Gesetzesentwurf debattierten. Sie wurden von Bereitschaftspolizei eingekreist und mit Tränengas angegriffen, 33 Demonstranten wurden verhaftet.

Ein Journalist des öffentlich-rechtlichen Senders France3, der die Demonstration auf Anweisung mit einem Handy filmte, wurde festgenommen. France3-Paris erklärte: „Obwohl er sich mit seinem Presseausweis identifizieren konnte, wurde er verhaftet und am frühen Nachmittag freigelassen. Es wurden keine Gründe für die Verhaftung angegeben, ebenso wenig wurde Anklage erhoben.“ Der Sender fügte hinzu, er „verurteilt diese schikanöse und willkürliche Verhaftung eines Journalisten während seiner Arbeit auf das Schärfste“.

Die öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt erklärte dazu in einer Stellungnahme: „Das Management von France Télévisions verurteilt diese Einschränkung der Pressefreiheit und der Ausübung des Rechts auf Informationen“ und „behält sich vor, notwendige rechtliche Schritte einzuleiten“.

Dennoch erklärten Mitglieder von Macrons Partei La République en Marche (LREM), sie würden das Gesetz um jeden Preis durchpeitschen. Innenminister Gérald Darmanin, der bei der Vorstellung seines „Separatismus-Gesetzes“ in antisemitischer und antimuslimischer Manier gegen Abteilungen mit koscheren und halalen Lebensmitteln in Supermärkten gehetzt hatte, erklärte offen, das Gesetz solle als Maulkorb für die Presse dienen.

Darmanin verteidigte die Verhaftung von Reportern der staatlichen französischen Fernsehsender und erklärte, wenn sie über Demonstrationen berichten wollen, müssen sie „den Obrigkeiten näherstehen“ und diesen „Bericht erstatten“.

Der Macron-Regierung haftet der Geruch von Faschismus an. Jean-Michel Fauvergue, einer der Urheber des „globalen Sicherheitsgesetzes“ und ehemaliger Leiter der Einsatzgruppe RAID der französischen Nationalpolizei, deutete an, er halte Zensur für notwendig, um die wachsende Empörung der Bevölkerung über den Staat und die Sicherheitskräfte einzudämmen. Er erklärte, durch das Gesetz werde im „Krieg der Bilder“, den „die Behörden und vor allem der Staat zu verlieren drohen, Terrain zurückgewonnen.“

Auch wenn Fauvergue es nicht direkt aussprach, sind die Gegner des Staates in diesem „Krieg“ die Bevölkerung und vor allem die Arbeiterklasse.

In den letzten fünf Jahren wurden in den sozialen Medien zahllose Videos veröffentlicht, die Polizeibrutalität gegen Gelbwesten, streikende Verkehrsbeschäftigte und protestierende Schüler und Studenten zeigen. Alleine während der Gelbwestenproteste wurden mehr als 11.000 Menschen verhaftet und mehr als 4.400 von der Polizei verwundet. Zwei Dutzend Menschen verloren ein Auge, fünf eine Hand, ein Außenstehender namens Zineb Redouane (80) wurde von einem Tränengasbehälter der Polizei getötet. Der Leiter der Einheit, die für Redouanes Tod verantwortlich ist, wurde von der Macron-Regierung ausgezeichnet.

Die faschistische Stoßrichtung der Macron-Regierung, einschließlich ihres Beharrens, Arbeiter und Jugendliche trotz der Coronapandemie in die Betriebe und Schulen zu zwingen, macht einen unabhängigen Kampf der Arbeiterklasse notwendig. Dazu braucht sie ein sozialistisches und internationalistisches Programm. Die Gewerkschaften und ihre politischen Verbündeten, darunter die wirtschaftsfreundliche Sozialistische Partei (PS) und Jean-Luc Mélenchons La France insoumise (LFI, „Unbeugsames Frankreich“), sind allesamt Teil des Polizeistaatsapparats.

Zwar kritisierte Danièle Obono von LFI, das „globale Sicherheitsgesetz“ würde in Frankreich zu einer „Selbstzensur“ führen, und Hervé Saulignac von der PS erklärte: „Es gibt rote Linien, die nicht überschritten werden sollten. Selbst [der konservative, ehemalige Präsident Nicolas] Sarkozy ist nicht so weit gegangen.“ Doch diese Kritik ist Heuchelei, denn die PS selbst hat mit der Aussetzung demokratischer Rechte begonnen, als sie 2015 für zwei Jahre den Ausnahmezustand verhängte. Mélenchons Fraktion hatte damals in der Nationalversammlung für den Ausnahmezustand gestimmt.

Das „globale Sicherheitsgesetz“ ist die direkte Fortsetzung der Politik, die die PS mit der Unterstützung von LFI betrieben hat. Sie hat die juristischen Grundlagen geschaffen, die Macron nun zu einem dauerhaften Ausnahmezustand macht.

Die doppelte Bedrohung durch Covid-19 und den Kurs der Finanzaristokratie auf Diktatur ist eine immense Herausforderung für Arbeiter und Jugendliche. Der Kampf für die weltweite Eindämmung des Virus an Schulen und Arbeitsplätzen erfordert die Bildung von Aktions- und Sicherheitskomitees, die Arbeiter und Schüler informieren und für eine Lockdown-Politik eintreten, um die Bevölkerung zu schützen. Solche Komitees müssen unabhängig von den Gewerkschaften handeln, die den Back-to-Work-Kurs unterstützen. Der Kampf gegen den Kurs in Richtung Diktatur muss durch eine sozialistische Bewegung bekämpft werden, die sich den Übergang der Macht an unabhängige Arbeiterorganisationen zum Ziel setzt.

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