Trotz strömenden Regens demonstrierten am Sonntag zehntausende Menschen in München gegen rechte Hetze, Staatsaufrüstung, Armut und Krieg. Die Teilnehmer hatten sich auf vier Plätzen versammelt und zusammen einen immer größer werdenden Demonstrationszug gebildet, der schließlich auf den Königsplatz führte, wo nach Angaben der Veranstalter über 50.000 Menschen zusammen kamen.
Zu der Demonstration unter dem Motto „ausgehetzt – Gemeinsam gegen die Politik der Angst“ hatten über 130 Initiativen und Organisationen aufgerufen. Zudem war sie von zahlreichen Prominenten wie den Kabarettisten Max Uthoff, Claus von Wagner und Urban Priol unterstützt worden. Auch die Münchener Kammerspiele und das Volkstheater hatten sich am Aufruf beteiligt.
Die Fraktion der CSU im Münchener Stadtrat wollte die Teilnahme der beiden Bühnen mit Verweis auf die Neutralitätsverpflichtung städtischer Institutionen verbieten lassen, konnte sich aber nicht durchsetzen. Die Partei hatte daraufhin am Samstag in ganz München Plakate aufhängen lassen, auf denen sie den Demonstranten mangelnden Anstand vorwarf.
SPD, Grüne und Linkspartei, die den Aufruf zur Demonstration mit unterzeichnet hatten, waren auf dem Protest kaum zu sehen. Es dominierten selbst gemalte Transparente, die oft nicht nur die CSU, sondern die rechte Politik sämtlicher Parteien angriffen: „Hetze und ertrinken lassen - ist das eure Leitkultur?“, „Seenotrettung ist kein Verbrechen“, aber auch „Keine Kriege in meinem Namen“ oder Slogans gegen die wachsende Überwachung waren zu finden.
Die Beteiligung an der Demonstration übertraf alle Erwartungen. Arbeiter, Studenten, Rentner, Ärzte und vor allem junge Leute waren gekommen, weil sie den Rechtsruck des politischen Establishments nicht mehr akzeptieren wollen. Sie zeigten deutlich, dass die Flüchtlingshetze, die Kriegspolitik und die Kürzungen in der Bevölkerung auf breite Ablehnung stoßen.
„Ich bin hier, weil ich der Meinung bin, dass es nicht illegal ist, Menschen zu retten, die bei ihrem Versuch zu flüchten ertrinken“, sagt eine Demonstrantin. „Und auch gegen das Polizeiaufgabengesetz protestiere ich heute.“ Das Gesetz trat am 25. Mai in Kraft und stattet Polizei und Justiz mit extrem umfassenden Befugnissen aus.
Tobias ist nicht nur wegen der CSU-Politik gekommen. „Es sind so viele Themen, die zusammenkommen“, sagt er. Die Flüchtlingskrise würde instrumentalisiert, um den Rechtsruck durchzusetzen. „Es wird so getan, als wenn wir überflutet wären, was meiner Meinung nach überhaupt nicht der Fall ist. Also lassen wir Leute einfach im Mittelmeer ersaufen. Natürlich ohne Rechtfertigung, eigentlich gegen alle Menschenrechte.“
Der 23 jährige Student Max ist auf die Demonstration gekommen, weil er die deutsche Innenpolitik längst nicht mehr aushalte. Das gelte für die Flüchtlingspolitik ebenso wie für die Sozialpolitik, sagt er. „Eigentlich sollte genug Geld vorhanden sein, wenn man die Wirtschaft anschaut. Aber es werden so mancherlei Ausgaben in Richtung Rüstung getätigt, die nicht nachvollziehbar sind und viel besser zum Wohl der Gesellschaft eingesetzt werden könnten.“
Oskar ist 17 und aus München-Großhadern zur Demonstration gekommen. Er reagierte besonders schockiert, als Innenminister Horst Seehofer (CSU) Witze über Abschiebungen gemacht hat. Aber auch die soziale Ungerechtigkeit und den Rechtsruck will er nicht länger akzeptieren. „Die Rechten schüren blödsinnige Angst vor Flüchtlingen, aber sie sprechen nicht über die Waffenexporte, die zur Flucht führen.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Die Frage der Aufrüstung und der Kriege im Nahen Osten ist für viele Teilnehmer ein Thema. Der 74 jährige Rentner Alexander ist eben deshalb zum Protest gekommen. „Deutschland muss sich raushalten aus dem Krieg, weil es immer um die Interessen von irgendjemandem geht, der an die Macht will“, sagt er. Er freut sich, dass sozialistische Positionen, etwa in den USA, wieder diskutiert würden.
Auf die Rolle von SPD, Grünen und Linkspartei angesprochen, reagierten viele Teilnehmer ablehnend. „Ich habe jedes Mal mehr Probleme, zur Wahl zu gehen. Habe mir mehrfach überlegt, nicht zu wählen, weil ich nicht weiß, wen ich wähle, weil sich alle angepasst haben und weil ich das nicht mehr für einen demokratischen Prozess halte“, sagt die Hausärztin Stephanie Regensburger.
In der Tat sind sämtliche im Bundestag vertretenen Parteien an der rechten Politik von Abschiebungen, Staatsaufrüstung und Krieg beteiligt. Gerade deshalb reagierten viele Demonstranten sehr positiv auf den Aufruf Flüchtlinge im Fahndungsnetz der EU, den Vertreter der Sozialistischen Gleichheitspartei auf der Demonstration verteilten.
Darin erklärt die Partei, dass das brutale Vorgehen gegen Flüchtlinge Ausdruck der tiefen Krise des Kapitalismus ist und sich gegen alle Arbeiter richtet.
„Diese kriminelle Politik der kapitalistischen Parteien steht in krassem Gegensatz zu den menschlichen Gefühlen der Arbeiter und Jugendlichen in der ganzen Welt“, heißt es weiter. „Die Aufgabe besteht nun darin, die menschliche und demokratische Einstellung der Arbeiter auf der ganzen Welt mit einem politischen Programm zu verbinden, das ihre sozialen Interessen zum Ausdruck bringt. Die Verteidigung von Einwanderern und Flüchtlingen auf der ganzen Welt muss mit der Opposition gegen Krieg, soziale Ungleichheit, sinkende Löhne und dem Angriff auf Sozialprogramme verbunden sein.“