Perspektive

Die Belagerung von Hodeidah: Washingtons Kriegsverbrechen im Jemen

Seit Mittwoch steht die jemenitische Hafenstadt Hodeidah im Roten Meer unter Belagerung der Streitkräfte Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen ist das Leben von etwa einer Viertelmillion Menschen in der überfüllten Stadt unmittelbar bedroht. Gleichzeitig gefährdet die Belagerung durch die Ausbreitung von Hunger und Seuchen Millionen Menschenleben im ganzen Land.

In einem Land, das fast vollständig von Importen abhängt, ist der Hafen von Hodeidah für mindestens 70 Prozent der Bevölkerung die wichtigste Lebensader für Nahrung, Treibstoff und Medikamente. Somit besteht das Hauptziel der Angreifer darin, den Zivilisten massenhaftes Leid zuzufügen und das verarmte jemenitische Volk völlig zu unterwerfen.

Die Schlacht um die Stadt wird die blutigste seit Beginn des Krieges sein. Hodeidah ist mit seinen 400.000 bis 600.000 Einwohnern das am dichtesten besiedelte Stadtgebiet des Jemen.

Der Krieg Saudi-Arabiens gegen die jemenitische Bevölkerung hat im März 2015 mit dem Ziel begonnen, die Herrschaft der Huthi-Rebellen zu stürzen und das Marionettenregime von Riad und Washington unter Führung von Abd Rabbuh Mansur Hadi wiederherzustellen.

In den etwas mehr als drei Jahren seit Kriegsbeginn wurden mindestens 13.000 Menschen getötet, wobei die überwiegende Mehrheit davon zivile Opfer saudischer Luftangriffe waren. Gleichzeitig verhängte Saudi-Arabien eine Blockade gegen Nahrungsmittel und Medikamente und zerstörte wichtige Infrastruktur, wodurch in Wirklichkeit erheblich mehr Menschen getötet wurden.

Allein im vergangenen Jahr verhungerten nach Angaben der Hilfsorganisation Save the Children rund 50.000 jemenitische Kinder – das sind in jeder Woche rund tausend Kinder! Eine Million Jemeniten sind mit Cholera infiziert, einer Epidemie, an der bisher fast 2.500 Menschen starben. Im Rahmen der Vorbereitungen für die Hodeidah-Offensive bombardierten saudische Kampfflugzeuge eine Cholera-Klinik der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen.

Dieser totale Krieg gegen eine ganze Bevölkerung, der an die Kriege erinnert, die Hitlers Drittes Reich vor 75 Jahren führte, wäre gar nicht möglich ohne die andauernde Unterstützung des US-Imperialismus. Er hat diesen Krieg tatsächlich von Anfang an sowohl militärisch als auch politisch unterstützt.

Zusammen mit ihren wichtigsten NATO-Verbündeten Großbritannien und Frankreich liefern die USA die Flugzeuge, Kriegsschiffe, Bomben, Raketen und Granaten, die zur Verwüstung des Jemen dienen und seine Bevölkerung töten. In seiner achtjährigen Amtszeit leitete Präsident Barack Obama rund 115 Milliarden Dollar an Waffenverkäufen an die monarchische Diktatur in Riad. Die Trump-Administration versucht, mit Saudi-Arabien, den anderen reaktionären Ölscheichtümern am Golf und Israel eine Anti-Iran-Achse zu schmieden. Sie hat Waffengeschäfte mit Riad angekündigt, die sich auf 110 Milliarden Dollar belaufen könnten.

Das Pentagon leistet dem Angriff unter saudischer Führung direkte und unverzichtbare Hilfe. Zum Beispiel fliegen US-Geheimdienst- und Logistik-Offiziere in den Flugzeugen mit, die jemenitische Zivilisten bombardieren. Auch verstärken amerikanische Kriegsschiffe die saudisch-amerikanische Blockade des Jemen. Kürzlich wurden US-Green Berets eingesetzt, um die saudischen Bodentruppen bei ihren Anti-Jemen-Operationen zu unterstützen. Unter dem Vorwand des „Kriegs gegen den Terror“ führt das Pentagon seinen eigenen Luftkrieg im Jemen, der im Laufe des vergangenen Jahres mindestens 130 Luft- und Drohnenangriffe auslöste, ein Vielfaches der Zahl von 2016.

Die Trump-Administration hat der aktuellen Belagerung von Hodeidah grünes Licht in Form einer Erklärung von US-Außenminister Mike Pompeo gegeben. Darin gab Pompeo bekannt, er habe mit den Herrschern der VAE gesprochen und „unseren Wunsch deutlich gemacht, dass wir auf ihre Sicherheitsbedenken eingehen“. Aus dem Pentagon wurde bekannt, dass US-Beamte bei der Auswahl von Zielen in der Hafenstadt mithelfen.

Angesichts der Katastrophe, die sich gerade im Jemen ausbreitet, und der kriminellen Rolle, welche die US-Regierung dabei spielt, ist das Schweigen der bürgerlichen Presse besonders bemerkenswert. Die Medien ignorieren weitgehend die Belagerung von Hodeidah, ebenso wie zuvor die US-Belagerungen, welche die Städte Mosul im Irak und Rakka in Syrien in Schutt und Asche bombten und Zehntausende von Menschen töteten. Sie verschwiegen sogar die Zahlen, als bekannt wurde, dass im US-Krieg zum Sturz Saddam Husseins im Irak zwischen 500.000 und einer Million Zivilisten getötet worden waren.

Die Lage im Jemen steht symbolisch für die ganze Weltsituation. Dreißig Jahre nach der Auflösung der Sowjetunion ist eine Periode des andauernden Krieges und der ungezügelten imperialistischen Gewalt ausgebrochen.

Kriegsverbrechen in der Größenordnung derer, die in den 1930er und 1940er Jahren begangen wurden, sind praktisch an der Tagesordnung. Die Zivilbevölkerung wird massakriert, von der Südgrenze der USA bis zum Mittelmeer werden Flüchtlinge mit Gestapo-Methoden behandelt, und das israelische Militär schießt ungestraft auf unbewaffnete palästinensische Demonstranten – und die offizielle Presse reagiert kaum mit einem Schulterzucken.

Am Donnerstag durchbrach nur je ein verschämter Artikel in der New York Times und in der Washington Post das Schweigen der Medien. Beide Artikel riechen nach Heuchelei. Sie sind Ausdruck eines gewissen Unbehagens innerhalb des herrschenden Establishments der USA darüber, was gerade im Jemen passiert.

Die Redaktion der Times stellt fest, dass der Krieg zu „unzähligen zivilen Todesfällen geführt hat, von denen viele auf wahllose Bombenangriffe der Koalition zurückzuführen sind“. Sie fügt hinzu: „Nach internationalem Recht können diese Angriffe als Kriegsverbrechen gelten, an denen die Vereinigten Staaten und Großbritannien, ein weiterer Waffenlieferant, beteiligt sind.“

Die Washington Post warnt: „Die Vereinigten Staaten, die ihre beiden Verbündeten bereits mit Informationen, Treibstoff und Munition versorgt haben, werden mitschuldig sein, wenn das Ergebnis das ist, was die Entwicklungshelfer sagen: Hunger, Epidemien und andere menschliche Leiden, die alles übertreffen, was die Welt seit Jahrzehnten gesehen hat.“

Dass diese beiden etablierten Zeitungen das Wort „complicit“ [mitschuldig] verwenden, um Washingtons Rolle im Jemen zu beschreiben, ist zweifellos von großer Bedeutung. Rechtlich gesehen bedeutet Mittäterschaft, dass auch derjenige, der eine Straftat unterstützt und begünstigt, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird.

Im Falle Jemens geht es um Kriegsverbrechen von weltgeschichtlichem Ausmaß, die ohne die Unterstützung des US-Imperialismus niemals begangen worden wären.

Ausgehend von den Rechtsgrundsätzen und Kriterien der Nürnberger Prozesse, welche die überlebenden Führer des Dritten Reichs an den Galgen oder ins Gefängnis brachten, muss man heute sagen, dass viele Personen in Washington wegen der im Jemen begangenen Verbrechen hinter Gittern gehören oder noch schlimmer bestraft werden müssten.

Das betrifft nicht nur Trump und diejenigen in seiner Regierung, die direkt an den Gräueltaten im Jemen beteiligt sind (wie zum Beispiel Außenminister Pompeo, Verteidigungsminister James „Mad Dog“ Mattis, Nikki Haley und andere Spitzenbeamte des Militärs und des Geheimdienstes). Es betrifft auch ihre Vorgänger Barack Obama, John Kerry, Ashton Carter, Susan Rice und andere. Sie sind dafür verantwortlich, dass die USA den von Saudi-Arabien geführten Krieg von Anfang an unterstützten.

Nach dem Nürnberger Präzedenzfall müssten auch die CEOs von Unternehmen wie Lockheed Martin, Boeing und Raytheon vor Gericht gestellt werden, weil sie Milliardengewinne aus der Lieferung von Waffen für den Mord an jemenitischen Männern, Frauen und Kindern erzielt haben. Ebenso die führenden Politiker beider großen Parteien, die die US-Politik unterstützen, und die Vertreter der Massenmedien, die schamlos Kriegspropaganda betreiben.

Die Anklagebank würde ganz schön voll werden, denn neben ihnen müssten auch ihre britischen Amtskollegen sitzen, darunter die Regierungen von Premierministerin Theresa May und David Cameron, zusammen mit ihren jeweiligen Außenpolitikern, Militär- und Geheimdienstmitarbeitern, sowie britische Waffenhändler, die massive Gewinne aus dem Blutbad im Jemen gezogen haben.

In Wirklichkeit wird aber keiner der Kriegsverbrecher in Washington und London für seine Taten im Jemen zur Rechenschaft gezogen, auch nicht für die früheren Verbrechen im Irak, in Afghanistan, Libyen und Syrien. – Es sei denn, die amerikanische und britische Arbeiterklasse erhebt sich gemeinsam mit der arbeitenden Bevölkerung im Jemen, im gesamten Nahen Osten und weltweit. Der Massenmord im Jemen und im weiteren Nahen Osten droht sich zu einem regionalen und sogar Weltkrieg auszuweiten. Im Kampf dagegen muss eine mächtige Antikriegsbewegung aufgebaut werden, die sich auf die Arbeiterklasse und die Jugend stützt. Sie muss die Überwindung des kapitalistischen Systems zu ihrer vordringlichen politischen Aufgabe machen.

Loading