Perspektive

Zwanzig Jahre seit der NATO-Bombardierung Jugoslawiens

Am 24. März vor 20 Jahren begannen die USA und die NATO einen einseitigen Krieg gegen Jugoslawien, in dem sie Serbien und dessen Hauptstadt Belgrad 78 Tage lang bombardierten. Fabriken, Schulen und Krankenhäuser wurden in Schutt und Asche gelegt. Brücken, Straßen und das Stromnetz wurden zerstört, um die Herrschaft des US-amerikanischen und westeuropäischen Imperialismus auf dem Balkan durchzusetzen und die serbische Bevölkerung zu unterwerfen.

Bei den Luftangriffen starben rund 2.500 Menschen. Weitere 12.500 wurden nach serbischen Schätzungen verwundet.

Einer der Luftangriffe mit lasergesteuerten Bomben traf eine Eisenbahnbrücke in Südserbien. Mindestens zehn Insassen eines Personenzugs starben. Einem Angriff auf ein Pflegeheim fielen 21 Menschen zum Opfer. Und ein gezielter Bombenabwurf auf den Fernsehsender RTS in Belgrad kostete 16 Zivilisten das Leben.

In einer besonders provokanten Kampfhandlung beschossen die USA die chinesische Botschaft in Belgrad und töteten dabei drei Menschen. Washington bezeichnete die Bombardierung als „Versehen“, aber Peking und die chinesische Bevölkerung fassten sie zu Recht als einen Akt der Aggression auf, der eine eskalierende militärische Aufrüstung der USA gegen China ankündigte.

Die „Operation Noble Anvil“, wie die Bombenkampagne genannt wurde, erfolgte ohne Zustimmung der Vereinten Nationen, nachdem Serbiens Präsident Slobodan Milosevic sich geweigert hatte, das so genannte Rambouillet-Abkommen zu unterzeichnen. Dabei handelte es sich um ein Ultimatum der USA und der NATO an Belgrad, zu akzeptieren, dass NATO-Truppen die Provinz Kosovo besetzen und in ganz Jugoslawien nach freiem Ermessen agieren dürfen. Sogar der erfahrene imperialistische Kriegsverbrecher Henry Kissinger räumte ein, dass dieses Abkommen „eine Provokation, eine Rechtfertigung für den Beginn der Bombardierung“ war.

Der Krieg bildete das letzte Kapitel der imperialistischen Zerstückelung Jugoslawiens, eines Landes, das seit 1918 existierte. Nachdem die großen imperialistischen Mächte der jugoslawischen Wirtschaft den Boden unter den Füßen entzogen hatten, schürten sie Feindseligkeiten zwischen den Bevölkerungsgruppen des Landes. An die Spitze dieser nationalistischen Kampagne stellten sich die ehemaligen stalinistischen Bürokraten, die auf diese Weise ihre Schäfchen ins Trockene bringen wollten. Serben, Muslime und Kroaten wurden gegeneinander gehetzt, und Jugoslawien wurde zum Testgelände für militärische Interventionen und eine neue Generation so genannter „präzisionsgelenkter Munition“.

Der wesentliche Vorläufer dieses Kriegs war die Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie in Moskau. Während des Kalten Krieges hatten Washington und seine NATO-Verbündeten die Einheit Jugoslawiens als Gegengewicht zum Einfluss der UdSSR in den Ländern südlich der sowjetischen Grenze unterstützt. Aber als die von der Bürokratie betriebene Politik der kapitalistischen Restauration in der Auflösung der Sowjetunion gipfelte, begannen die imperialistischen Mächte einen brutalen und letztlich katastrophalen Kampf um den Balkan.

Deutschland unternahm den ersten Schritt, indem es die Republiken Slowenien und Kroatien als unabhängige Staaten anerkannte. Damit ließ es nach der Wiedervereinigung 1990 erstmals seine Muskeln als imperialistische Macht in Europa spielen. Washington stellte sich diesem Schritt zunächst entgegen, stürzte sich aber später selbst in die Aufteilung, indem es Bosnien-Herzegowina als unabhängige „Nation“ mit Anspruch auf einen eigenen Staat anerkannte. Dies bildete die Grundlage für einen blutigen Konflikt zwischen den drei Bevölkerungsgruppen der Muslime, Serben und Kroaten, mit dem der imperialistischen Intervention der Weg geebnet wurde.

Hinter dem Krieg um den Kosovo stand das Ziel, Serbien als stärkste Macht in der Region auszuschalten, um die Hegemonie von USA und NATO zu festigen.

Der Krieg wurde von Präsident Bill Clinton (Demokraten) unter dem völlig unglaubwürdigen Banner der „humanitären Intervention“ begonnen. Er behauptete, die USA und ihre Verbündeten würden eingreifen, um ein Massaker an der albanischen Bevölkerungsgruppe des Kosovo durch die serbischen Sicherheitskräfte zu verhindern.

Washington und seine imperialistischen Verbündeten in Europa, unterstützt von einer völlig willfährigen kapitalistischen Presse, brandmarkten den serbischen Führer Milosevic als neuen „Hitler“ und das serbische Volk als „Nazis“, indem sie die Repression im Kosovo mit dem Holocaust verglichen.

Die damalige Behauptung, dass 100.000 Albaner abgeschlachtet worden seien, wurde in der Folgezeit widerlegt. Die tatsächliche Zahl der Todesopfer im Kosovo, bevor es Bomben der USA und der NATO regnete, wurde nach dem Krieg mit etwa 2000 ermittelt, wobei die Mehrheit der Morde auf das Konto der separatistischen Befreiungsarmee des Kosovo (UÇK) ging.

Die UÇK, die Washington zuvor als terroristische Organisation eingestuft hatte, wurde im Vorfeld des Krieges zur einzigen legitimen Vertretung der Bevölkerung des Kosovo erhoben. Ihre engen Verbindungen zur organisierten Kriminalität in ganz Europa sowie zur Al-Kaida wurden unter den Teppich gekehrt. Die CIA überschüttete die Gruppe mit Geld und Waffen, und die UÇK verübte Bombenanschläge und Morde an der serbischen Bevölkerung. Sie war in enger Zusammenarbeit mit ihren US-Sponsoren bestrebt, so viel Gewalt und Tod wie möglich zu verbreiten, um den Weg zur westlichen Intervention zu ebnen.

In den letzten zwanzig Jahren hat der ehemalige Chef der UÇK, Hashim Thaçi (der von der US-Regierung zum „George Washington des Kosovo“ proklamiert wurde), eine Reihe von Regierungen angeführt. Die Kontrolle über die Wirtschaft des winzigen Binnenstaats lag jedoch in den Händen von Beamten der Europäischen Union, und sein Gebiet ist bis heute von 4.000 NATO-Soldaten besetzt.

Thaçi wurde in zahlreichen Ermittlungen als Leiter einer kriminellen Organisation entlarvt, die Drogenhandel und Prostitution betreibt. Zudem handelt sie mit menschlichen Organen, die serbischen Häftlingen entnommen werden. Washington und die EU haben wiederholt interveniert, um zu verhindern, dass er wegen Kriegsverbrechen und anderen kriminellen Aktivitäten verfolgt wird.

Die angeblich „humanitäre“ Intervention gegen eine „ethnische Säuberung“ hat in Wirklichkeit selbst zu riesigen ethnischen Säuberungen geführt. Zwei Drittel der 120.000 Roma und Aschkali sowie viele Tausend Serben wurden aus dem Kosovo vertrieben.

Obwohl der Kosovo der größte Pro-Kopf-Empfänger von Auslandshilfe weltweit ist, bleibt er mit einer offiziellen Arbeitslosenquote von 30 Prozent (55 Prozent bei Jugendlichen) und Löhnen von durchschnittlich nur 288 Euro im Monat das ärmste Gebiet Europas. Bei all ihrem Reichtum und ihrer militärischen Stärke haben der US-amerikanische und deutsche Imperialismus nichts weiter geschaffen als einen weiteren gescheiterten Staat und eine von einer Mafia kontrollierte Regierung.

Keine der Wunden, die dem ehemaligen Jugoslawien durch die imperialistische Intervention zugefügt wurden, ist verheilt. Der Balkan bleibt ein Pulverfass, das jederzeit in Brand gesteckt werden und – wie im 20. Jahrhundert – einen größeren Krieg auslösen kann, in den Großmächte einbezogen werden.

Eines der politisch bedeutsamsten Merkmale des Kosovo-Krieges 1999 war die schamlose Unterstützung der Bombardierung Serbiens durch ehemalige Gegner der amerikanischen Intervention in Vietnam und selbsternannte Sozialisten in Europa und Amerika. Diese aufkommende Pseudolinke, deren soziale Basis in den privilegierten Schichten der Mittelschicht besteht, sollte den Imperialismus später bei ähnlichen blutigen „humanitären“ Regimewechseloperationen in Libyen und Syrien unterstützen.

Die World Socialist Web Site und das Internationale Komitee der Vierten Internationale lehnten diese reaktionäre Haltung von Anfang an ab. Wir verurteilten den Angriff auf Jugoslawien als imperialistischen Krieg, mit dem das Machtvakuum, das die Auflösung der Sowjetunion hinterlassen hatte, im Zuge einer Neuaufteilung der Gebiete Osteuropas und Zentralasiens von den USA und Westeuropa gefüllt werden sollte.

Im Juni 1999, nachdem Belgrad durch die Dauerbombardierung gezwungen worden war, die serbischen Sicherheitskräfte aus dem Kosovo abzuziehen und den Weg zur Besetzung durch die USA und die NATO zu ebnen, veröffentlichte die World Socialist Web Site eine Erklärung mit dem Titel Nach der Schlächterei: Politische Lehren aus dem Balkankrieg. Darin warnte David North, der Leiter der WSWS und Vorsitzende der Socialist Equality Party (US): „Die Bombardierung Jugoslawiens enthüllte die wahren Beziehungen zwischen dem Imperialismus und kleinen Nationen.“

Weiter hieß es: Die großen Anklagen gegen den Imperialismus, die in den Anfangsjahren des zwanzigsten Jahrhunderts – von Hobson, Lenin, Luxemburg und Hilferding – verfasst wurden, lesen sich wie zeitgenössische Dokumente. In ökonomischer Hinsicht sind die kleinen Nationen den Kreditinstituten und Finanzinstitutionen der großen imperialistischen Mächte ausgeliefert. In politischer Hinsicht setzen sie sich mit jedem Versuch, unabhängige Interessen anzumelden, der Gefahr fürchterlicher militärischer Rache aus. Immer häufiger wird kleinen Staaten die nationale Souveränität aberkannt; sie werden gezwungen eine ausländische Militärbesatzung hinzunehmen und sich Herrschaftsformen zu unterwerfen, die im wesentlichen kolonialen Charakter tragen.“

Die Vorstellung hinter dem Kult um die computergesteuerten Präzisionswaffen – dass ein „sauberer“ Krieg ohne Opfer der Aggressoren möglich sei – ignorierte die grundlegenderen ökonomischen Entwicklungstendenzen. Die Vereinigten Staaten verfügten über einen „Wettbewerbsvorteil“ in der Waffenbranche. „Doch weder dieser Vorteil noch die Produkte dieser Industrie können ihnen die Weltherrschaft sichern. Ungeachtet ihres ausgefeilten Waffenarsenals basiert die vorherrschende Rolle der USA im Weltkapitalismus heute auf einer weitaus dürftigeren finanziellen und industriellen Grundlage, als vor 50 Jahren.“

Diese Prognose hat sich zwei Jahrzehnte später als richtig erwiesen. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert versucht die herrschende Klasse in den USA, ihre globale Vorherrschaft durch den Einsatz militärischer Gewalt aufrechtzuerhalten. Das Ergebnis war eine Serie von Misserfolgen – in Afghanistan, im Irak, in Libyen und Syrien und im Kosovo –, mit denen die Krise des globalen Systems lediglich verschärft wurde und die Grenzen der amerikanischen Militärmacht deutlich wurden.

Dem Krieg von USA und NATO im Kosovo folgte die Osterweiterung der NATO, durch die westliche Truppen bis an die Grenze zu Russland vorrückten. Heute spielt Washington zwar gelegentlich noch die „humanitäre“ Karte, hat aber mittlerweile den „Krieg gegen den Terror“ als Begründung für den globalen US-Militarismus aufgegeben und sich stattdessen die Strategie der „Großmachtkonflikte“ zu eigen gemacht. Damit bekennen sich die USA offen zur Vorbereitung auf Kriege gegen die Atommächte Russland und China sowie auf mögliche Herausforderungen durch ihre früheren Verbündeten in Europa und Asien.

Die destruktive Politik des US-Imperialismus treibt die sozialen Spannungen und den Klassenkampf weltweit auf die Spitze – auch im Kosovo, wo es jüngst zu einer Streikwelle gegen die erbärmliche Lage der Arbeiterklasse kam, und auch in den Vereinigten Staaten selbst. Diese entstehende Bewegung der internationalen Arbeiterklasse birgt die einzige erfolgversprechende Antwort auf die wachsende Gefahr militärischer Konflikte auf der ganzen Welt, die einen neuen Weltkrieg auslösen können. Die entscheidende Lehre aus dem Kosovo-Krieg und den folgenden Kriegen ist die Notwendigkeit, eine internationale, sozialistische Antikriegsbewegung auf der Grundlage der Arbeiterklasse aufzubauen.

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