US-Putschversuch: Venezuela droht Invasion oder Bürgerkrieg

Die Regimewechsel-Operation, die in Venezuela mit Unterstützung der USA vor sich geht, verschärft die Spannungen in dem Land und erhöht die Gefahr eines Bürgerkriegs oder einer regelrechten US-Invasion.

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro und Juan Guaidó, ein Führer der rechten Partei Voluntad Popular (Volkswille) und Präsident der Nationalversammlung, sprachen am Freitag gleichzeitig an verschiedenen Orten in Caracas. Guaidó hatte sich am 23. Januar zum „Interimspräsidenten“ des Landes erklärt, und die USA hatten ihn sofort anerkannt.

Maduro erklärte am Freitag auf einer Pressekonferenz im Präsidentenpalast Miraflores, dass seine Regierung mit einem „fortschreitenden Staatsstreich“ konfrontiert sei, der von den Vereinigten Staaten von Nordamerika gefördert und finanziert werde. Er beschuldigte Guaidó, eine Marionette Washingtons zu sein, die ohne das US State Department keine Entscheidung treffen könne.

Er gab bekannt, dass Guaidó am Vorabend seiner Selbsternennung zum „Präsidenten“ mit zwei führenden Regierungsvertretern zusammengetroffen sei, um die Aufnahme eines Dialogs zu diskutieren. Einer von ihnen sei Diosdado Cabello, ein ehemaliger Militäroffizier und Führer der regierenden PSUV-Partei, der als Rivale Maduros im Lager der Chavistas gilt.

Guaidó hatte ein solches Treffen abgestritten, aber die Regierung veröffentlichte am Freitag ein Video, das ihn und Cabello beim Betreten ihres Treffpunkts zeigte.

Maduro wiederholte den Aufruf zu einem Dialog, sowohl mit den Vereinigten Staaten als auch mit Guaidó, und erklärte erneut, dass der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Washington Venezuela nicht daran hindern werde, Öl an die USA zu verkaufen. Diese Verkäufe machen 75 Prozent der Barmittel aus, die Venezuela für Rohöllieferungen erhält.

US-Beamte erwägen derzeit offenbar Sanktionen gegen den Ölsektor, die den Effekt hätten, „die Wirtschaft zum Quietschen zu bringen“. Denselben Terminus hatte die Nixon-Regierung schon 1973 verwendet, als die USA den faschistisch-militärischen Staatsstreich in Chile mit wirtschaftlicher Destabilisierung vorbereitete.

Guaidó seinerseits hielt bei einer Kundgebung im Osten von Caracas eine Rede, bei der er jeden Dialog mit der jetzigen Regierung ausschloss und ankündigte, dass nächste Woche Demonstrationen gegen sie stattfinden würden. Er forderte das Militär auf, ihn zu unterstützen und Maduro zu stürzen.

Dies ist das Hauptanliegen der venezolanischen Rechten und ihrer Hintermänner in den USA. Allerdings hat bisher das militärische Oberkommando keine Anzeichen dafür erkennen lassen, dass es die Regierung im Stich lassen werde. Die Regierungen von Maduro und seines Vorgängers, des verstorbenen Hugo Chávez, stützen sich weitgehend auf das Militär, das einen großen Teil der Ministerien leitet und die lukrativsten Behörden kontrolliert.

Unterdessen hat die US-Regierung ihre Offensive gegen die Regierung Maduro verstärkt. Der nationale Sicherheitsberater John Bolton kündigte an, dass die USA alle Vermögenswerte der venezolanischen Regierung in den USA an die so genannte „Übergangsregierung“ Guaidó umleiten werden. Dazu gehören Bankeinlagen und Immobilien der Citgo, der US-amerikanischen Raffineriegesellschaft, die der venezolanischen staatlichen Ölgesellschaft PDVSA gehört.

Das Finanzanalyse-Unternehmen S&P Global Platts zitierte Quellen aus dem Umfeld der rechten Opposition in Venezuela und gab bekannt, Guaidó bereite sich darauf vor, einen neuen Vorstand für Citgo zu ernennen und seine Vertreter in die USA zu entsenden, damit sie den Hauptsitz des Konzerns in Houston übernehmen könnten. Goldman Sachs erklärte, dass diese Coup-artige Übernahme im Zusammenhang mit einem neuen Energiegesetz stehe, welches eine direktere und umfassendere ausländische Ausbeutung der venezolanischen Ölressourcen ermöglichen soll.

Es ist kein Zufall, dass der „Interimspräsident“ von amerikanischen Gnaden als erstes eine derartige Aktion unternehmen will. Es geht darum, die Vorherrschaft von Energiekonzernen mit Sitz in den USA über die Ölvorkommen Venezuelas, die größten der Welt, wiederherzustellen. Das ist seit zwanzig Jahren das strategische Ziel, das alle demokratischen wie republikanischen US-Regierungen gleichermaßen verfolgen.

Inzwischen hat die Bank of England einen Versuch der venezolanischen Regierung verhindert, 1,2 Milliarden Dollar an Goldreserven aus ihren Tresoren zu entnehmen. Damit handelt die Bank of England in völliger Übereinstimmung mit den Forderungen aus Washington.

Ein weiteres wichtiges Ziel des US-orchestrierten Putsches besteht darin, den Einfluss Chinas und Russlands in Lateinamerika zurückzudrängen. Beide haben enge wirtschaftliche, politische und militärische Beziehungen zu Venezuela aufgebaut. Die Regimewechsel-Operation passt somit dazu, dass sich die US-Strategie in letzter Zeit auf Konflikte zwischen Großmächten vorbereitet. Dies birgt die Gefahr einer Konfrontation zwischen den größten Atommächten der Welt.

Nun behaupten die verschiedenen kapitalistischen Regierungen und bürgerlichen Medien, die Guaidó unterstützen und finanzieren, dass sein Sieg über Maduro eine Renaissance der venezolanischen „Demokratie“ einleiten werde. In Wirklichkeit hat Gaidós rechte Opposition in Venezuela keine breite Unterstützung, und mit den demokratischen Rechten der arbeitenden Bevölkerung hat sie nichts zu tun. Im Gegenteil würde ihr Aufstieg zur Macht mit großer Sicherheit ein Blutbad und die Einführung diktatorischer Herrschaftsformen mit sich bringen. Diese sind erforderlich, um das Diktat Washingtons und des internationalen Finanzkapitals durchzusetzen.

Es ist ein deutlicher Hinweis auf Washingtons wahre Absichten in Venezuela, dass US-Außenminister Mike Pompeo am Freitag Elliot Abrams zum Sonderbeauftragten der US-Regierung für Venezuela ernannt hat. Abrams, ein rechter Veteran der Regierungen Reagan und Bush, verkörpert die kriminelle, hinterhältige und rücksichtslose Politik des US-Imperialismus weltweit und vor allem in Lateinamerika.

Abrams war vor allem dafür bekannt, dass er die von den USA unterstützten Diktaturen in Mittelamerika in den 1980er Jahren verteidigt und ihre blutigen Massaker, Foltermorde und Attentate vertuscht hat. Im gleichen Zeitraum beteiligte er sich an der Schaffung eines geheimen und illegalen Netzwerks zur Finanzierung der terroristischen „Contras“, welche die CIA gegen Nicaragua einsetzte. Er wurde verurteilt, weil er den Kongress über diese illegale Operation belogen hatte, aber Präsident George H.W. Bush begnadigte ihn.

Die Regierung in Washington schafft Bedingungen für eine blutige Abrechnung in Venezuela, indem sie sich dem Befehl der venezolanischen Regierung widersetzt, innerhalb von 72 Stunden das gesamte diplomatische Corps aus dem Land abzuziehen. Diese Frist läuft am Sonntag ab. Während das Außenministerium die Evakuierung aller „nicht notwendigen“ Mitarbeiter aus dem Land angeordnet hat, lässt es eine Rumpfbesatzung von Diplomaten zurück, die als Faustpfand für eine mögliche militärische Intervention dienen sollen.

Bolton sagte am Freitag, dass die Trump-Administration Pläne zur Verteidigung der Botschaft entwickelt habe, aber er gab keine Details bekannt. Was die militärische Intervention in Venezuela betrifft, haben Trump und seine Helfer wiederholt erklärt: „Alle Optionen liegen auf dem Tisch.“ Die Washington Post berichtete am Freitag, dass sich das Pentagon weigere, Stellung zu allen Operationen in Bezug auf Venezuela zu nehmen oder die Position von Marineschiffen in der Nähe des Landes bekanntzugeben. Das Pentagon verweise alle Fragen an den Nationalen Sicherheitsrat, der jedoch auch jeden Kommentar ablehne.

Der anhaltende Staatsstreich in Venezuela ist keineswegs der erste derartige Versuch. Im Jahr 2002 unterstützten die CIA und das Pentagon einen gescheiterten Militärputsch, der von Teilen des Militärs und der herrschenden Finanzkreise inszeniert wurde. Auch der Gewerkschaftsbund, der mit dem AFL-CIO verbunden ist, unterstütze den Putschversuch. Präsident Hugo Chávez wurde für 48 Stunden aus dem Amt gedrängt, und Pedro Carmona, Präsident der venezolanischen Handelskammer, wurde als „Interimspräsident“ eingesetzt.

Damals konnte niemand behaupten, Chávez' Präsidentschaft sei „illegitim“, denn der Präsident war zwei Jahre zuvor mit einer Mehrheit von 60 Prozent wiedergewählt worden. Dennoch wurden in Washington der Staatsstreich und die Verhaftung des gewählten venezolanischen Präsidenten als Triumph für die „Demokratie“ dargestellt.

Die New York Times begrüßte diesen „demokratischen“ Staatsstreich mit wirklich Orwell’schen Worten, als sie schrieb, mit dem militärischen Sturz eines gewählten Präsidenten sei „die venezolanische Demokratie nicht mehr von einem Möchtegern-Diktator bedroht“. Als jedoch die Massen gegen den Putsch auf die Straße gingen, mussten sich Carmona und seine militärischen Handlanger zurückziehen, und Chávez kehrte in den Präsidentenpalast zurück.

Auch heute nimmt die Times sofort Stellung für den Staatsstreich in Venezuela, den sie mit einem Leitartikel mit dem Titel „Between Mr. Maduro and a Hard Place“ kommentiert. Die Zeitung verkörpert die Rechtswende des einstigen „liberalen“ Establishments, als dessen Sprachrohr sie dient. In ihrem Artikel kommt das Wort „Demokratie“ nicht vor.

Vielmehr geht es ihr um die konkreten Fragen der Durchführung eines erfolgreichen Regimewechsels. Ihr Hauptanliegen ist es, „wie man Maduro ohne Blutbad loswird“, und gleichzeitig muss sie zugeben, dass die Einsetzung eines von den USA unterstützten Präsidenten „die Aussicht auf ein schreckliches Blutbad einschließt, besonders wenn das Militär zu Maduro steht“, was bisher der Fall ist.

Dennoch solidarisiert sich die Redaktion der Times mit der imperialistischen Intervention. Sie schreibt: „Die Trump-Administration hat Recht, Guaidó zu unterstützen.“ Angesichts der langen und blutigen Bilanz von CIA-Umstürzen und von den USA unterstützten Diktaturen in der Region müsse Washington sich jedoch bemühen, „als Teil einer breiten Koalition südamerikanischer und anderer demokratischer Länder gesehen zu werden …“.

Mit anderen Worten, die USA sollen eine weitere „Koalition der Willigen“ eingehen, um die Tatsache zu verschleiern, dass in Venezuela (wie schon vor 16 Jahren im Irak) „Demokratie“ als „Öl“ buchstabiert wird.

Die Washington Post veröffentlichte einen ähnlichen Leitartikel, der die Salbung Guaidós, der Marionette des US-Außenministeriums, zum Präsidenten unterstützt. Sie nannte den 35-jährigen rechten Politiker „einen jungen und dynamischen neuen Führer“ (während die Times ihn als „frischen jungen Führer“ feierte).

Die Washington Post diskutiert das Szenario für eine direkte militärische Intervention der USA. „Wenn das Leben der Amerikaner nicht gefährdet ist und es keine andere Möglichkeit gibt, wäre eine militärische Intervention eine Torheit.“

Es liegt auf der Hand, dass die Missachtung des Befehls der venezolanischen Regierung, die US-Botschaft in Caracas zu räumen, die Grundlage für genau eine solche Behauptung schafft, dass „das Leben der Amerikaner gefährdet“ sei.

Es sei daran erinnert, dass die letzten beiden US-Invasionen in Amerika – Panama im Dezember 1989 und Grenada im Oktober 1983 – unter dem Vorwand durchgeführt wurden, das Leben von Amerikanern zu schützen.

Weiter heißt es: „Eine multilaterale Operation zur Lieferung humanitärer Güter nach Venezuela oder an seine Grenzen in Zusammenarbeit mit der Nationalversammlung ist eine Möglichkeit“, um Guaidó an die Macht zu bringen. Die Post kommt zu dem Schluss, dass die wichtigste Hoffnung auf einen Regimewechsel darin bestehe, dass „das Militär sich seinen Kommandanten widersetzt“. Es müsse Guaidó unterstützen, d.h. einen Staatsstreich vollziehen.

Die Führung der Demokratischen Partei stimmt mit diesen Ansichten weitgehend überein. Bisher hat sie die Trump-Regierung wegen angeblicher russischer „Einmischung“ erbittert bekämpft. Heute, da sich das Weiße Haus selbst in die inneren Angelegenheiten Venezuelas einmischt, ist sie zur Stelle.

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