Die Große Koalition setzt den Kriegseinsatz der Bundeswehr in Syrien und im Irak fort, der offiziell seit nunmehr vier Jahren läuft. Dies beschloss die Bundesregierung am vergangenen Donnerstag.
Es geht dabei um die Verlängerung des Einsatzes der Luftwaffe, die mit Tornados und Tankflugzeugen vom jordanischen Militärstützpunkt in al-Azraq operiert, um weitere fünf Monate bis Ende März 2020. Die Ausbildungsmission der Bundeswehr im Zentralirak und in der kurdischen Autonomieregion im Norden des Landes wurde sogar um ein weiteres Jahr bis zum 31. Oktober 2020 verlängert.
Auch die Pläne von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, in Nordsyrien eine internationale Sicherheitszone mit 30 bis 40.000 Soldaten unter deutsch-europäischer Führung einzurichten, werden aktiv vorangetrieben.
Am Wochenende berichtete der Spiegel, dass die Bundeswehr „bei einem möglichen Syrien-Einsatz etwa 2500 Soldaten stellen“ könnte. Die deutschen Militärs gingen von „einem Szenario“ aus, „das vorsieht, eine solche Zone in Sektoren von etwa 40 Kilometer Breite und 30 Kilometer Tiefe aufzuteilen“. In einem dieser Sektoren könnten dann „die Deutschen als sogenannte Rahmennation die Führung einer internationalen Truppe übernehmen und dafür selbst drei robuste Kampfbataillone stellen“.
Das Nachrichtenmagazin gibt einen Eindruck davon, wie konkret an den Kriegsplänen gearbeitet wird. Die Militärstrategen im Verteidigungsministerium sprächen von einem „kompletten Paket“, das sie dann bereitstellen würden: „Aufklärer, Spezialeinheiten, ‚Boxer‘-Radpanzer, schwere Bewaffnung, Panzerhaubitzen, Pioniere, Minenräumer.“ Und auch die Luftunterstützung für die eigenen Kampftruppen traue sich die Bundeswehr zu, „sowohl die Aufklärung mit ‚Tornado‘-Kampfflugzeugen als auch eine bewaffnete Komponente mit ‚Eurofightern‘.“ Nur in zwei Bereichen wäre man „auf Hilfe angewiesen: bei Hubschraubern und der Sanitätsversorgung“.
In einer Erklärung mit dem Titel „Nein zur deutsch-europäischen Sicherheitszone in Syrien!“ hat die World Socialist Web Site erklärt, dass die Pläne der Bundesregierung in der Tradition der Kriegs- und Eroberungspolitik der Nazis stehen: „Der deutsche Kriegseinsatz in Syrien dient nicht dem ‚Kampf gegen den Terror‘, der ‚Deeskalation‘ oder dem ‚Frieden‘ – wie es die offizielle Propaganda glauben machen will. Das wirkliche Kriegsziel ist die neokoloniale Unterwerfung des Landes und der rohstoffreichen und geostrategisch wichtigen Region sowie die Deportation von hunderttausenden Flüchtlingen zurück in die Kriegsgebiete.“
Die Bundestagsdebatte über die Verlängerung der bereits laufenden Einsätze unterstrich, wie korrekt diese Einschätzung ist. 80 Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs propagieren führende Politiker aller Parteien wieder offen Krieg und militärische Gewalt und erklären, dass nur so die Interessen des deutschen Imperialismus im Nahen Osten und weltweit verteidigt werden könnten. In der Diskussion über den Antrag der Großen Koalition versuchten sich Vertreter von Regierung und Opposition mit ihren militaristischen Tiraden gegenseitig zu übertrumpfen.
Für die Bundesregierung hielt Johann Wadephul die aggressivste Rede: „Was in Syrien und im Irak passiert, muss im Fokus unseres Sicherheitsinteresses stehen“, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Es gebieten unsere originären Sicherheitsinteressen, unsere deutschen, unsere europäischen Interessen, dass wir den Kampf gegen dieses verabscheuenswürdige Regime des IS fortsetzen.“ Das Engagement im Nahen Osten entspreche dabei besonders „unserer Verantwortung. Wir sind die stärkste Nation Europas. Wir sind derzeit im Sicherheitsrat. Wir haben mit der Bundeswehr eine der stärksten konventionellen Streitkräfte der westlichen Welt.“
Wadephul stellte sich auch explizit hinter Kramp-Karrenbauers Kriegspläne. Auch im Nordosten Syriens „gebieten unsere ureigenen Sicherheitsinteressen, unsere internationale Verantwortung und die Erwartung und der Hilfsbedarf unserer Partner, was wir tun“. Man müsse „zur Kenntnis nehmen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika sich auf dem Rückzug befinden, ihre Verantwortung sozusagen als Weltpolizist, als Bewahrer westlicher Interessen nicht mehr wahrnehmen.“
Die Schlussfolgerung der deutschen Eliten ist klar: Berlin und Europa müssen die USA zukünftig als „Weltpolizist“ und führende imperialistische Kriegsmacht ersetzen. „Deswegen ist es richtig“, so Wadephul, „dass wir in Europa seit längerer Zeit diese Debatte führen. Die Debatte hat 2014 auf der Münchner Sicherheitskonferenz mit Beiträgen des damaligen Bundespräsidenten, des Außenministers und unserer Verteidigungsministerin begonnen. Wir als Deutsche wissen: Wir müssen bei derartigen Krisen mehr Verantwortung übernehmen.“
Die Kritik der Oppositionsparteien im Bundestag an der Kriegspolitik der Großen Koalition kam ausschließlich von rechts. Gerold Otten, der für die rechtsextreme AfD im Verteidigungsausschuss des Bundestags sitzt, brüstete sich damit, dass Kramp-Karrenbauers Vorschlag ursprünglich von seiner Partei stamme. „Bereits seit langem“ habe „die AfD die Einrichtung einer UN-Schutzzone sowie die enge Einbindung Russlands bei der Frage über die Zukunft Syriens gefordert.“ Unklar bleibe jedoch, wie „die Einrichtung dieser Zone eigentlich durchgesetzt werden“ solle. „Deutschlands politischer Einfluss“ sei „durch jahrzehntelange Selbstverzwergung […] minimal.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Für die FDP forderte Marie-Agnes Strack-Zimmermann, ein stellvertretendes Mitglied der Parlamentarischen Versammlung der Nato, dass die Auslandseinsätze auch über den von der Regierung vorgesehenen Zeitraum hinaus weitergehen und enger mit der Nato verzahnt werden. „Der Tornadoeinsatz wird in fünf Monaten nicht beendet. Er gehört gerade jetzt verlängert […]. Die Ausbildungsmission in Irak wird in die NATO-Mission integriert. Wenn Sie das machen, sind wir dabei“, erklärte sie.
Die Kriegsoffensive wird auch von den nominell linken Oppositionsparteien unterstützt. Sofern sie Kritik äußern, dreht sie sich um die strategische Ausrichtung und ein effektiveres Eingreifen des deutschen Imperialismus im Nahen und Mittleren Osten.
Laut Alexander Neu, Obmann der Linkspartei im Verteidigungsausschuss des Bundestags, hat Kramp-Karrenbauer „die Bundesregierung vor der Republik blamiert“, da sie ihre „Idee“ nicht mit „der syrischen Regierung, mit den Verbündeten und mit dem Koalitionspartner“ abgestimmt habe. Neu beklagte, dass „Deutschland und der Westen keinen Einfluss“ und „keine Aktien“ in Syrien hätten und „die Initiative, die AKK vorschlägt“, deshalb „eine Nullnummer – ohne irgendwelche Folgen“ sei. Die Bundeskanzlerin forderte er auf, „endlich das, was die Türkei in Syrien macht […] als Völkerrechtsbruch [zu] deklarieren.“
Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Linder, äußerte sich ähnlich. „Wenn man auch international wirklich was bewegen“ wolle, könne „man doch nicht so vorgehen, dass der Koalitionspartner, dass die CSU, dass die Öffentlichkeit, ja dass sogar die eigene militärische Führung im Verteidigungsministerium aus der Presse davon erfahren“.
Dann betonte er, dass seine Partei die Rückkehr des deutschen Imperialismus auf die Weltbühne unterstütze, diese aber besser umgesetzt werden müsse. „Ja, auch wir Grüne sehen eine Verantwortung Deutschlands in der Welt […]. Aber wer ernsthaft über die Verantwortung Deutschlands in der Welt redet, [...] darf nicht eine solch unabgestimmte und verantwortungslose Außenpolitik wie in den letzten Tagen betreiben.“