In den letzten Monaten wurden mehr als 13.000 Flüchtlinge und Migranten, darunter auch schwangere Frauen und Kinder von algerischen Sicherheitskräften zu Gewaltmärschen durch die Sahara gezwungen. Viele von ihnen sind dabei an Hunger und Durst oder Hitze gestorben.
Dieser erschütternde Bericht von Associated Press wurde von Videos gestützt, auf denen zu sehen ist, wie sich hunderte Migranten durch einen Sandsturm kämpfen. Andere werden in langen Kolonnen von überfüllten Lastwagen an die südliche Grenze Algeriens zu Niger transportiert und von dort aus mit Waffengewalt in die Wüste getrieben.
AP sagt deutlich, dass die algerische Regierung diese mörderische Politik auf Geheiß der Europäischen Union ausführt. Diese haben die nordafrikanischen Regimes zunehmend unter Druck gesetzt, als Grenzwächter zu fungieren und die Migranten durch Einschüchterung, Gewalt und Mord aufzuhalten.
Die Flüchtlinge werden von den algerischen Sicherheitskräften ohne Nahrung oder Wasser in die Sahara getrieben, oft werden ihnen zuvor noch Geld und Handys abgenommen. Sie werden in Richtung der nächsten Siedlung in Niger geschickt, die mehr als vierzehn Kilometer entfernt liegt. Auf dem Weg dorthin müssen sie durch offene Sandwüste laufen, in der die Temperatur auf bis zu 50 Grad Celsius steigt.
Migranten erzählten AP, sie würden „zu hunderten auf einmal zusammengetrieben und in offene Lastwagen gepfercht, dann sechs bis acht Stunden zu einer Stelle fahren, die als Point Zero bekannt ist. Dort werden sie in der Wüste abgesetzt und angewiesen, nach Niger zu laufen. Manchmal werden sie dabei mit Schusswaffen bedroht.“
Zwei Dutzend Migranten, die die Grenzüberquerung überlebten, berichteten der Nachrichtenagentur, mehrere Mitglieder ihrer Gruppen hätten es nicht geschafft und seien in der Wüste gestorben. Janet Kamara aus Liberia, die trotz ihrer Schwangerschaft über die Grenze getrieben wurde, erzählte: „Frauen lagen tot da, Männer ... Andere verirrten sich in der Wüste, weil sie den Weg nicht kannten. Alle waren auf sich allein gestellt.“
Kamaras Baby starb bei der Geburt. Sie musste es in einem flachen Grab in der Wüste beerdigen. Sie sagte: „Ich habe mein Kind verloren, meinen Sohn.“
Die Aufmerksamkeit der internationalen Medien konzentriert sich auf die gefährliche Überfahrt von Nordafrika nach Südeuropa, die das Mittelmeer laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in ein Massengrab für zahllose tausend Menschen verwandelt hat. Doch für jeden Flüchtling, der im Meer ertrinkt, sterben zwei an der unerbittlichen Hitze und den brutalen Bedingungen in der Sahara. Schätzungen zufolge liegt die Zahl der Todesfälle in der Wüste seit 2014 bei über 30.000.
Die von Algerien ausgewiesenen Migranten kommen aus den Ländern südlich der Sahara, u.a. aus Niger, Mali, Gambia, Guinea, der Elfenbeinküste, dem Senegal und Liberia.
Alhoussan Adouwal, ein Vertreter der IOM in Assamaka (Niger), erklärte gegenüber AP: „Sie kommen zu Tausenden... So etwas habe ich noch nie erlebt. Es ist eine Katastrophe.“
Ein Sprecher der Europäischen Union erklärte gegenüber AP, die EU wisse davon, wie Algerien mit Flüchtlingen und Migranten umgeht. Allerdings vertrete sie die Ansicht, dass „souveräne Staaten“ solche Ausweisungen durchführen dürfen, solange sie sich an internationales Recht halten.
Diese Verbrechen an Flüchtlingen in der Sahara wurden kurz vor dem Gipfeltreffen am Donnerstag bekannt, bei dem die EU-Mitgliedsstaaten über das Thema Immigration diskutieren werden.
Im Vorfeld des Gipfels hatte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini die EU-Mitgliedsstaaten aufgefordert, mehr Geld in einen Treuhandfonds für Afrika einzuzahlen, der hauptsächlich dem Bau von „Überprüfungslagern“ für Migranten in Nordafrika dient. Eines der wichtigsten Themen bei dem EU-Gipfel war der Vorschlag, Asylsuchende in solchen Lagern in Algerien, Ägypten, Libyen, Marokko, Niger, Tunesien und anderen Ländern einzusperren.
Am Montag war Matteo Salvini, Parteichef der rechtsradikalen, rassistischen Lega und neuer italienischer Innenminister, nach Tripolis geflogen, um das libysche Regime für seine „hervorragende Arbeit“ bei der „Rettung“ von fast 1.000 Menschen zu loben, die am Sonntag von der Küstenwache abgefangen wurden. Die Küstenwache wird von Italien und den anderen europäischen Mächten finanziert, ausgebildet und in begrenztem Ausmaß geleitet. Ihre Aufgabe ist es nicht, Flüchtlinge zu retten, die nach Europa wollen, sondern sie nach Libyen zurückzudrängen. Dort droht ihnen die Inhaftierung in Lagern, in denen Folter und Hinrichtungen an der Tagesordnung sind und wo sie sogar als Sklaven verkauft werden.
Salvini erklärte, Italien arbeite mit dem von den UN anerkannten Regime zusammen, um eine „groß angelegte Invasion“ der libyschen Gewässer durch Hilfsgruppen zu verhindern, die Flüchtlinge auf See retten wollen. Das Regime in Tripolis kontrolliert jedoch kaum mehr als das Gebiet um die Hauptstadt. Er forderte außerdem Haftzentren für Migranten in der Sahara an der libyschen Südgrenze.
Salvini ist mittlerweile dafür berüchtigt, dass er Rettungsschiffen mit Flüchtlingen an Bord das Anlegen in italienischen Häfen verbietet. Anfang des Monats hatte er die Aquarius mit 600 Flüchtlingen an Bord, darunter schwangeren Frauen und Kindern, abgewiesen. Das Schiff musste daraufhin die gefährliche Reise nach Spanien unternehmen. Momentan treiben zwei Schiffe mit hunderten Flüchtlingen ziellos im Mittelmeer, das eine davon gehört der deutschen Hilfsorganisation Mission Lifeline und hat 234 Flüchtlinge an Bord; bei dem anderen handelt es sich um den dänischen Frachter Alexander Maersk mit 100 Flüchtlingen an Bord. Salvini hatte die Flüchtlinge letzte Woche als „Menschenfleisch“ bezeichnet und damit gezeigt, wie rassistisch und reaktionär die neue italienische Regierung ist.
Die neue PSOE-Regierung in Spanien, die der Aquarius die Erlaubnis zum Anlegen gegeben und das Verhalten Italiens verurteilt hatte, schickte ihren eigenen Innenminister Fernando Grande-Marlaska nach Marokko. Er hat einen ähnlichen Auftrag wie Salvini in Libyen: er soll die Zusammenarbeit beim Bau von Internierungslagern für Migranten sicherstellen.
Der neue spanische Entwicklungsminister Jose Luis Abalos erklärte dem Radiosender Cadena Ser, Spanien habe zwar eine „respektvolle humanitäre Haltung“ gegenüber dem Schicksal der Flüchtlinge, allerdings nicht die Absicht, „Europas Seenotrettungsorganisation“ zu werden.
Menschenrechtsorganisationen haben davor gewarnt, dass Flüchtlinge misshandelt und um ihr Asylrecht betrogen werden, wenn man sie in Lagern in Libyen, Ägypten oder anderen nordafrikanischen Ländern einsperrt, die für massive Menschenrechtsverletzungen bekannt sind. Der EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos, der eine zentrale Rolle bei den Plänen für die Gründung dieser Zentren spielt, erklärte letzte Woche in Reaktion auf diese Bedenken: „Ich möchte eindeutig klarstellen, dass ich gegen ein Guantanamo Bay für Migranten bin.“ Er bezieht sich damit auf das Gefangenenlager Guantanamo Bay der US-Navy, in denen die Gefangenen aus dem „Krieg gegen den Terror“ systematisch gefoltert wurden.
In Europa und den USA, wo Präsident Donald Trump die Absicht äußert, Flüchtlinge aus Mittelamerika ohne jedes Asylverfahren in die Wüste zurückzutreiben und dort auszusetzen, ist die Zahl der Flüchtlinge und Migranten zuletzt stetig zurückgegangen. Gleichzeitig hat sich die politische Hysterie, die von den rechten Regierungen und Politikern geschürt wird, enorm verschärft.
Laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk werden dieses Jahr nur halb so viele Migranten das europäische Festland erreichen wie letztes Jahr, und ein Viertel weniger als im Jahr 2016.
Die „Einwanderungskrise“ in Europa und Amerika ist eine abstoßende politische Erfindung. Sie soll die Arbeiterklasse spalten und die am stärksten unterdrückten Schichten der Bevölkerung und die Opfer imperialistischer Kriege und Unterdrückung zu Sündenböcken für die ständige Verschlechterung der Lebensbedingungen durch den Kapitalismus machen.