Nach Schulöffnung: Infektionszahlen in Deutschland steigen an

Im Zuge der bundesweiten Schulöffnungen steigen die Infektionszahlen in Deutschland rasant an. Gestern meldete das Robert-Koch-Institut erneut 1510 Neuinfektionen mit dem Coronavirus – der höchste Wert seit Mai. Die amerikanische Johns-Hopkins-Universität führt in ihrer globalen Statistik für Deutschland derzeit eine beobachtete Todesrate (Observed Case-Fatality-Ratio) von 4,1%. Das würde bei einer langfristigen Ansteckungsrate von 60 bis 70 Prozent – wie sie von der Bundesregierung ins Auge gefasst wird – allein in Deutschland eine Todesziffer von 1,98 Millionen bis 2,31 Millionen Menschen bedeuten.

Im Falle einer erneuten Überlastung des Gesundheitssystems würde sich diese Zahl rasch vervielfachen. Eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene „Risikoanalyse“ hatte im Jahr 2012 für den Fall einer SARS-Pandemie 7,5 Millionen Todesopfer in Deutschland über einen Zeitraum von drei Jahren prognostiziert.

Gemessen an den offiziellen Zahlen steht Deutschland noch am Beginn der pandemischen Entwicklung – vor allem aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen, die vor dem Hintergrund massiven öffentlichen Drucks im März eingeführt wurden. Momentan liegen die offiziell registrierten Fallzahlen in Deutschland lediglich bei rund 273 pro 100.000 Einwohner, demzufolge haben sich bislang offiziell „erst“ 0,27% der Bevölkerung mit dem neuartigen Coronavirus infiziert.

Indem die Landesregierungen Kinder systematisch ohne Maskenpflicht und Abstandsregel in überfüllte, schlecht belüftete und unhygienische Schulen zurückschicken, betreiben sie de facto eine Politik der Herdenimmunität und der kontrollierten Durchseuchung. Obwohl sie dies nicht offen aussprechen, ist das Motiv klar: Damit die Arbeitskraft der Eltern wieder zur Verfügung steht, müssen die Kinder zurück in die Schulen – obwohl sie nachgewiesenermaßen mindestens so infektiös sind wie Erwachsene.

Wie die World Socialist Web Site berichtet hat, haben sich allein in Hamburg seit der Wiedereröffnung der Schulen am 6. August an 41 verschiedenen Schulen mindestens 55 Schüler infiziert. Die Gesundheitsbehörden reagieren darauf, indem sie Testungen des schulischen Umfelds verweigern und auch umfassende Quarantänemaßnahmen in aller Regel nicht vornehmen. Dies führt dazu, dass positiv getestete Schüler zum Unterricht erscheinen und das wahre Ausmaß der Ausbreitung systematisch verschleiert wird.

Boris B., ein Klassenlehrer aus Hamburg, erklärt dazu auf Twitter: „Das kann ich eins zu eins bestätigen. Die Schulbehörde weist an: Mitarbeiter dürfen nicht öffentlich über das Infektionsgeschehen reden (sic!). Und ich meine nicht sensible Daten, sondern: ‚Ja wir haben positive Fälle.‘ Irre. Transparenz und Information: Fehlanzeige.“

Doch nicht nur in Hamburg werden Arbeiter über Neuinfektionen im Dunkeln gelassen. In Bayern war letzte Woche bekannt geworden, dass das Gesundheitsministerium rund 44.000 Menschen, die sich an Bahnhöfen und Autobahnen freiwillig hatten testen lassen, tage- und wochenlang nicht über ihr Testergebnis informiert hatte. Darunter befanden sich 900 Infizierte.

Wie die Süddeutsche Zeitung am Dienstag berichtete, war Gesundheitsministerin Melanie Huml bereits früh über die angebliche „Panne“ im Bilde. Der Zeitung liegt eine E-Mail vor, die der Geschäftsführer des auswertenden Laborunternehmens am Montag vergangener Woche an das bayrische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) sandte. Die zwei DIN-A4-Seiten umfassende Mitteilung setzt das LGL davon in Kenntnis, dass 40.000 Testergebnisse, darunter 338 positive Fälle, noch nicht an die entsprechenden Personen übermittelt werden konnten.

Der weitere interne E-Mailverlauf der Behörden belegt, dass das bayrische Gesundheitsministerium über mehrere Tage hinweg Stillschweigen bewahrte und untätig blieb: Obwohl das LGL die Mail des Geschäftsführers umgehend an insgesamt fünf hochrangige Stellen im Gesundheitsministerium weiterleitete – darunter das Büro der Ministerin selbst –, behauptete Huml am Mittwoch vergangener Woche, erst an diesem Tag von der Tragweite des Falls erfahren zu haben. In den 54 Stunden zwischen dem Eingang der Mail beim Ministerium und Humls öffentlicher Falschaussage war die Zahl der uninformierten Infizierten bereits auf über 900 angestiegen.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte einen Rücktritt Humls vergangene Woche zweimal abgelehnt. Obwohl mittlerweile sämtliche von der Regierung verkündeten „Deadlines“ verstrichen sind, wussten nach Tagesschau-Informationen noch am Sonntag 46 Menschen nichts von ihrem positiven Testergebnis. Wegen fehlender Personendaten sei zudem „nicht klar“, ob sie überhaupt noch ermittelt werden können.

In Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands, wurden gestern 326 Neuinfektionen gemeldet, in den vergangenen sieben Tagen waren es insgesamt 2640. Im Vergleich zur Vorwoche (2521) bedeutete dies einen deutlichen Anstieg.

NRWs Ministerpräsident Armin Laschet hatte am Dienstag Bundeskanzlerin Merkel in Düsseldorf empfangen. Zu diesem Anlass erklärte er, falls es aufgrund von steigenden Infektionszahlen erneut zu Beschränkungen kommen sollte, dürften diese „nicht für Kinder und nicht im Bildungsbereich gelten“, berichtete die Zeit. Laschet brachte damit in aller Deutlichkeit auf den Punkt, dass seine Landesregierung alle staatlichen Vorkehrungen treffen wird, um die Profitwirtschaft am Laufen zu halten – selbst wenn dies zehntausende Neuinfizierte und Tote bedeutet.

Derlei Aussagen werden im politischen Berlin offenbar gern gehört. So erwiderte Merkel auf die Frage eines Journalisten, ob sie Laschet für kanzlertauglich halte, dass der Ministerpräsident mit seiner Art der Regierungsführung ein Rüstzeug besitze, das durchaus Gewicht habe, und auch für den CDU-Vorsitz „viele Qualifikationen mit sich“ bringe.

In NRW zeigt sich unterdessen besonders deutlich, welch kriminelle Rolle die Gewerkschaften dabei spielen, die Öffnung der Schulen unter unsicheren Bedingungen gegen den Widerstand von Lehrern, Schülern und zunehmend auch Eltern durchzusetzen.

So hatte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wenige Tage vor Schuljahresbeginn die Maskenpflicht für die Schulen von NRW rundheraus abgelehnt – und dies in dem einzigen Bundesland, in dem auf Druck der Bevölkerung Masken im Unterricht verpflichtend sind.

Stattdessen suggerierte die Gewerkschaft, dass ein geregelter Unterricht möglich sei, sofern man Abstand halte und dafür sorge, dass die Klassenzimmer ausreichend belüftet seien. Auch in Hessen und Bremen sprach sich die GEW stets vehement gegen eine Maskenpflicht aus, wo einzelne Schulbehörden diese verordnet hatten.

Loading