Die USA haben am 13. Januar die Bildung einer 30.000 Mann starken „Grenzschutztruppe“ (BSF) im syrischen Norden und Nordosten bekanntgegeben. Dieser Schritt erhöht unmittelbar die Spannungen mit der Türkei und mit Russland.
Die neue Einheit soll in syrischen Enklaven operieren, die unter der Kontrolle von Assad-feindlichen US-Stellvertreterkräften stehen. Die BSF wird vor allem Kämpfer der kurdischen Volksschutzeinheiten YPG und Elemente verschiedener islamistischer Milizen umfassen.
Obwohl der Islamische Staat (IS) offiziell praktisch besiegt ist, macht Washington keinerlei Anstalten, Syrien zu verlassen. Der jüngste Schritt wird nicht nur den Bürgerkrieg in Syrien verschärfen, sondern auch die USA in direkten Konflikt mit Russland und dem Iran bringen, die das Assad-Regime unterstützen, und mit der Türkei, die die YPG als militärische Bedrohung ansieht.
Wie Oberst Thomas Veale, ein Sprecher der Anti-IS-Koalition unter Führung der USA, bekanntgab, werden die 15.000 Soldaten der US-gesponserten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) den Kern der neuen Armee bilden. „Zurzeit nehmen ungefähr 230 Personen am ersten Kurs der BSF teil. Die Einheit soll schließlich um die 30.000 Männer umfassen“, sagte Veale.
Am 11. Januar erklärte der stellvertretende US-Außenminister für den Nahen Osten, David Satterfield, im Außenpolitischen Ausschuss des US-Senats, dass die Trump-Regierung nicht nur nach wie vor den IS bekämpfe, sondern auch beabsichtige, mit einer konsolidierten SDF im Norden und Nordosten Syriens dem Einfluss des Iran entgegenzuwirken.
Der Krieg gegen den IS war von Anfang an nur ein Vorwand. Das eigentliche Ziel besteht darin, Präsident Baschar al-Assad zu stürzen und einen Regimewechsel in Damaskus durchzusetzen. Dieses Ziel ist wiederum nur ein Mittel zum Zweck, um den iranischen und russischen Einfluss in Syrien zurückzudrängen. Die USA unterhalten 2.000 Soldaten in Syrien. Sie haben keineswegs die Absicht, den IS zu zerstören, sondern garantieren in Wirklichkeit die Sicherheit von tausenden bewaffneten IS-Kämpfern. Russischen Angaben zufolge werden die IS-Kämpfer ausgebildet und in die Assad-feindlichen Kräfte integriert.
Unter dem Druck, erklären zu müssen, warum US-Truppen weiter in Syrien bleiben, verplapperte sich Satterfield: „Wir sind sehr über die Aktivitäten des Iran und über sein Potential besorgt, mehr Material nach Syrien zu transportieren. Im Moment würde ich lieber nicht weiter darauf eingehen.“ Mit anderen Worten bereitet sich die Trump-Regierung auf einen Krieg in Syrien vor, um Teherans Verbündeten Assad zu stürzen. Dieser Krieg könnte schnell zu einem breiteren Konflikt mit dem Iran und möglicherweise mit Russland führen.
Gleichzeitig müssen die USA mit türkischen Militäraktionen rechnen, und diese könnten schnell das Ende der Pläne für eine pro-amerikanische Zone in Syrien bedeuten. Das Nato-Partnerland Türkei ist zutiefst beunruhigt über Verbindungen der YPG zur separatistischen kurdischen Arbeiterpartei (PKK), die es als Terrorgruppe definiert und schon seit langem bekämpft. Vor drei Monaten überschritten türkische Truppen die Grenze zu Syrien nahe der von der YPG kontrollierten Enklave Idlib im Norden Syriens.
Ibrahim Kalin, Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, beschuldigte die USA am Wochenende: „Sie unternehmen beunruhigende Schritte, um diese Organisation [die YPG] zu legitimieren und in der Region zu verankern.“ Er warnte: „Das kann unmöglich akzeptiert werden.“ Die Türkei werde „weiter gegen jede Terrororganisation diesseits und jenseits ihrer Grenzen kämpfen, egal, wie sie heißt oder wie sie aussieht“.
Erdogan verurteilte die amerikanische Unterstützung für die YPG und erklärte am Wochenende: „Die USA haben 4.900 LKW mit Waffen nach Syrien geschickt. Wir wissen das. So handeln keine Verbündeten.“ Auf einer Kundgebung am Montag bekräftigte er seine Entschlossenheit, die kurdische Miliz zu besiegen. „Wir haben unsere Vorbereitungen abgeschlossen“, sagte er. „Die Operation kann jederzeit beginnen.“ Erdogan beschuldigte die USA, „an unserer Grenze eine Terrorarmee zu schaffen“, und fügte hinzu: „Wir müssen diese Terrorarmee im Keim ersticken.“
Die syrische Regierung verurteilte das Projekt einer amerikanischen Grenztruppe als „groben Angriff“ auf die Souveränität des Landes. Die staatliche Nachrichtenagentur SANA zitierte einen Sprecher des Außenministeriums mit den Worten, dass die Armee entschlossen sei, „die Verschwörung der USA zum Scheitern zu bringen, die Präsenz der USA, ihre Agenten und Werkzeuge, zu vertreiben, die volle Kontrolle über das ganze Territorium Syriens wieder herzustellen und die Souveränität des Landes zu verteidigen“.
Der russische Außenminister Sergei Lawrow beschuldigte die USA gestern, Syrien spalten zu wollen. Er erklärte: „Die USA wollen Syrien nicht in seinen heutigen Grenzen erhalten.“ Die Washingtoner Regierung unterstütze die Syrian Democratic Forces dabei, „mehrere Grenzsicherheitszonen einzurichten“.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Lawrow erklärte: “Das bedeutet, dass weite Landstriche entlang der türkischen und der irakischen Grenze, d.h. die Gebiete östlich des Euphrat, isoliert werden. Die Beziehungen zwischen den Kurden und den Arabern sind dort teils schwierig. Die Befürchtung besteht, dass Syrien in mehrere Teile zerstückelt wird.“
Wladimir Schmanow, der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der russischen Staatsduma, warnte, dass Russland auf eine Grenztruppe in Syrien reagieren werde, denn eine solche würde die russischen Interessen ganz unmittelbar verletzen. „Wir und unsere Kollegen werden sicherlich Schritte unternehmen, um die Situation in Syrien zu stabilisieren“, sagte er.
Die Ankündigung der USA, eine 30.000 Mann starke Truppe auszubilden und auszurüsten, ist ein verzweifelter Versuch, ihre Position in Syrien zu halten. Diplomatisch zieht offenbar die Regierung in Moskau, und nicht diejenige in Washington, die Fäden bei den Verhandlungen über Syrien. Ende des Monats soll auf einer Konferenz in Sotchi über die Zukunft des Landes verhandelt werden.
Militärisch erleiden die von den USA unterstützten Anti-Assad-Milizen eine Niederlage nach der anderen, und zwar nicht nur wegen der russischen und iranischen Unterstützung für die syrische Armee, sondern besonders auch wegen der breiten Feindschaft in der Bevölkerung gegen die reaktionären, mit al-Qaida verbündeten Elemente, die mit amerikanischer Unterstützung vorgehen.
Die letzte größere Enklave unter Kontrolle der syrischen Opposition in Idlib steht seit Anfang des Jahres unter schwerem Beschuss der Regierungstruppen. Inmitten dieser instabilen Gemengelage melden die USA ihre Ansprüche an, indem sie eine neue große Stellvertreterarmee ausbilden und bewaffnen wollen. Damit verstärken sie die Gefahr eines größeren Kriegs in der Region.