„Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften zum Verbrechen der Aggression aufstachelt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft“, heißt es in §80a des deutschen Strafgesetzbuches. Auf das „Verbrechen der Aggression“ selbst – d.h. auf das Führen eines Angriffskriegs oder das Begehen einer sonstigen Angriffshandlung – steht nach §13 des Völkerstrafgesetzbuches eine lebenslängliche Freiheitsstrafe.
Diese Paragrafen gehen direkt auf die Nürnberger Prozesse gegen die Nazi-Verbrecher zurück. Würden sie ernstgenommen, säßen heute etliche deutsche Politiker und Zeitungsredakteure hinter Gittern. Die Vorbereitung eines Militärschlags gegen Syrien hat in den deutschen Parteien und Medien einen wahren Kriegstaumel ausgelöst.
Das Flaggschiff des Springer-Verlags, Die Welt, fordert, man solle „das Assad-Regime mit einem Waffengang auslöschen“ und „mit Hunderttausenden von Soldaten“ nach Syrien ziehen, um „im schlimmsten Fall gegen Russen und Iraner zu kämpfen“.
Das erinnert nicht nur sprachlich an Hitler und Goebbels, die ihre Kriegsziele ebenfalls mit Vokabeln wie „auslöschen“ und „vernichten“ beschrieben. Auch inhaltlich ist es durchaus mit Hitlers verbrecherischen Wahnsinnsplänen vergleichbar. Der Kampf von Hunderttausenden amerikanischen und europäischen Soldaten „gegen Russen und Iraner“ würde unvermeidlich zu einer nuklearen Konfrontation führen, die die Menschheit kaum überleben dürfte.
Das Zitat stammt aus einem Kommentar von Jacques Schuster, der am Donnerstag in der Welt erschien. Unter der Überschrift „Ein Krieg dürfte nicht mit einem plumpen Symbolschlag beginnen“ fordert der Chefkommentator der Welt-Gruppe: „Assad muss weg!“
Gegen einen Militärschlag sei nichts einzuwenden, schreibt Schuster. Die Lehre der Geschichte sei nicht „Nie wieder Krieg!“, sondern „Nie wieder Aggression!“ Es gebe Augenblicke, in denen ebendiese Aggression „mit Gewalt beantwortet werden muss – sei es von Trump oder Macron“.
Die Lüge und Demagogie ist atemberaubend. Mit einem angeblichen Giftgasangriff in Syrien, für den es keine Beweise gibt und der alle Kennzeichen einer Provokation trägt, rechtfertigt das Springer-Blatt einen Krieg, der zehntausende, wenn nicht Millionen Tote fordern würde. Ähnlich war schon das inszenierte Massaker von Racak benutzt worden, um den Jugoslawienkrieg zu rechtfertigen, und ein angebliche bevorstehendes Massaker in Bengazi, um Libyen zu zerstören.
Schuster schafft es, selbst Donald Trump von rechts anzugreifen. Er nennt den US-Präsidenten „intellektuell gesehen“ einen „Halbstarken“ und bezweifelt, ob er „willens und in der Lage“ zu einem derartigen Krieg sei. „Die kühle Nüchternheit, der geostrategische Verstand, das Vermögen, die Dinge halbwegs bis zum Ende zu denken – das alles ist ihm nicht gegeben.“ Ein Krieg dürfe „nicht mit einem so plumpen wie hilflosen einzelnen Symbolschlag beginnen, der weder die Russen noch Assad beeindrucken wird. Er sollte auch nicht dem Bedürfnis entspringen, zurück auf die Bühne der Weltpolitik zu gelangen, wie es sich Frankreich, der sich aufplusternde militärische Zwerg, denkt.“
„Krieg gegen Assad“, so Schuster, „sollte mit einem Ziel und der Frage geführt werden: Lässt sich das Assad-Regime mit einem Waffengang auslöschen? Sind Amerikaner und Europäer bereit, dafür mit Hunderttausenden von Soldaten in dieses Land zu ziehen und im schlimmsten Fall gegen Russen und Iraner zu kämpfen?“ Ein Angriff aus der Luft allein werde dagegen „nichts bringen“. Er könne „die erregten westlichen Gemüter beruhigen“, lohne aber die Risiken nicht.
Eine ähnlich provokante Linie vertreten auch viele andere Kommentare.
Carsten Luther fordert in der Zeit: „Der Einsatz von Chemiewaffen in Syrien darf nicht ohne Folgen bleiben.“ Er lobt US-Präsident Donald Trump, der „ganz richtig festgestellt“ habe: „Wer so etwas tut, muss einen ‚hohen Preis‘ bezahlen, damit er es nicht wieder tut.“ Gewalt bleibe zwar „das letzte Mittel. Aber ohne geht es manchmal nicht.“
Zynisch greift der Zeit-Redakteur den „naiven Pazifismus“ und den „seligen Nationalismus“ an, „der vom Völkerrecht immer nur das Lieblingsprinzip vor sich herträgt: nicht einmischen“. „Damit das Weltbild passt“, werde dann „noch schnell auf die imperialistischen USA geschimpft“.
Wie die Welt hält auch die Zeit Luftschläge nicht für ausreichend. Es stehe zu befürchten, schreibt Luther, dass diese nicht „der Anfang einer robusteren Strategie des Westens für diesen Krieg“, sondern „nur der Ersatz für eine“ seien. Die Forderung nach einem Eingreifen der internationalen Gemeinschaft sei „nicht mit einer einmaligen überschaubaren Intervention erfüllt“.
Luther behauptet zwar, dies sei „kein Argument für einen größeren militärischen Einsatz, der sich umfassend gegen das Regime richtet und den Sturz Assads zum Ziel hätte“, weil dies auch ein Krieg „gegen Russland und den Iran“ und damit „ein Wahnsinn mit unkalkulierbaren Folgen“ wäre. Aber genau das wird offensichtlich in den eng verflochtenen Kreisen von Regierungsmitgliedern und Journalisten diskutiert, die in Berlin die Politik bestimmen.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung überbietet selbst noch die Provokationen der Welt. Ihr Herausgeber Berthold Kohler warf Assad am Donnerstag vor, er habe „mit Hilfe des Kremls“ eine syrische Stadt nach der anderen zurückerobert, „indem er sie in Schutt und Asche legte oder in Gaskammern verwandelte“.
Als wäre das Vorgehen der syrischen Regierung in einem Bürgerkrieg, in dem vom Westen unterstützte, finanzierte und bewaffnete islamistische Milizen mit großer Brutalität gegen die Zivilbevölkerung wüten, mit dem industriellen Massenmord der Nazis vergleichbar. Dieselbe Zeitung hat den Berliner Historiker Jörg Baberowski vehement gegen Kritik an seiner Äußerung, „Hitler war nicht grausam“ und seiner Verharmlosung des Nazi-Regimes verteidigt.
Auch die F.A.Z. lobt US-Präsident Trump. „Seine Handlungsbereitschaft findet trotz seiner haarsträubenden Prahlereien Zustimmung bei wichtigen Verbündeten,“ schreibt Kohler, „weil es moralische, aber auch realpolitische Gründe dafür gibt, Assad in den Arm zu fallen.“
Kohler weiß, dass ein Krieg gegen Syrien völkerrechtswidrig wäre, und lobt die Bundesregierung trotzdem, weil sie einen solchen Krieg unterstützt: „Politisch will Berlin den Amerikanern, Franzosen und Engländern den Rücken stärken, obwohl auch ein Militärschlag gegen Assad ohne UN-Mandat vom Völkerrecht nicht gedeckt wäre“, schreibt er.
Auch die Grünen-nahe taz stellt sich hinter die imperialistischen Kriegspläne. „Natürlich sollten schwere Menschenrechtsverletzungen im syrischen Bürgerkrieg bestraft werden“, kommentierte am Donnerstag Beate Seel. Sie kritisiert, ähnlich wie Zeit und F.A.Z., das Fehlen einer „Strategie für die Zeit danach“. Nur kleidet sie diese Strategie in taz-üblicher Weise in Phrasen über einen von der UNO überwachten Waffenstillstand und einen „wie auch immer gearteten Friedensprozess“.
Doch am Ende macht sie klar, dass es auch ihr darum geht, die imperialistische Kontrolle über die rohstoffreiche und strategisch wichtige Region des Nahen und Mittleren Ostens zu verteidigen. „Der Astana-Gruppe“, also Russland, dem Iran und der Türkei, „das politische Terrain für ein künftiges Syrien zu überlassen, wäre ein großer Fehler“, schreibt sie.