Spanien unterstellt Russland Einflussnahme auf die Krise in Katalonien

Ähnlich wie in anderen Ländern versucht jetzt auch die politische Elite in Spanien, eine „russische Einmischung“ – diesmal in das katalanische Unabhängigkeitsreferendum – für die tiefe Krise ihrer Herrschaft verantwortlich zu machen. Solche Vorwürfe dienen ihr für weitere Angriffe auf demokratische Rechte.

Auch in Spanien wurde die Kampagne von den ehemals liberalen Medien in Gang gesetzt und angeführt. Eine führende Rolle spielte die größte Tageszeitung El País, die traditionell der Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) nahesteht.

In ihrer hysterischen und paranoiden Medienkampagne behauptete die El País, dass die Krise in Katalonien nicht durch das gewaltsame Vorgehen der Regierung unter der Partido Popular (PP), sondern durch von Moskau verbreitete „Fake News“ ausgelöst worden sei.

Die Zeitung hat in nur zwei Monaten 47 Artikel, davon fünf Leitartikel, veröffentlicht, in denen Russland mit der Krise in Katalonien in Verbindung gebracht wird. Der El País-Redakteur David Alandete hat sich an die Spitze der Kampagne gestellt.

Alandete, der 2006 mithilfe eines Fulbright-Stipendiums seinen Master in internationaler Politik und Praxis an der George Washington University abschloss, arbeitete als akkreditierter Journalist im US-Außenministerium, im Pentagon und im Kongress. In dieser Zeit berichtete er über den Prozess gegen die Whistleblowerin Chelsea Manning und über den zehnten Jahrestag der US-Intervention in Afghanistan. Als einer der wenigen ausländischen Journalisten durfte er das Gefangenenlager Guantanamo Bay besuchen.

El País und Alandete begannen ihre „Fake News“-Kampagne am 25. September mit einem Artikel unter der Überschrift: „Wie russische Nachrichtennetzwerke Katalonien benutzen, um Europa zu destabilisieren“.

Nur eine Woche vor dem Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober behauptete El País: „Russlands Online-Störmaschinerie arbeitet auf Hochtouren, um die Krise in Katalonien in der öffentlichen Meinung mit den Konflikten um die Krim oder um die Kurden gleichzusetzen und auf diese Weise Zwietracht in der Europäischen Union zu sähen.“

Als Beweis führte sie an, dass Kreml-nahe Medien wie RT, Sputnik und Wsgljad sowie pro-russische Twitter-Accounts es wagten, das geplante brutale Vorgehen gegen das Referendum in Frage zu stellen, das El País und die anderen spanischen Mainstream-Medien von der PP-Regierung vehement einforderten.

Am nächsten Tag erschien ein weiterer Artikel, in dem es hieß, man habe eine „detaillierte Analyse von Kreml-nahen Websites und Social-Media-Profilen“ durchgeführt. In einem umfassenden Amalgam zählte der Autor des Artikels die vermeintlichen Übeltäter auf, die in der Katalonien-Krise Spaniens „verfassungsmäßige Ordnung“ untergraben haben sollen – von diversen Twitter-Accounts, RT-Berichten und einer ganzen Armee von pro-russischen Bots bis hin zu Julian Assange und Edward Snowden.

Seitdem hat El País immer wieder behauptet, es gäbe unanfechtbare Beweise dafür, dass sich Russland in die Katalonien-Krise eingemischt hat. Man hofft offenbar, dass die Bevölkerung dieser erfundenen Geschichte Glauben schenkt, wenn man sie nur oft genug wiederholt.

Tatsächlich gibt es jedoch keinerlei Beweise.

Die Hauptquellen von El País sind die pro-amerikanische Denkfabrik Atlantic Council, die spanische Denkfabrik Real Instituto Elcano, die von El País finanziert wird, und eine Studie von Javier Lesaca. Letzterer ist Gastforscher an der School of Media and Public Affairs von Alandetes Alma Mater, der George Washington University, und – ebenfalls Kolumnist bei El País! Die Studie wurde bisher noch nicht veröffentlicht und auch von der Universität nicht erwähnt, sodass der Leser wohl oder übel Lesaca glauben muss, wenn dieser behauptet, bei seiner Studie ein „hochmodernes Softwareprogramm benutzt“ zu haben, das „spanische Technologie einsetzt, um große Datensätze zu messen und zu analysieren“.

Zuerst ignorierte die PP-Regierung die Behauptungen von El Pais und lobte Moskau für dessen Rückendeckung bei dem Vorgehen gegen die katalanischen Separatisten. Beispielhaft war die Äußerung des spanischen Botschafters in Russland, Ignacio Ibanez Rubio: „Russland hat von Anfang an erkannt, dass es sich um eine interne Angelegenheit unseres Landes handelt... Deshalb sind wir sehr froh über Russlands Haltung zur Krise in Katalonien.“

Doch El Pais ging zum Angriff über. Sie warf der PP in einem Leitartikel vor, sie hätte die Ermittlungen des Geheimdienstausschusses des US-Senats ignoriert und „zumindest öffentlich nicht die geringsten Bedenken geäußert, dass möglicherweise eine direkte ausländische Einflussnahme stattfindet, die das Ziel hat, Spanien zu destabilisieren“ – und das inmitten „der größten institutionellen Krise, die Spanien in den letzten Jahrzehnten erlebt hat, und die seine territoriale Integrität gefährden könnte“.

Erst am 10. November, nachdem El País achtzehn Artikel und drei Leitartikel veröffentlicht hatte, verstand die spanische Regierung den Wink und warf selbst die Frage einer angeblichen russischen Einflussnahme auf. Nur drei Tage später nahm sie an einem Treffen des Rats für Auswärtige Angelegenheiten der Europäischen Union (EU) teil.

Obwohl die Abteilung für Kryptologie des spanischen Nachrichtendienstes erklärte, sie habe während der Katalonien-Krise keine ausländische Einflussnahme beobachten können, attackierten der Sprecher der PP-Regierung Íñigo Méndez de Vigo und die Verteidigungsministerin María Dolores de Cospedal auf dem EU-Treffen Russland.

Méndez erklärte: „Wir glauben, dass Europa dieses Thema sehr ernst nehmen muss. Es kann nicht sein, dass ausländische Kräfte, Außenseiter, von denen wir nicht wissen, wer sie sind, die verfassungsmäßige Ordnung verändern wollen.“

Cospedal führte aus: „Die Regierung hat die Tatsache bekräftigt, dass viele Nachrichten und Operationen, die wir in sozialen Netzwerken gesehen haben, aus russischem Staatsgebiet kommen.“

Die EU setzte – auch in Reaktion auf die spanischen Vorwürfe gegen Russland – eine High-Level Expert Group ein, deren Aufgabe es ist, „mögliche künftige Maßnahmen zur Stärkung des Zugangs der Bürger zu zuverlässigen und geprüften Informationen“ zu diskutieren „und die Ausbreitung von Desinformation im Internet zu verhindern“. Mit anderen Worten, die EU hat erklärt, sie werde künftig entscheiden, was die Menschen auf dem Kontinent online lesen und sagen dürfen.

Auch die PSOE schaltete sich ein und organisierte eine Dringlichkeitssitzung der Nationalen Sicherheitskommission im Parlament, um über die Einflussnahme Russlands zu diskutieren. Als Ehrengast wurde Mira Milosevich eingeladen, Wissenschaftlerin bei Real Instituto Elcano sowie Mitglied der PP-nahen Denkfabrik FAES.

Milosevich, die 2003 den Irakkrieg und die Lügen über Massenvernichtungswaffen unterstützt hatte, konstruierte ihre Präsentation rund um eine, wie sie selbst sagte, „Hypothese“, die sich auf Russlands „früheres Verhalten“ und auf „offizielle russische Dokumente“ stützt.

Diese Hypothese bestand im Wesentlichen aus vagen und unbewiesenen Behauptungen, darunter die Annahme, dass „einige Medien (absichtlich oder unabsichtlich) fehlerhafte Informationen über Katalonien verbreitet haben“; dass „das Konzept der Informationskriegsführung Teil der russischen Militärdoktrin“ sei; und dass Katalonien angeblich „früheren Ereignissen in der Informationskriegsführung ähnelt, wie dem amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf, der Brexit-Kampagne und den Wahlen in Frankreich und Deutschland“.

Milosevich gab zwar zu: „Es gibt keine materiellen oder digitalen Beweise dafür, dass [die Kampagne] von Präsident Wladimir Putin oder Mitgliedern seines Kabinetts angeordnet wurde.“ Dennoch kam sie zu dem dreisten Schluss, dass „Russland einen Informationskrieg gegen Spanien führt“.

Nach Milosevichs Beitrag forderten Vertreter der PP, der PSOE und der rechten Cuidadanos-Partei Maßnahmen zur Zensur kritischer Kommentare gegen die spanische Regierung. Sie forderten Google und soziale Netzwerke auf, Seiten von Websites, die unter russischem Einfluss stehen, zu verstecken.

Nur die pseudolinke Podemos kritisierte die Nationale Sicherheitskommission – allerdings von rechts. Sie warf der PP vor, sie würde Spaniens internationales Ansehen gefährden. Ihr Organisationssekretär Pablo Echenique beklagte, dass zwei russische Komiker die Verteidigungsministerin mit einem Scherzanruf davon überzeugt hätten, der abgesetzte katalanische Premier Carles Puigdemont sei ein russischer Spion gewesen. Er bezeichnete den Vorfall als „nationale Blamage... die absolute Unfähigkeit unserer Regierung, eine internationale Politik zu betreiben, über die man sich im Ausland nicht lustig macht“.

Die spanische Kampagne gegen Russland dient dem gleichen politischen Zweck wie die in den USA. Was dort als Versuch der Demokratischen Partei begann, russische Einflussnahme für ihre Wahlniederlage verantwortlich zu machen und zu nutzen, um Donald Trumps Wahl zum Präsidenten zu kippen, hat sich zu einem Generalangriff auf die Meinungsfreiheit entwickelt. Die Zensurmaßnahmen gegen russische Medien sind Teil einer umfassenden Kampagne gegen alle Websites, die die Politik der herrschenden Klasse entlarven – allen voran die World Socialist Web Site.

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