Noch bevor Angela Merkel und ihr Kabinett am Mittwoch vereidigt werden, hat Horst Seehofer (CSU) den reaktionären Charakter der neuen Regierung bekräftigt. Der designierte Innen- und Heimatminister stellte in der Bild am Sonntag einen „Masterplan für konsequentere Abschiebungen“ vor und kündigte massenhafte Überwachung und andere Polizeistaatsmaßnahmen an.
Der aggressive Ton und die weitreichenden Pläne machen deutlich, dass sich die Große Koalition auf die brutale Unterdrückung jedweder Opposition gegen ihre Politik des Militarismus und der Sozialkürzungen vorbereitet.
Seehofers Pläne für die Massendeportation von Flüchtlingen gehen dabei noch weit über das hinaus, was ohnehin schon im Koalitionsvertrag festgehalten ist. Von Bild gefragt, wie er den Zustand ändern wolle, dass 2017 nur 24.000 der über 200.000 ausreisepflichtigen Migranten abgeschoben worden seien, kündigt der CSU-Vorsitzende eine konzertierte Aktion für Massendeportationen an.
„Ich werde mich sofort nach der Amtsübernahme mit allen Mitarbeitern und den nachgeordneten Behörden zusammensetzen, um einen Masterplan für schnellere Asylverfahren und konsequentere Abschiebungen zu erarbeiten“, erklärt Seehofer und fügt hinzu: „Die Zahl der Rückführungen muss deutlich erhöht werden.“
Für diese Pläne wären grundlegende Gesetzesverschärfungen notwendig. Denn bei den 200.000 ausreisepflichtigen Migranten handelt es sich zum allergrößten Teil um Menschen, die aus rechtlichen oder humanitären Gründen geduldet sind, deren Abschiebung nach geltendem Recht also verboten ist.
Laut Bundesregierung waren Ende 2016 etwa die Hälfte der Ausreisepflichtigen gar keine Flüchtlinge oder Asylbewerber, sondern etwa Menschen, deren Visa ausgelaufen oder deren Ehen mit deutschen Staatsbürgern geschieden worden sind. Von den Übrigen waren laut ProAsyl 2017 nur ein Drittel, also etwa 30.000 Menschen nicht geduldet, also akut ausreisepflichtig. Dies kommt der Zahl von 24.000 tatsächlich Ausgewiesenen sehr nahe.
Wenn Seehofer also die deutliche Erhöhung der Abschiebungen fordert, plant er nichts Geringeres, als massenhaft Flüchtlinge abzuschieben, die einen Duldungs- oder gar Aufenthaltsstatus haben, etwa weil ihnen Gefahr an Leib und Leben droht. Die von ihm geführte bayrische Landesregierung hat sich dieses Jahr schon an die Spitze der Abschiebungen nach Afghanistan gestellt. Rechtliche Hindernisse werden systematisch beseitigt, indem etwa Flüchtlinge, die nicht sofort alle Papiere beibringen können, wahllos als „hartnäckige Identitätsverweigerer“ eingestuft und abgeschoben werden. Das soll nun massiv ausgeweitet werden.
Zudem kündigte Seehofer an, dass der Beschluss aus dem Koalitionsvertrag, Internierungslager für Flüchtlinge zu schaffen, innerhalb weniger Monate umgesetzt werde. „Das darf nicht ein Jahr oder länger dauern“, so der Minister. In solche Lager werden Flüchtlinge solange eingepfercht, bis über ihren Asylantrag entschieden ist. Sie werden von der Gesellschaft ausgeschlossen und grundlegender Rechte beraubt.
Diese brutalen Maßnahmen gegen die Schwächsten der Gesellschaft sind ein Angriff auf alle Arbeiter. Wenn Menschen interniert und deportiert werden, ohne dass sie sich etwas haben zu Schulden kommen lassen, schafft dies einen Präzedenzfall, der sich gegen die demokratischen Grundrechte aller richtet.
Daran lässt Seehofer keinen Zweifel. Er will einen „starken Staat“, wie es ihn in Bayern gebe, in ganz Deutschland etablieren. Dazu will er eine „wirksame Videoüberwachung“ an sämtlichen „Brennpunkten“ in ganz Deutschland einrichten, was auf die systematische Überwachung der gesamten Bevölkerung hinausläuft.
Außerdem kündigt er 7500 neue Bundespolizisten sowie eine „null Toleranz“ Politik an. Als Nulltoleranzstrategie bezeichnet man ein Vorgehen der Polizei, das auf einer massiven Erhöhung der Kontrolldichte und einem harten Vorgehen schon gegen Bagatelldelikte basiert. Berühmt machte es der New Yorker Bürgermeister und Rechtsaußen Rudolph Giuliani, der in der Metropole die Strukturen eines Polizeistaats geschaffen hat.
Seehofers Ankündigung, bayrische Verhältnisse in ganz Deutschland zu schaffen, ist in dieser Hinsicht eine ernste Warnung. Unter seiner Regentschaft verabschiedete der Freistaat im Juli letzten Jahres das weitreichendste Sicherheitsgesetz in der bundesdeutschen Geschichte. Es beinhaltet unter anderem die Möglichkeit, vermeintliche Gefährder zeitlich unbegrenzt in Gewahrsam zu nehmen.
Menschen, die keinerlei Straftat begangen haben, können nach Gutdünken eines Richters lebenslang eingesperrt werden. Dafür reicht schon, dass eine „konkrete Wahrscheinlichkeit“ für eine Straftat besteht, die sich aus dem Verhalten der Person ergibt. Das ist nichts anderes als die 1933 von den Nazis eingeführte „Schutzhaft“, der innerhalb weniger Monate zehntausende Führer der Arbeiterbewegung zum Opfer fielen.
Die Entscheidung, Seehofer zum Innenminister zu machen und dieses Ressort unter anderem um den Bereich „Heimat“ zu erweitern, war von Anfang an eine bewusste Entscheidung der Groß-Koalitionäre. Der CSU-Vorsitzende ist als Hardliner in der Innen- und Flüchtlingspolitik bekannt und soll einen Polizeistaat schaffen, der in der bundesdeutschen Geschichte ohne Beispiel ist. Das Interview in der Bild macht deutlich, wie rasch und aggressiv er diese Politik umsetzen wird.
Seehofers weitreichende Pläne verdeutlichen den Charakter der Großen Koalition. Die beiden Parteien, die die letzte Wahl krachend verloren haben und über keine demokratische Legitimation verfügen, bilden eine Koalition, die ein extrem rechtes Programm von Aufrüstung, Militarismus und Sozialkürzungen verfolgt.
Dieses Programm trifft in der Arbeiterklasse auf breite Ablehnung. Die Regierung stärkt den Polizeiapparat, greift demokratische Rechte an und attackiert die Schwächsten der Gesellschaft, um jeden Widerstand zu unterdrücken.