Trotz heftiger Proteste der Studierenden setzten sich am 5. April Politiker aller Parteien, darunter auch Die Linke, gemeinsam mit Jörg Meuthen aufs Podium der Frankfurter Fachhochschule. Dem AfD-Führer hatte die Polizei zuvor buchstäblich den Weg freigeprügelt.
Gegen die Einladung der AfD an die ehemalige Fachhochschule, heute University of Applied Sciences (UAS), protestierten mehrere hundert Studierende. Meuthen ist Bundesvorsitzender und Europaabgeordneter der rechtsradikalen AfD, und schon als der Plan einer solchen Podiumsdiskussion zur Europawahl bekannt wurde, hatten die Studierenden in einem offenen Brief an die Schulleitung dagegen protestiert.
Ihre Forderung lautete, Jörg Meuthen von der Gästeliste zu streichen. Uni-Präsident Frank Dievernich bestand jedoch darauf, auch die AfD einzuladen. Am Veranstaltungstag besetzte dann eine Gruppe von 16 Studierenden das Audimax, in dem die Podiumsdiskussion vorbereitet wurde. Die Uni-Leitung rief die Polizei und ließ den Saal räumen.
Das Polizeiaufgebot war massiv und martialisch: Über hundert bis an die Zähne bewaffnete und behelmte Polizisten drangen ins Audimax ein und schleppten die Studierenden nach draußen. Einige Studenten, die ihre Personalien nicht gleich angeben wollten, wurden stundenlang in Gewahrsam festgehalten. Wie der Uni-Präsident den Medien erklärte, hat er gegen alle 16 Studierende Strafanzeige gestellt.
Das gesamte Gebäude wurde mit einem Kordon schwerbewaffneter Beamter umzingelt, und sämtliche Zugänge der Fachhochschule wurden mit jeweils mehreren Polizeiwagen besetzt. Wer sich dem Audimax näherte, wurde zwangsläufig daran erinnert, dass das dieselbe Polizei war, die erst vor kurzem durch ihre Neonazi-Netzwerke in die Schlagzeilen geraten war. Ein Teilnehmer der Besetzung berichtete: „Von uns ging keine Gewalt aus, aber die Polizei prügelte und ließ sogar Verletzte nicht in die Mensa durch.“
Zur Podiumsdiskussion wurden nur angemeldete Besucher zugelassen. Sie alle mussten den Polizeikordon passieren und ihre Personalien am Eingang abgeben.
Entlang der Schlange, die auf Einlass wartete, hatten Studierende Protestplakate an einer Wäscheleine aufgehängt. „Wir könnt ihr die nur reden lassen?“ stand auf einem der Plakate. „Unser Ziel ist es, die Veranstaltung ohne die AfD – oder gar nicht stattfinden zu lassen“, erklärte eine Studierende dazu. Aber kein einziger der geladenen Politiker ließ sich von dem gemeinsamen Auftritt mit Jörg Meuthen abhalten.
Während der AfD-Führer dann im Saal wie erwartet hemmungslos gegen den Zustrom von Flüchtlingen hetzen durfte, saß mit ihm auf dem Podium neben Nicola Beer (FDP), Sven Simon (CDU), Katarina Barley (SPD) und Terry Reintke (Die Grünen) auch Dietmar Bartsch, der Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke im Bundestag.
Dass sich Bartsch nicht mit den Studierenden solidarisierte, die gegen Meuthens Auftritt protestierten, sondern mit diesem auf einem Podium Platz nahm, das die Polizei vorher freigeprügelt hatte, zeigt unmissverständlich, auf welcher Seite die Linkspartei steht. Sie trägt ganz selbstverständlich dazu bei, der AfD für ihren rechtsradikalen Schmutz eine Plattform zu verschaffen. Auf Twitter lautete der einzige Kommentar von Bartsch: „So voll ist der Hörsaal sonst sicher nie.“
Im Innenhof versammelten sich derweil mehrere hundert Studierende zum Protest gegen das rabiate Vorgehen. „Wir sind erschüttert, dass die Hochschulleitung gegen uns eine derartige Polizeigewalt auffahren lässt“, erklärte ein Initiator des Protests. „Die Aktion der Studierenden war als friedliche Demonstration geplant“, fuhr er fort. „Wir wollten nur erreichen, was die Studierendenschaft schon seit Wochen gefordert hatte: dass die AfD ausgeladen wird. Die AfD gehört nicht an die Hochschule.“
Etwa 400 Studierende und Unterstützer beteiligten sich im Lauf des Nachmittags an dem Protest. Am Stand der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) sagte einer: „Wenn wir jetzt nicht damit anfangen, über die Hintergründe und Strukturen, in denen wir leben, nachzudenken, dann haben wir aus dem Faschismus wirklich nichts gelernt.“
„Natürlich sind wir als Studierende für den demokratischen Diskurs“, erklärte Maike Reichartz, Studierendenvertreterin der Fachschaft Soziale Arbeit an der UAS. „Eine rechtsradikale politische Wahlwerbung hat aber mit wissenschaftlichem Diskurs nichts zu tun.“ Ihre Initiative habe die Unterstützung zahlreicher Studierenden gewonnen, „aber auch von Hochschulmitarbeitern und Lehrenden“, wie sie bestätigte.
UAS-Präsident Frank Dievernich hatte behauptet, die AfD sei eine „demokratisch gewählte Partei“, und es sei eine Frage des „demokratischen Diskurses“, alle im Bundestag vertretenen Parteien einzuladen. Allerdings ging es überhaupt nicht um den Bundestag, sondern um die Europawahlen. Noch wichtiger ist jedoch die Tatsache, dass es sich bei der AfD eben nicht einfach eine „demokratisch gewählte Partei“ handelt: Die AfD wird seit Jahren zielstrebig von Staat, Politik und Medien gefördert und aufgebaut. Dass sie von höchster staatlicher Stelle verteidigt und beschützt wird, konnte man gerade in Frankfurt wieder anschaulich sehen.
Die AfD ist über rechtsradikale Seilschaften zutiefst in den staatlichen Behörden, der Bundeswehr, der Polizei und dem Geheimdienst integriert. Dies wurde spätestens bekannt, als letztes Jahr in Chemnitz der damalige Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen Partei für die Nazi-Ausschreitungen ergriff, und als Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) öffentlich erklärte, wäre er nicht Minister, so wäre er mitmarschiert.
Die SGP präsentierte an der Fachhochschule ihr Buch „Warum sind sie wieder da“; darin zeigt der stellvertretende SGP-Vorsitzende Christoph Vandreier anschaulich auf, dass das Wiederaufleben des Faschismus mit einer scharfen Rechtswende in der Politik, der Rückkehr des deutschen Militarismus und dem Aufbau eines Polizeistaats im Innern einhergeht. Diese reaktionäre Politik wäre nicht denkbar ohne eine reaktionäre Offensive an Universitäten, getragen von Geschichtsfälschern und rechten Professoren wie zum Beispiel Jörg Baberowski („Hitler war nicht grausam“).
Die Studierenden der Frankfurter UAS, die am Freitag gegen die AfD protestierten, sind selbst Teil einer wachsenden Bewegung unter Jugendlichen und Arbeitern gegen diesen Rechtskurs an Schulen und Universitäten. Wie es in Vandreiers Buch heißt: „Die AfD verfügt weder über eine massenhafte Anhängerschaft noch über schlagkräftige Einheiten wie einst die SA… Die Stärke der AfD ergibt sich ausschließlich aus der Unterstützung, die sie von Parteien, Medien, der Regierung und dem Staatsapparat erhält.“
Der wachsende Widerstand benötigt jedoch eine gangbare Perspektive: Das kann nur der Aufbau einer neuen Arbeiterbewegung auf sozialistischer und internationaler Grundlage sein. Wer glaubt, den Kampf gegen rechts gemeinsam mit den so genannt „demokratischen“ etablierten Parteien führen zu können, ist definitiv auf dem Holzweg.
Nicht nur CDU/CSU und FDP, auch SPD, Grüne und Linke arbeiten eng und tagtäglich mit der AfD zusammen. Diese Parteien gehen selbst im Bereich der Flüchtlings-, der Innen- und der Außenpolitik mehr und mehr auf rechten AfD-Kurs über. Auch SPD, Grüne und Linkspartei schieben gnadenlos Flüchtlinge ab, bauen den Polizeistaat in allen Ländern systematisch auf und akzeptieren das Vordringen rechtsradikaler Geschichtsfälscher an den Universitäten.
In Hamburg schiebt eine SPD-Grüne Landesregierung geflüchtete Menschen sogar im Ambulanzflieger ab. In Thüringen lässt die Landesregierung aus Linkspartei, Grünen und SPD unter Bodo Ramelow (Die Linke) eine AfD-kritische Künstlergruppe durch die Staatsanwaltschaft als „kriminelle Vereinigung“ verfolgen. In Berlin hat der rot-rot-grüne Senat vor kurzem ein Fest der Seebrücke und von SeaWatch im Club „Mensch Meier“ durch Polizei im Gestapo-Stil überfallen lassen.
Und in Frankfurt und Hessen halten alle Parteien ihre schützende Hand über das Nazinetzwerk in der Polizei, das die Anwältin Seda Başay-Yıldız mit den NSU2.0-Faxen terrorisiert. Wie die Hessenschau am gleichen Freitagabend, an dem die Versammlung mit der AfD stattgefunden hatte, berichtet hat, geht die hessische Landesregierung sogar soweit, einen jungen Mann nach Albanien auszuweisen, dem beide Beine fehlen!
Dies alles sind Gründe, warum es nötig ist, die Sozialistische Gleichheitspartei aufzubauen. Sie kämpft nicht nur gegen die Rückkehr des Faschismus, sondern gegen das gesamte kapitalistische Profitsystem, das ihm zugrunde liegt. Der Propaganda von der „demokratischen“ Europäischen Union, die die Sprecher im Audimax an diesem Tag hochhielten, setzt die SGP die Perspektive der Vereinigten Sozialistischen von Europa entgegen.