„Alle Gewerkschaftsfunktionäre sollten zurück ans Band und zehn Jahre Teilzeit arbeiten müssen“

GM-Arbeiter kampfbereit: Ford- und Chrysler-Arbeiter wollen sich dem Streik anschließen

Bereits am ersten Tag ihres Streiks äußerten die Arbeiter von General Motors ihre Entschlossenheit, dem Autokonzern Widerstand zu leisten. Sie erhalten in der Öffentlichkeit große Unterstützung für ihren Kampf zur Verteidigung der Gesundheitsversorgung und für ein Ende der ungerechten Behandlung von jungen Arbeitern der zweiten Lohnstufe und von befristeten Teilzeitkräften.

Am Montagmorgen legten 46.000 GM-Arbeiter in 35 Fertigungswerken und Dutzenden von Ersatzteil-Vertriebszentren in zehn Bundesstaaten die Arbeit nieder. Der Streik zeigt die enorme Macht der Arbeiterklasse. Laut der Wall-Street-Bank Citigroup verliert das Unternehmen täglich 100 Millionen Dollar, wenn der Streik weitergeht. Der Aktienkurs von GM schloss am Montag mit mehr als minus vier Prozent.

Die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) sah sich zu dem Streik gezwungen. Ihre Vorstände sind zu dem Schluss gekommen, dass der Versuch, die Forderungen von GM nach Zugeständnissen durchzusetzen, eine Rebellion der Autoarbeiter auslösen würde. Diese sind ohnehin angewidert davon, dass die UAW im Jahr 2015 und zuvor Bestechungsgelder als Gegenleistung für unternehmensfreundliche Tarifverträge angenommen hat.

Obwohl GM in den letzten vier Jahren 27,5 Milliarden Dollar Profit gemacht hat, fordert das Unternehmen eine deutliche Erhöhung der Eigenbeteiligung der Arbeiter für ihre Krankenversicherung von derzeit drei auf 15 Prozent. Daneben fordert der Konzern eine Ausweitung der schlecht bezahlten befristeten und Leiharbeitsverhältnisse.

Ein Facharbeiter im Motorenwerk Flint erklärt: „Den Deal, den die UAW mit GM ausgehandelt hat, könnten sie auf keinen Fall durchsetzen. Wir sind nicht dumm. Sie haben einen Bonus von 8.000 Dollar bei Unterschrift angeboten, was bei vier Jahren nicht gerade viel ist. Wir verlieren damit dann nämlich 15 Prozent unserer Löhne durch die höheren Gesundheitskosten. Das heißt unser Lohn würde gekürzt. Das kommt nicht infrage bei einem Unternehmen, das Milliarden einnimmt.“

Die Belegschaft von GM besteht zu sieben Prozent aus befristeten Arbeitskräften. Allerdings sagte ein leitender Angestellter kürzlich, dass das Unternehmen künftig die Hälfte der Stellen mit befristeten Zeitarbeitern besetzen will, denen unterdurchschnittlich niedrige Löhne gezahlt werden und die im Falle von Umsatzeinbußen schnell entlassen werden können.

Der junge Teilzeitarbeiter Roy, der seit sechs Monaten im GM-Motorenwerk arbeitet, sagte: „Wir versuchen, für sichere Arbeitsplätze, gute Zusatzleistungen und Löhne zu kämpfen. In dieser Gegend ist es sehr schwer, einen Job zu finden, bei dem man genug verdient, um seine Familie zu ernähren und seine Kinder zum Arzt bringen zu können, ohne 1.000 Dollar monatlich zu zahlen.

Mein Vater hat 30 Jahre bei GM gearbeitet, aber mir geht es schlechter als ihm. Für drei Arbeiter, die in Rente gehen, stellen sie nur einen Vollzeitarbeiter ein. Einige Teilzeitkräfte arbeiten seit acht Jahren, und ihre Verträge wurden noch immer nicht in Vollzeitverträge umgewandelt. Wir streiken, damit man nach 90 Tagen eingestellt wird und einen Vollzeitvertrag bekommt.“

Die UAW hat alles durchgesetzt, wogegen die Autoarbeiter kämpfen. Die Autoarbeiter haben kein Vertrauen in die „Unterhändler“ der UAW, weil sie sich als korrupte Werkzeuge der Konzernleitung erwiesen haben.

Wie um dies zu verdeutlichen, kamen am Montag Berichte auf, laut denen Vance Pearson, der wegen Veruntreuung von Mitgliedsbeiträgen vor Gericht steht, an den „Verhandlungen“ mit GM teilnimmt. Pearson ist ein enger Vertrauter von UAW-Präsident Gary Jones.

Jones konnte sich nicht einmal auf der Pressekonferenz zeigen, bei der die UAW den Streik ankündigte. Ihm wird die Veruntreuung von Geldern der Arbeiter in Höhe von mehr als einer Million Dollar vorgeworfen.

Das Wall Street Journal schreibt mit Blick auf die Wut der Arbeiter: „Selbst wenn GM und die UAW ihre Differenzen beilegen und schnell einen vorläufigen Deal aushandeln können, wird es laut Experten wohl schwieriger als früher, die Zustimmung der Mitglieder zu diesem Vertrag zu bekommen. Art Schwartz, Berater und ehemaliger GM-Arbeitsdirektor, sagt dazu: ,Es würde mich nicht überraschen, wenn die Belegschaft einfach aus Prinzip den ersten angebotenen Tarifvertrag ablehnt.‘“

In Flint (Michigan) äußerten streikende GM-Arbeiter gegenüber dem Autoworker Newsletter der World Socialist Web Site ihre Kampfbereitschaft. Flint ist die Geburtsstadt der UAW und des legendären Streiks 1936–­37. Sie ist auch eines der Zentren des UAW-Korruptionsskandals. Lokale Gewerkschaftsbosse wie Norwood Jewell und Michael Grimes wurden bereits angeklagt oder zu Haftstrafen verurteilt.

Laura, die seit 20 Jahren im Montagewerk Flint arbeitet, sagt: „Sie sollten die UAW-Funktionäre zurück an die Bänder schicken und zehn Jahre Teilzeit arbeiten lassen. Wir haben in den letzten 20 Jahren so viel aufgegeben, jetzt ist es Zeit, für unsere Forderungen aufzustehen. Die ganze Korruption bei GM und der UAW trägt viel zu der Situation bei, die wir durchmachen. Die Leute sind bereit, für Zusatzleistungen und Lohnerhöhungen zu kämpfen.“

Auch Präsident Trump und die demokratischen Präsidentschaftskandidaten äußerten sich zum Ausbruch des Streiks, der der erste landesweite Streik in der Autoindustrie seit 1976 ist.

Trump auf Twitter: „Jetzt geht es mit General Motors und den United Auto Workers schon wieder los. Setzt euch zusammen und handelt einen Deal aus!“ Nach den zahlreichen FBI-Razzien, Verhaftungen und Anklagen hat die US-Regierung die Schrauben bei der UAW angezogen. Wenn die UAW die Diktate des Managements nicht umsetzt, könnten ihr staatliche Zwangsverwaltung und lange Haftstrafen für ihre obersten Bosse drohen.

Senator Bernie Sanders forderte GM per Twitter auf, „die Gier zu beenden, sich mit der UAW zusammenzusetzen und ein Tarifabkommen auszuhandeln, das die Arbeiter mit dem Respekt und der Würde behandelt, die sie verdienen“. Der ehemalige US-Vizepräsident Joseph Biden erklärte per Tweet: „Bin stolz, an der Seite der @UAW faire Löhne und Zusatzleistungen für ihre Mitglieder zu fordern. Die Arbeiter in Amerika verdienen etwas Besseres.“

Die Demokraten stellen sich nicht an die Seite der Arbeiter, sondern an die der UAW-Bürokratie. Während der Sanierung von GM und Chrysler 2009 verließen sich Biden und die Obama-Regierung darauf, dass die UAW den Autoarbeitern umfangreiche Zugeständnisse aufzwingt, u.a. die Halbierung der Löhne für neu eingestellte Arbeiter und die Abschaffung des Achtstundentags.

Die Demokraten befürchten, dass die UAW den Kampf nicht abwürgen kann und dass er breite Teile der Arbeiterklasse zu einer Gegenoffensive inspiriert gegen die Lohnsenkungen und Sparmaßnahmen, die seit Jahrzehnten von beiden Parteien des Großkapitals durchgesetzt wurden.

Am Montag nahmen GM und die UAW die „Verhandlungen“ wieder auf. In Wirklichkeit arbeiten GM und die UAW an einem Komplott, um den Widerstand der Arbeiter zu zermürben. Deshalb zahlen sie zum einen ein Streikgeld auf Armutsniveau, zum anderen drohen sie den Arbeitern, der Streik werde eine Rezession auslösen.

Ein Arbeiter aus dem Motorenwerk Flint bezeichnete es als „lächerlich“, dass Arbeiter nur 250 Dollar Streikgeld pro Woche erhalten, wenn die UAW eine Dreiviertelmilliarde Dollar in ihrer Streikkasse hat. Weiter erklärte er: „Sie haben den Namen ,Streikkasse‘ in ,Streik- und Verteidigungskasse‘ geändert, weil sie daraus die Anwaltskosten für die Verteidigung von korrupten Funktionären wie Jewell und Grimes bezahlen wollen.“

Mit den Autokonzernen stehen den Arbeitern mächtige Feinde gegenüber. Die Konzerne können aber besiegt werden, wenn die Arbeiter ihre ganze Kraft mobilisieren, auch alle Arbeiter bei Ford und Fiat Chrysler und breite andere Teilen der Arbeiterklasse.

Das bedeutet, dass sie der korrupten UAW die Kontrolle über den Kampf entreißen und eigene Aktionskomitees gründen müssen. Diese müssen alle Versuche der UAW abwehren, plötzlich ein Tarifabkommen anzukündigen und es durchzupeitschen.

Die Arbeiter müssen die Verdreifachung des Streikgelds auf 750 Dollar pro Woche und die sofortige Kürzung der Gehälter aller UAW-Funktionäre auf das Niveau des Streikgelds fordern. Die gemeinsamen Ausbildungszentren als Brutstätten der Funktionärs-Korruption müssen aufgelöst und ihre Mittel benutzt werden, um den erforderlichen langwierigen Kampf gegen diesen Riesenkonzern zu finanzieren.

Gleichzeitig müssen die Arbeiter in den USA direkte Kommunikationskanäle zu den Autoarbeitern im Rest der Welt aufbauen, u.a. zu den mutigen GM-Arbeitern im mexikanischen Silao. Diese haben sich trotz der Drohungen und Schikanen des Managements geweigert, sich den Forderungen von GM zu beugen und die Produktion zu erhöhen, solange ihre Brüder und Schwestern streiken.

Ein Arbeiter des Motorenwerks in Flint erklärte über die Solidarität der mexikanischen Arbeiter: „Ich glaube, es sind die Arbeiter auf der ganzen Welt, die sich gegen die Konzerne vereinen und uns schützen müssen. Es geht nicht mehr nur um die amerikanischen und kanadischen Arbeiter; ich glaube, wir sind alle Teil des gleichen Kampfs.“

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