Jeder zweite Flüchtling klagt erfolgreich gegen Asylablehnung

Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge werden offensichtlich Asylanträge in großer Zahl willkürlich abgelehnt. Anders lässt es sich nicht erklären, dass fast jeder zweite Flüchtling, der gegen seinen ablehnenden Asylbescheid vor Gericht zieht, mit seiner Klage Erfolg hat.

Doch anstatt das verfassungsmäßige Recht auf Asyl zu respektieren, plant die neue Bundesregierung Gesetzesänderungen, um Flüchtlingen den Klageweg abzuschneiden. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat zudem die schnelle Umsetzung eines „Masterplans Abschiebungen“ angekündigt, mit dem Asylverfahren weiter verkürzt und abgelehnte Asylbewerber möglichst umgehend deportiert werden sollen.

Im Jahr 2017 wurde in rund 40 Prozent der Fälle, in denen Verwaltungsgerichte inhaltlich über Klagen gegen Asylentscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geurteilt haben, den Klägern Recht gegeben und ihr Asylbescheid korrigiert. Die Erfolgsquote vor Gericht liegt bei Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan mit 60 Prozent sogar noch deutlich höher. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linkspartei hervor, über die die Süddeutsche Zeitung berichtete.

Insgesamt haben die Verwaltungsgerichte letztes Jahr mehr als 146.000 Verfahren gegen Asylbescheide verhandelt. In knapp 80.000 Fällen haben die Gerichte die Asylgründe noch einmal inhaltlich geprüft und in mehr als 32.000 Fällen den Flüchtlingen Asyl zuerkannt oder zumindest ein Abschiebungsverbot ausgesprochen. 66.000 Verfahren wurden nicht entschieden, da entweder das Bundesamt fehlerhafte Bescheide bereits von sich aus korrigiert hatte oder weil Verfahren von mehreren Familienmitgliedern zusammengelegt und Klagen zurückgezogen worden waren.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge produziert so viele fehler- und zweifelhafte Asylentscheidungen, dass mittlerweile fast jeder Ablehnungsbescheid mit hohen Erfolgsaussichten vor Gericht angefochten wird. 2017 hat das Bundesamt mehr als 603.000 Asylverfahren entschieden, gegen 300.000 Entscheidungen haben die betroffenen Flüchtlinge jedoch Rechtsmittel eingelegt und wollen ihren Bescheid vor Gericht prüfen lassen. Bei abgelehnten Asylanträgen liegt die Klagequote sogar über 91 Prozent und ist innerhalb von zwei Jahren drastisch angestiegen. 2016 lag die Klagequote gegen Ablehnungen von Asylanträgen bei 68 Prozent, 2015 sogar nur bei 43 Prozent.

Und selbst bei Asylanträgen, die vom Bundesamt als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt worden sind, was insbesondere bei Antragstellern aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“ der Fall ist, lag die Klagequote letztes Jahr bei knapp 57 Prozent. Dabei ist es in diesen Fällen besonders schwierig, Widerspruch gegen den Asylbescheid einzulegen, da die Flüchtlinge innerhalb einer Woche sowohl die Klage als auch einen Eilantrag auf aufschiebende Wirkung beim Gericht einreichen müssen, obwohl es fast unmöglich ist, innerhalb dieser kurzen Frist einen Rechtsanwalt zu finden, der die Klage inhaltlich vorbereiten kann.

Für die Bundesregierung ist die gewaltige Zahl der Klagen „kein Indiz für die Richtigkeit oder Unrichtigkeit“ der Asylentscheidungen des Bundesamtes. Dabei lässt der hohe Anteil der erfolgreichen Klagen durchaus den Schluss zu, dass beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gezielt Asylablehnungen produziert werden.

Der auf Asylverfahren spezialisierte Rechtsanwalt Christof Momberger erklärte bereits im September 2017 gegenüber der Flüchtlingshilfsorganisation ProAsyl, dass „das BAMF zum Teil mit uralten Auskünften oder veralteten Textbausteinen arbeitet. Die Gerichte arbeiten da in der Regel sorgfältiger und die Erkenntnisquellen sind aktueller.“

Im Zuge des großen Flüchtlingszuzugs 2015 und 2016 wurde das BAMF gnadenlos auf Effizienz getrimmt. Die Asylentscheider werden seither hauptsächlich an der Anzahl der getroffenen Entscheidungen gemessen und beurteilt. Um die Asylverfahren zu beschleunigen, wurden die Informationen zu Herkunftsländern auf knappe Textbausteine zusammengestrichen, wobei die Entscheider letztlich nicht mehr individuelle Verfolgungsgründe prüfen, sondern die Fälle nur noch unter vorgefertigte Kategorien subsumieren.

Dadurch ist die sogenannte „bereinigte Schutzquote“, der Anteil der anerkannten Asylgründe bezogen auf tatsächliche inhaltliche Entscheidungen des Bundesamtes, von 71 Prozent 2016 auf 53 Prozent im Jahr 2017 gefallen.

Hinzu kommt, dass die entscheidende Anhörung bereits unmittelbar nach Ankunft der Flüchtlinge durchgeführt werden. Ihnen bleibt dann weder Zeit, eine Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen, noch ihre Fluchtgeschichte in eine kohärente Erzählung zu bringen. Vorgebrachte Gründe bleiben dadurch zwangsläufig bruchstückhaft und chronologisch unsortiert und werden von den Entscheidern als widersprüchlich wahrgenommen.

Zurzeit sind noch 327.000 Klagen vor den Verwaltungsgerichten anhängig. Das belastet nicht nur die Gerichte, die massenhaft falsche Asylbescheide korrigieren müssen, sondern ist vor allem auch für die Flüchtlinge selbst eine enorme Belastung. Denn für die gesamte Dauer des Gerichtsverfahrens gelten die betroffenen Flüchtlinge weiterhin als Asylsuchende mit allen damit einhergehenden Einschränkungen bezüglich der freien Wohnsitzwahl, der Arbeitsaufnahme oder der Möglichkeit, geförderte Sprachkurse zu besuchen.

Doch weder das BAMF noch die Bundesregierung sind gewillt, diesen unhaltbare Zustand im Sinne der Flüchtlinge zu verbessern. Ganz im Gegenteil hat noch der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière eine Widerrufprüfung von 150.000 positiven Asylentscheidungen auf den Weg gebracht und dafür im BAMF zusätzliche 400 Stellen geschaffen. Nur in einem Bruchteil der bislang abgeschlossenen Fälle wurde den Flüchtlingen der Asylstatus jedoch tatsächlich aberkannt.

Schon die letzte Ministerpräsidentenkonferenz hat beschlossen, mögliche Verfahrensbeschleunigungen zu prüfen. Die Große Koalition hat weitere Gesetzesänderungen im Asylgesetz vereinbart, um Flüchtlingen den Weg vor die Verwaltungsgerichte zu verbauen. Dazu zählt unter anderem die Einstufung der Maghreb-Staaten Marokko, Algerien und Tunesien als „sichere Herkunftsstaaten“, um Asylanträge als „offensichtlich unbegründet“ ablehnen und Klagefristen drastisch verkürzen zu können.

Innenminister Horst Seehofer will zudem zügig seinen „Masterplan Abschiebungen“ umsetzen. Gegenüber der Welt am Sonntag kündigte er an, „Abschiebungshindernisse zu identifizieren“, um dann zu entscheiden, „wo wir Gesetze ändern müssen, wo wir Vereinbarungen mit den Herkunftsländern brauchen, wo wir den Ländern und den Behörden bei der Durchführung der Abschiebungen helfen können“.

Da die Anzahl der freiwilligen Ausreisen weiter abnimmt, erhöht das Bundesinnenministerium gleichzeitig den Druck auf abgelehnte Asylbewerber und plant eine drastische Ausweitung der Abschiebehaft. Der parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Stephan Mayer, sagte gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Ziel muss es sein, die Zahl der Abschiebehaftplätze erheblich zu erhöhen.“ Die vorhandenen 400 Abschiebehaftplätze in ganz Deutschland seien „deutlich zu wenig“.

Herzstück der Maßnahmen soll jedoch die rasche Inbetriebnahme der ersten sogenannten „Ankerzentren“ werden. Staatssekretär Mayer erklärte, dass dieses Vorhaben „höchst prioritär betrieben werde“ und bereits „nach den Osterfeiertagen ein Eckpunktepapier“ vorliegen soll.

Bei diesen Ankunfts-, Entscheidungs-, Verteilungs- und Rückführungszentren handelt es sich um monströse Lager, in denen das gesamte Asylverfahren der Flüchtlinge abgewickelt wird – abgeschottet von der Außenwelt. Kinder dürfen weder die Regelschule besuchen, Jugendliche keine Ausbildung machen und Erwachsene keine Arbeit aufnehmen. Dafür sollen Behörden und Justiz entgegen ihrer verfassungsrechtlichen Trennung aufs Engste zusammenarbeiten, während den Flüchtlingen eine unabhängige Rechtsberatung weitgehend verweigert wird.

Verlassen dürfen die Flüchtlinge die Lager erst, „wenn Klarheit über ihren Status besteht“, wie Seehofer kürzlich erklärte, ihnen also entweder Asyl gewährt wird oder sie aus diesen Lagern abgeschoben werden. Im Zweifel bleiben die Flüchtlinge bis zu 18 Monate in den Ankerzentren.

Ein erstes Ankerzentrum soll entweder in Bayern in den Transitzentren Manching oder Bamberg errichtet werden oder in Gießen, wo die bestehende Erstaufnahmeeinrichtung umgebaut werden könnte. Dort gibt es Platz für 13.000 Flüchtlinge plus weitere 3.000 Plätze in umliegenden ehemaligen Kasernen der US-Armee. Als Flüchtlingslager würde hier quasi ein Ghetto entstehen, in dem Flüchtlinge zum großen Teil ohne Perspektive zusammengepfercht werden. Es liegt zudem in unmittelbarer Nähe zum Flughafen Frankfurt, von wo aus Deportationen durchgeführt werden sollen.

Lager, Ghettos, eingeschränkte Rechte und Deportationen – die Flüchtlingspolitik der neuen Bundesregierung übernimmt nicht nur das Programm der rechtsextremen AfD, sondern weckt Erinnerungen an die düstersten Kapitel der deutschen Geschichte. Seehofer hat die Drangsalierung und Entrechtung von Flüchtlingen zudem noch ideologisch mit seiner Behauptung gerechtfertigt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, wobei ihm bewusst war, dass ein erheblicher Teil der Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten Nordafrikas und des Nahen Ostens islamischen Glaubens sind.

Die rechtesten Kräfte können vor allem deshalb wieder ihr Haupt erheben, weil ihnen niemand ernsthaft entgegen tritt. Die Linkspartei kritisiert die Regierung von rechts und klagt darüber, dass nicht genügend Polizisten eingestellt werden und deren Präsenz auf der Straße unzureichend sei. Die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, hetzt sogar selbst in AfD-Manier gegen Flüchtlinge und macht sie für die vielfältigen sozialen Probleme verantwortlich.

Alleine die Sozialistische Gleichheitspartei setzt dieser rechten Verschwörung eine sozialistische Perspektive entgegen. Wir treten für die Einheit aller Arbeiter im Kampf gegen Flüchtlingshetze, soziale Ungleichheit, Krieg und Kapitalismus ein. Das ist die einzige Grundlage, auf der die Interessen der gesamten Arbeiterklasse verteidigt werden können.

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