Deutsche Konzerne profitieren vom Ausverkauf Griechenlands

Deutsche Konzerne profitieren besonders stark von den sogenannten EU-Rettungspaketen in Griechenland. Sie sorgen für die Stilllegung unprofitabler Betriebe und eignen sich in Industrie, Infrastruktur und Tourismusbranche die rentabelsten Bereiche an. Ihr bester Agent vor Ort ist dabei die Syriza-Regierung von Alexis Tsipras.

Jüngstes Beispiel ist die geplante Stilllegung des traditionsreichen Haushaltsgerätewerks Pitsos im nächsten Jahr. Die 250 Arbeiter des Athener Werks, das 1865 gegründet wurde, werden mit Abfindungen entlassen.

Siemens und Bosch hatten die Fabrik 1977 aufgekauft, die seitdem als Teil von BSH (Bosch Siemens Hausgeräte) – ab 2015 nur noch Bosch – geführt wurde. Die von Pitsos exportierten Produkte werden in anderen Ländern unter den Markennamen Siemens und Bosch verkauft.

2006 flog ein Korruptionsskandal auf, in dessen Mittelpunkt die damaligen Siemens-Chefs Heinrich von Pierer und Volker Jung standen. Sie sollen seit 1997 griechische Politiker und Beamte mit rund 70 Millionen Euro bestochen haben, um sich lukrative Aufträge zu sichern. „Siemens-Hellas“-Chef Michael Christoforakos entzog sich der Verfolgung der Strafbehörden, indem er nach Deutschland ausreiste. 2012 kam es schließlich zu einem Deal mit der damaligen konservativen Regierung unter Antonis Samaras. Für das Versprechen von Siemens, ein neues Werk zu bauen, wurden alle Bußgeldzahlungen erlassen und der Strafbefehl zurückgezogen.

Tsipras, dessen Syriza-Bewegung sich damals noch in der Opposition befand, verurteilte dieses Abkommen als „Vertuschungsmanöver“ und versprach, die Abmachung in einer künftigen Regierung zu kündigen. Seit Syriza 2015 an die Macht kam, ist dieses Versprechen vergessen. Obwohl Siemens keine neuen Investitionen getätigt hatte und der Plan für ein neues Werk mit 700 Beschäftigten in der Schublade verschwunden war, kündigte Tsipras das Abkommen nicht, sondern versprach lediglich, er wolle nun führende Siemens-Manager vor Gericht verklagen.

Doch Siemens hatte im selben Monat des Jahres 2015, in dem Syriza an die Macht kam, seine Anteile dem Miteigentümer Bosch überlassen, der sich für das mit Siemens geschlossene Abkommen nicht zuständig erklärte. Trotz hoher Gewinne von 5 Milliarden (2015) und 4,3 Milliarden Euro (2016) will der Bosch-Konzern niedrigere Produktionskosten im türkischen BSH-Werk Çerkezköy ausnutzen und Teile der Produktion dorthin sowie in andere BSH-Betriebe verlagern. Die Bosch-Hausgerätesparte BSH verfügt über 41 Standorte, darunter in den Billiglohnländern Osteuropas und des ehemaligen Jugoslawiens (Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Polen, Slowakei, Kroatien, Slowenien, Serbien) sowie in Kirgisien und China.

Nachdem die Syriza-Regierung unter dem Diktat der EU massive Lohnsenkungen und soziale Kürzungen durchgeführt hat, lobte Ministerpräsident Tsipras auf einer Messe in Thessaloniki im September das enorme „Interesse der Investoren an unserem Land“. „Das Bild Griechenlands“ habe sich in den letzten Jahren grundlegend „zum Positiven“ verändert.

Während Bosch Pitsos wegen veralteter Anlagen schließen will, drängeln sich deutsche Konzerne beim griechischen Privatisierungsfonds, um beim Ausverkauf von öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen ein Schnäppchen zu machen. Diesem Fonds, der unter europäischer Aufsicht und damit im Wesentlichen unter deutscher Kontrolle steht, musste Griechenland seine staatlichen Vermögenswerte übertragen: Flughäfen und Häfen, Post, Eisenbahnen, Autobahnen, Strom-, Gas- und Wasserversorgung, Gebäude, Strände, sogar ganze Inseln und einiges mehr. Die deutschen Konzerne haben hier die Nase vorn und erhalten oftmals Vorzugskonditionen.

Schlagzeilen machte in diesem Sommer die Frankfurter Flughafengesellschaft Fraport. Das Unternehmen, an dem die Stadt Frankfurt und das Land Hessen zusammen die Mehrheit halten, hatte im Jahr 2014 den Zuschlag für das Betreiben von vierzehn der lukrativsten griechischen Flughäfen für 40 Jahre erhalten. Dazu gehören Filetstücke auf den Touristeninseln Rhodos, Mykonos, Santorin und Korfu sowie die Flughäfen der zweitgrößten griechischen Stadt Thessaloniki und der Hafenstadt Kavala.

Fraport bezahlt dafür nur 1,2 Milliarden Euro sowie 22,9 Millionen Euro jährlich Gebühren an den griechischen Staat. Der griechische Staat bleibt Grundeigentümer, erhält aber nicht einmal dreißig Prozent des Gewinns. Von diesem Geld muss er die Hälfte für die Schuldentilgung an die europäischen Gläubiger zahlen, nach einer Bestimmung, die CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble durchgesetzt hat.

Im Gegenzug soll die Frankfurter Flughafengesellschaft bis 2021 rund 330 Millionen Euro in die Flughäfen investieren. Bis heute hat Fraport jedoch keinen einzigen Euro investiert, dafür aber die Flughafengebühren und Ladenmieten der griechischen Geschäfte erhöht. Laut Handelsblatt verzeichnete Fraport in diesem Jahr allein durch die neugegründete griechische Tochter Fraport Greece eine Steigerung des operativen Gewinns um 106 Millionen Euro, etwa ein Achtel des gesamten Konzerngewinns von 808 Millionen Euro. Fraport konnte dadurch die Ausschüttungen an seine Aktionäre um 45 Prozent auf 181 Millionen steigern.

Nachdem die Übernahme in diesem Frühjahr abgeschlossen war, forderte Fraport im September plötzlich fast 70 Millionen Euro vom griechischen Staat als Entschädigung für angebliche Mängel der übernommenen Flughäfen. Die Gesellschaft hatte dafür eigens einen Gutachter beauftragt. Zum Vergleich: Die geforderte Summe ist mehr als doppelt so hoch wie die 30 Millionen Euro, die die griechische Regierung im nächsten Jahr bei den Heizkostenzuschüssen für arme Familien einsparen will.

Das Unternehmen stützt sich dabei auf eine entsprechende Vertragsklausel, die Entschädigungen zulässt. Im Juli klagte der griechische Europaabgeordnete Nikos Chountis, der der Syriza-Abspaltung „Volkseinheit“ angehört, in einer Anfrage an die Europäische Kommission, die griechische Regierung habe „zusätzliche Sicherheiten bezüglich des Kapitals gewährt, das die in Rede stehende Gesellschaft [Fraport] investieren wird“. Die Regierung habe sich dabei auf ein gesetzliches Dekret Nr. 2687 aus dem Jahr 1953 gestützt, mit dem zusätzliche Garantien für ausländisches Kapital eingeführt wurden, die sogar Entschädigungen bei Zwangsenteignungen und Schäden im Falle eines Krieges vorsehen.

Chountis betonte, dies sei ein rechtswidriges Vorgehen zugunsten der deutschen Fraport-Gesellschaft, und verglich das Vorgehen mit der Privatisierung des Hafens von Piräus im letzten Jahr, den die chinesische Großreederei Cosco erhalten hat. Damals habe die Europäische Kommission einem solchen „speziellen Schutzstatus für ausländische Investitionen [Nr. 2687/53]“ nicht zugestimmt und erklärt, dies sei „nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar“.

Die Syriza-Regierung hat diese Vorwürfe nicht kommentiert.

Ein weiteres Beispiel für den Einfluss der deutschen Konzerne beim Privatisierungsschacher ist neben der Privatisierung der Flughäfen auch der Verkauf des Hafens von Thessaloniki Ende April dieses Jahres. Ein internationales Konsortium bekam für 232 Millionen Euro den Zuschlag für eine 67-prozentige Pachtbeteiligung bis 2051. Angeführt wird das Konsortium von der in München ansässigen Deutschen Invest Equity Partners GmbH. Mit im Boot ist der griechisch-russische Investor Iwan Savvidis und die französische Firma Terminal Link.

Die Hafenarbeiter befürchten jetzt eine weitere Senkung ihrer Löhne, die seit den Diktaten der EU-Troika bereits um 35 Prozent gesunken sind.

Inzwischen hat sich die Syriza-Regierung gegenüber der EU als Gegenleistung für die Freigabe von Krediten zu weiteren Privatisierungen verpflichtet. Das betrifft unter anderem die Wasserwerke von Thessaloniki, ein Yachthafen und ein großes Strandgrundstück in der Nähe der Stadt.

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