Trier und Horath: Stahlarbeiter von Riva seit vier Wochen im Streik

In Trier und im benachbarten Horath (Rheinland-Pfalz) befinden sich rund 150 Stahlarbeiter seit vier Wochen im Streik. Sie kämpfen gegen das Lohndumping der Konzernmutter Riva Stahl, die versucht, sie als Lohndrücker gegen die übrigen Belegschaften einzusetzen.

Seit zwei Jahren gehören die Drahtwerke Horath mit den Standorten Horath und Trier zur italienischen Riva-Gruppe, die sie 2017 nach einer Insolvenz günstig übernommen hatte. Riva betreibt in Deutschland außerdem zwei Elektrostahlwerke in Brandenburg und Hennigsdorf, die es nach der Auflösung der DDR zu einem Spottpreis gekauft hatte, sowie seit 2000 ein Werk für Betonstahl in Lampertheim nördlich von Mannheim.

Wie schon die Vorbesitzer zahlt der Riva-Konzern in Trier und Horath Armutslöhne, die teilweise ein Drittel unter dem Flächentarifvertrag der Branche liegen. Für ihre harte und gefährliche Arbeit verdienen die Stahlarbeiter im Durchschnitt keine zwölf Euro die Stunde.

Schon Anfang März hatte sich deshalb die Belegschaft an den Warnstreiks der IG Metall beteiligt, um eine deutliche Lohnerhöhung zu erreichen. Diese Hoffnung wurde jedoch enttäuscht: Riva Stahl weigert sich bis heute, einen Tarifvertrag abzuschließen. Und dies obwohl die IG Metall im März äußerst moderaten Lohnerhöhungen zugestimmt hatte, um größere Streiks in der Branche zu verhindern. Auch in den ostdeutschen Betrieben, in denen es einen Haustarifvertrag gibt, hat Riva den Arbeitern bisher diese magere Verbesserung nicht bezahlt.

Am 11. Juni beschlossen die Stahlarbeiter in Trier und Horath mit großer Mehrheit, in den unbefristeten Streik zu treten. Seither erfahren sie mehr und mehr Unterstützung aus der ganzen Region, denn viele Arbeiter sind mit ähnlichen Ausbeutungsbedingungen konfrontiert. So haben sich auch Arbeiter der Saarbrücker Gießerei Neue Halberg Guss (NGH) einer Demonstration angeschlossen. Sie hatten im letzten Jahr selbst lange für ihre Arbeitsplätze gestreikt.

Die Streikenden wollen verhindern, dass das Management sie als Lohndrücker gegen ihre Kollegen in den andern Betrieben missbraucht. Das erklärten auch Uwe und Florian, zwei streikende Arbeiter, der WSWS am 27. Juni während eines Sitzstreiks vor dem italienischen Generalkonsulat.

„Wir sehen nicht ein, dass Riva uns so schlecht bezahlt“, sagte Uwe. „Deshalb haben so viele zugestimmt, das nicht länger zu akzeptieren.“

Beide Belegschaften, Horath und Trier, stehen zu hundert Prozent hinter dem Streik, erklärte Florian. „Unser Kampf ist für alle Stahlarbeiter wichtig, denn wenn man uns als Lohndrücker gegen die andern einsetzen kann, dann wird es nicht lange dauern, bis alle Stahlarbeiter so miese Löhne bekommen wie wir.“

Ein anderer Stahlarbeiter sagte: „Wir haben alle Familie. Und viele von uns wissen nicht, wie sie mit dem geringen Lohn später die Rente finanzieren sollen.“

Die Rolle der IG Metall

Der Streik bei Riva bringt die wachsende Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse zum Ausdruck. Gleichzeitig zeigt er ein wirkliches Dilemma: Die IG Metall, die ihn führt, spielt eine Schlüsselrolle beim Abbau von Arbeitsplätzen und Löhnen. Auch wenn ihre Funktionäre jetzt lautstark gegen die Riva-Geschäftsführung wettern: Die Gewerkschaft hat überhaupt erst die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Riva es wagt, Hungerlöhne zu bezahlen.

Seit 1980 ist die Zahl der Arbeitsplätze in der deutschen Stahlindustrie von 300.000 auf gut 80.000 geschrumpft. In den letzten 16 Jahren sank die Produktionsmenge kaum, obwohl die Zahl der Arbeitsplätze auch in dieser Zeit stark zurückging. Die verbliebenen Stahlarbeiter mussten entsprechend mehr leisten.

Jeder einzelne abgebaute Arbeitsplatz wurde mit der Unterschrift der IG Metall und ihrer Betriebsräte vernichtet. Sie haben die Abbau- und Stillegungspläne gemeinsam mit den Kapitalvertretern in den Mitbestimmungsgremien ausgearbeitet. Im Ruhrgebiet, einst eine der größten Stahlregionen der Welt, ist von Thyssen, Krupp und Hoesch ein kleiner Rest namens ThyssenKrupp übriggeblieben, über dessen Abwicklung derzeit hinter geschlossenen Türen verhandelt wird.

Die gutbezahlten Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsräte sind nicht einfach nur korrupt. Sie vertreten dieselbe nationalistische Politik wie die Unternehmer. Sie sehen ihre Aufgabe darin, die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland gegen seine internationalen Rivalen zu verteidigen. Und damit Deutschland wettbewerbsfähig bleibt, müssen die Stahlwerke hohe Profite erzielen. Um das zu erreichen, sind sie zu allem bereit. Nicht zufällig ist Peter Hartz, der Erfinder von Hartz IV, Mitglied der IG Metall.

Sie schrecken auch nicht davor zurück, den eigenen Mitgliedern nach wochenlangen Arbeitskämpfen in den Rücken zu fallen. Gerade die Stahlarbeiter von Hennigsdorf können davon ein Lied singen. Nach der „Wende“ hatten sie im Jahr 1991 versucht, 8000 Arbeitsplätze durch eine wochenlange Betriebsbesetzung zu verteidigen. Als die Treuhand das ehemalige „VEB Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf“ schließlich dem Riva-Konzern zuschusterte, blieben nur rund tausend von ihnen übrig – heute sind es noch 700.

Die IG Metall sorgte damals dafür, dass der Arbeitsplatzabbau reibungslos und ohne Widerstand über die Bühne ging, und dass die Entlassenen monate- und jahrelang in den berüchtigten Verschiebebahnhöfen der Auffang- und Arbeitsförderungsgesellschaften verschwanden.

Die Arbeiterklasse ist eine internationale Klasse, die weltweit von den gleichen Konzernen und Banken ausgebeutet wird. Die Arbeiter können ihre Arbeitsplätze, Löhne und demokratischen Rechte deshalb nur verteidigen, wenn sie sich weltweit zusammenschließen und für ein sozialistisches Programm kämpfen. Nicht die Profite der Konzerne, sondern die Bedürfnisse der Menschen müssen der Maßstab des Handelns sein.

Das lehnt die IG Metall kategorisch ab. Das zeigte sich besonders klar, als die IG Metall am 29. Juni in Berlin für einen „fairen Wandel“ demonstrierte. Sie nutzte das Event, „um die Trommeln für Handelskrieg zu rühren, Nationalismus zu schüren und Massenentlassungen vorzubereiten“, wie die WSWS schrieb.

Vor dem Brandenburger Tor forderte Jörg Hofmann, der Erste Vorsitzende der IG Metall, „eine starke Europäische Union“, um zu verhindern, dass „Importe, etwa beim Stahl, zu Dumpingpreisen auf den europäischen Markt drängen“ – ein klarer Aufruf zum Handelskrieg.

Eine Delegation von Saarstahl-Vertrauensleuten hatte sogar ein großes Plakat mit der Aufschrift „China Steel bald hier erhältlich“ mitgebracht. Deutlicher hätten sie nicht zeigen können, dass die IG Metall nicht auf dem Standpunkt der internationalen Arbeiterklasse steht, sondern auf dem der deutschen Stahlbarone. Als wären die brutal ausgebeuteten chinesischen Kollegen, und nicht die milliardenschweren Manager und Banker, für die Angriffe auf die Arbeitsplätze verantwortlich.

Die Stahlarbeiter von Riva sollten sich deshalb keine Illusionen machen. Selbst wenn der Konzern einen Tarifvertag unterschreibt, wird das langfristig nichts lösen. Der IG Metall geht es darum, einen Fuß in die Tür zu bekommen; schließlich lebt ein ganzes Heer von 50.000 IGM-Betriebsräten von der Mitbestimmung – und das in der Regel nicht schlecht.

Sind sie einmal im Betrieb, sind sie auch bereit, den Flächentarif zu unterlaufen und einen Haustarif zu vereinbaren – wie in Hennigsdorf. Und macht der Konzern den Betrieb zu, werden sie nichts tun, außer einigen symbolischen Trillerpfeifenprotesten.

Es ist unmöglich, die Arbeitsplätze und Löhne mit Hilfe der nationalistischen Gewerkschaften zu verteidigen. Deshalb tritt die Sozialistische Gleichheitspartei dafür ein, mit der IG Metall zu brechen und unabhängige Aktionskomitees aufzubauen, die Verbindungen zu den Beschäftigen anderer Standorte und Länder aufnehmen und gemeinsam den Kampf gegen Werksschließungen, Entlassungen und Sozialabbau organisieren.

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