Am 28. Juni jährte sich zum zehnten Mal der von den USA unterstützte Staatsstreich, mit dem der gewählte Präsident von Honduras, Manuel Zelaya, gestürzt wurde. Bewaffnete Truppen zerrten ihn im Pyjama aus dem Präsidentenpalast, steckten ihn in ein Flugzeug und brachten ihn außer Landes.
Dieser Putsch leitete ein Jahrzehnt unaufhörlicher Unterdrückung durch rechtsextreme und zutiefst korrupte Regierungen ein, die mit allen Mitteln die Interessen der nationalen Oligarchie – der „zehn Familien“ von Multimillionären und Milliardären – und des ausländischen Finanzkapitals verteidigen.
Für die Massen der honduranischen Arbeiter und der armen Landbevölkerung war diese Zeit eine Katastrophe. Honduras ist heute das ungleichste Land Lateinamerikas, der ohnehin ungleichsten Region der Welt. Fast 70 Prozent der Bevölkerung leben in Armut, und über 60 Prozent haben keinen regulären Arbeitsplatz. Die Mordrate, mittlerweile die höchste der Welt, ist neunmal höher als in den Vereinigten Staaten.
Das Ergebnis ist ein Massenexodus. Laut Angaben der US-Regierung wurden in den letzten acht Monaten 175.000 Honduraner an der US-mexikanischen Grenze aufgegriffen. Der weitaus größte Teil, nämlich 30 Prozent der Migranten und Flüchtlinge, die an der Grenze zu den USA eintreffen, stammt aus Honduras. Vor drei Jahren waren es 16 Prozent, ihr Anteil hat sich also seither fast verdoppelt.
Diese Massen von Arbeitern und ihren Familien fliehen vor den unerträglichen Bedingungen, die durch den Imperialismus und die einheimische herrschende Klasse geschaffen wurden. Ihre verzweifelte Lage wird durch das Foto versinnbildlicht, das vor Kurzem rund um die Welt Entsetzen auslöste: Es zeigt einen salvadorianischen Vater und seine kleine Tochter, die im Rio Grande ertrunken sind.
Erst im April waren im selben Fluss ein Erwachsener und drei Kinder umgekommen, als ihr Floß kenterte. Am Donnerstag berichteten die mexikanischen Behörden, dass eine junge honduranische Frau, die mit ihrer Familie nach Norden fuhr, aus dem Zug stürzte und überrollt wurde.
Jetzt droht diesen Flüchtlingen die koordinierte Unterdrückung, Inhaftierung und Misshandlung durch die Regierungen der Vereinigten Staaten, Mexikos und Guatemalas. Gemeinsam wenden diese Staaten nackte Gewalt an, um zu verhindern, dass die Menschen der Armut, dem Staatsterror und der grassierenden Gewalt entkommen.
Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur und führende Kongressabgeordnete der Demokratischen Partei vergießen Krokodilstränen über die Todesfälle im Rio Grande und geben sich als Verteidiger von Einwanderern aus. Diese Pose wird jedoch durch die Tatsache widerlegt, dass der demokratische Präsident Barack Obama, genannt „Deporter-in-Chief“ (Chef-Abschieber), und seine damalige Außenministerin Hillary Clinton den Staatsstreich in Honduras verantworteten, der die Bevölkerung in solche Verzweiflung gestürzt hat, dass sich die Menschen in Massen zur Flucht entschließen, obwohl ihnen Tod, Verfolgung und US-Konzentrationslager drohen.
Nach dem Sturz von Zelaya versuchte die Obama-Regierung, den Anschein eines Bekenntnisses zur „Demokratie“ in Lateinamerika zu wahren. Sie war bestrebt, ihre militärische, geheimdienstliche und diplomatische Mittäterschaft zu vertuschen, indem sie die gewaltsame Absetzung von Zelaya öffentlich beklagte.
Die damalige Außenministerin Clinton weigerte sich jedoch, die Verschleppung und Abschiebung eines gewählten Präsidenten als „Staatsstreich“ zu bezeichnen. Denn in diesem Fall wäre die Obama-Regierung verpflichtet gewesen, die Hilfen für das Land einzustellen und die Beziehungen zum Putsch-Regime abzubrechen.
Außerdem versäumte es die US-Regierung, die Wiedereinsetzung von Zelaya zu fordern. Da rund 70 Prozent der honduranischen Exporteinnahmen sowie die Waffen und Hilfen, von denen das Militär abhängig war, aus den USA stammten, wäre die US-Regierung ohne Weiteres in der Lage gewesen, eine Rückkehr zur vorherigen Regierung zur erzwingen.
Bald stellte sich auch heraus, dass hochrangige US-Beamte mit den Militärkommandanten und rechten Politikern, die den Putsch kurz vor dem Sturz Zelaya organisierten, in Verbindung gestanden hatten.
Zelaya selbst war ein konservativer und wohlhabender bürgerlicher Politiker der Liberalen Partei von Honduras. Die Liberalen bildeten im Wechsel mit der nicht weniger rechtsgerichteten Nationalpartei eine Reihe von Regierungen, die von den USA und dem Militär gesteuert wurden. Allerdings zog Zelaya den Unmut Washingtons auf sich, als er sich von der sogenannten „rosa Flut“ erfassen ließ. Diese Bezeichnung steht für eine Reihe bürgerlich-nationalistischer Regierungen in Lateinamerika, die dank steigender Rohstoffpreise und des zunehmenden wirtschaftlichen Einflusses Chinas in der Region als Populisten auftreten und Unabhängigkeit vom US-Imperialismus vorspiegeln konnten.
Was Zelaya zu dieser Haltung veranlasste, waren unschwer zu erkennen: billige Öllieferungen und Kredite aus Venezuela. Der US-Imperialismus, der sieben Jahre zuvor versucht hatte, den venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez in einem halb zivilen, halb militärischen Staatsstreich zu stürzen, war jedoch entschlossen, keine mit Venezuela und Kuba verbündete Regierung in Honduras zu dulden.
Das mittelamerikanische Land diente lange Zeit als Stützpunkt für konterrevolutionäre Operationen der CIA in der Region, vom Sturz der Arbenz-Regierung in Guatemala 1954 bis hin zum Krieg der „Contras“ gegen die Regierung von Nicaragua in den 1980er Jahren. Die Bürgerkriege und Kriege gegen Aufständische, die der US-Imperialismus von Honduras aus führte, kosteten Hunderttausende das Leben. Honduras ist nach wie vor der Standort der größten US-Militärbasis Lateinamerikas in Soto Cano.
Am Putsch gegen Zelaya zu Zeiten Barack Obamas im Jahr 2009 war weitgehend dasselbe US-Personal beteiligt wie am Putsch gegen Chavez in Venezuela im Jahr 2002 unter George W. Bush. Hinter der heutigen Regimewechseloperation der Trump-Administration gegen die Regierung von Nicolas Maduro in Venezuela steht dieselbe politische Strategie.
Dieser klaren Kontinuität der Außenpolitik Washingtons liegt das Bestreben des US-Imperialismus zugrunde, den Niedergang seiner globalen Wirtschaftshegemonie mit militärischen Mitteln umzukehren, insbesondere in der Region, die er seit Langem als seinen „Hinterhof“ betrachtet. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Demokratische oder die Republikanische Partei den Präsidenten stellt.
Die honduranische Arbeiterklasse reagierte auf den Putsch von 2009 mit einem enormen Heroismus. Sie trotzte der brutalen Repression mit unaufhörlichen Demonstrationen und Streiks. Tausende wurden willkürlich eingesperrt, Demonstranten wurden erschossen und protestierende Frauen von Banden vergewaltigt. Todesschwadronen ermordeten Journalisten und Gegner des Putschregimes.
Washington ignorierte diese bestialische Brutalität, und die US-Leitmedien übergingen sie weitgehend mit Schweigen.
Zelaya seinerseits vertraute auf die pseudodemokratische Fassade der Obama-Administration und bat sie um Hilfe. Er ordnete sich und die Massenbewegung gegen den Putsch einer Reihe von Verhandlungen unter, die darauf abzielten, mit denen, die ihn gestürzt hatten, eine „Regierung der nationalen Einheit“ zu bilden.
Diese Verhandlungen führten zu nichts. Das rechte Putsch-Regime unter der Führung von Zelayas ehemaligem Verbündeten der Liberalen Partei, Roberto Micheletti, konnte die Verhandlungen bis zu manipulierten Wahlen im November 2009 hinauszögern, indem es die rechte Regierung von Porfirio „Pepe“ Lobo einsetzte. Auf diese Weise konnten Washington und der Weltimperialismus so tun, als habe es nie einen Putsch gegeben.
Trotz des Heroismus der honduranischen Arbeiter lenkte die Führung der Gewerkschaften und anderer Organisationen, die die Wiedereinsetzung Zelayas forderten, die Massenbewegung in eine politische Sackgasse. Daher war die Arbeiterklasse nicht in der Lage, der Kapitulation Zelayas und der Konsolidierung der Putschregierung unter Lobo entgegenzutreten.
Honduras befindet sich heute in der schwersten Krise seit dem Putsch vor zehn Jahren. Seit über einem Monat erschüttern Massenproteste und Streiks von Lehrern und Ärzten das Land. Sie richten sich gegen vom IWF diktierte Kürzungen und die drohende Privatisierung des Bildungs- und Gesundheitswesens. Schüler haben sich diesen Massenprotesten angeschlossen, besetzen ihre Schulen und stellen sich der Bereitschaftspolizei und den Truppen entgegen.
In ganz Honduras fanden anlässlich des Putschjubiläums Massendemonstrationen statt. Die Teilnehmer gedachten der Opfer, die es bei der Niederschlagung der Proteste gegen den Putsch gegeben hatte. 136 Menschen kamen damals ums Leben, 14 wurden von Todesschwadronen ermordet und 13 verschwanden. Viele weitere Menschen wurden seither getötet, allein vier bei den jüngsten Protesten.
Die Protestierenden fordern u.a. den Sturz der Regierung von Juan Orlando Hernández (JOH), dem korrupten Präsidenten und Statthalter des Internationalen Währungsfonds, der vom honduranischen Militär und den US-Marines an der Macht gehalten wird.
Diese Forderung wird auch von Zelaya, heute Vorsitzender der Partido Libertad y Refundación, erhoben, um innerhalb der herrschenden Oligarchie eine Einigung herbeizuführen und Unterstützung aus Washington zu erhalten.
Im Jahr 2009 erklärte die World Socialist Web Site, dass der Kampf der honduranischen Arbeiterklasse „zwei große politische Fiktionen als solche entlarvt“ habe: „Erstens die neue Ära von Nichteinmischung und gegenseitigem Respekt, die die Obama-Regierung in den Beziehungen zwischen den USA und Lateinamerika angeblich eingeläutet hat. Und die zweite ist, dass die nationalistischen oder populistischen bürgerlichen Regimes der Region, von Venezuelas Chavez bis zu Zelaya selbst, der Arbeiterklasse und den unterdrückten Massen einen Weg vorwärts böten.“
In einem weiteren Artikel warnte die WSWS davor, dass „Leute, die sich ‚Sozialisten‘ nennen und Illusionen in diesen Politiker verbreiten, die Arbeiterklasse entwaffnen und noch größere Niederlagen vorbereiten“.
Mit dem Wiederaufleben des Klassenkampfs gewinnen diese Lehren große Bedeutung. Arbeiter können ihre Rechte nur verteidigen, wenn sie bewusst mit allen Formen des bürgerlichen und kleinbürgerlichen Nationalismus brechen. Denn er ist ein Instrument, das nicht dazu dient, den Klassenkampf zu führen, sondern dazu, ihn zu unterdrücken.
Die Arbeiterklasse in Honduras muss politisch neu bewaffnet werden und sich und mit Arbeitern in ganz Mittelamerika, den Vereinigten Staaten und der gesamten Hemisphäre zu einem gemeinsamen Kampf gegen kapitalistische Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg vereinen. Dazu müssen Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale aufgebaut werden.