Kurz vor der Parlamentswahl in Italien, die spätestens im Mai 2018 erfolgen muss, gehen die italienischen Demokraten (PD) einem ähnlichen Schicksal entgegen wie andere sozialdemokratische Parteien in Europa: Sie verlieren Wähler, brechen auseinander und versinken in der Bedeutungslosigkeit.
Bei den Wahlen, die am 5. November in Sizilien stattfanden, erhielt der PD-Kandidat für das Amt des Regionalpräsidenten, Fabrizio Micari, nur 19 Prozent der Stimmen, die PD als Partei sogar nur 13 Prozent. Sie lag damit weit abgeschlagen hinter einem Bündnis rechter und faschistischer Parteien, das die Wahl mit knapp 40 Prozent der Stimmen gewann, und der Fünf-Sterne-Bewegung Beppe Grillos, die auf 35 Prozent kam.
Die PD, die in Rom mit Paolo Gentiloni noch den Regierungschef stellt, hatte vor fünf Jahren auch die Wahl in Sizilen gewonnen. Doch der damals gewählte Regionalpräsident, Rosario Crocetta, löste kein einziges der brennenden sozialen Probleme. Im Gegenteil regierte er mit einem harten Sparprogramm, das die Infrastruktur – den Straßenbau, die Schulen, die Müllabfuhr, etc. – noch stärker verwahrlosen ließ. Obwohl er mit vielen Vorschusslorbeeren als Kämpfer gegen die Mafia gewählt worden war, enttäuschte er auch in dieser Hinsicht und geriet sogar selbst ins Visier des Staatsanwalts.
Die soziale Lage in Sizilien ist katastrophal. Viele Probleme Italiens finden hier ihren konzentrierten Ausdruck. So gibt es seit der Schließung der Fiat-Werke auf der Insel für die Jugend praktisch kaum noch Arbeitsplätze. Über 70.000 Jugendliche unter 30 Jahren haben Sizilien im letzten Jahr verlassen.
Das politische Vakuum, das die Politik der PD hinterlassen hat, haben rechte Kräfte ausgenutzt. Während mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten zuhause blieb und die Wahlbeteiligung mit 46,5 Prozent einen historischen Tiefstand erreichte, feierte der 81-jährige Ex-Premier Silvio Berlusconi, der wegen Bilanzfälschung und Richterbestechung bis 2019 selbst kein politisches Amt ausüben darf, ein Comeback. Er organisierte ein rechtes Bündnis aus Forza Italia, Lega Nord und der Faschistenpartei Fratelli d’Italia und trat selbst als Wahlkämpfer auf. Der Banker Sebastiano („Nello“) Musumeci, der aus der postfaschistischen Alleanza Nazionale stammt und sich selbst als „anständigen Faschisten“ bezeichnet, wurde zum Regionalpräsidenten gewählt.
Die Wahl in Sizilien widerspiegelt die Lage im ganzen Land. Auch hier befindet sich die Demokratische Partei (PD) im freien Fall.
Vor knapp einem Jahr, am 4. Dezember 2016, verlor der damalige Ministerpräsident Matteo Renzi das Referendum über eine Verfassungsreform. Er trat zurück und überließ die Regierungsgeschäfte seinem engen Vertrauten Paolo Gentiloni, ließ sich aber in der Hoffnung auf ein Comeback im April erneut zum Vorsitzenden der PD wählen.
In den Kommunalwahlen im Juni zeigte sich dann ein ähnliches Bild wie jetzt in Sizilien: Bei extrem niedriger Wahlbeteiligung brach das Regierungslager regelrecht ein. Die PD verlor zahlreiche Kommunen an die Lega Nord oder die Fünf-Sterne-Bewegung.
Parallel dazu ist die PD erodiert. Im Februar wechselte eine Gruppe von PD-Abgeordneten zu Nichi Vendolas neugegründeter Partei Sinistra Italiana. Kurz darauf verließen der frühere Parteichef Pierluigi Bersani und andere Parlamentarier die PD und gründeten das Movimento Democratico e Progressista (Mdp). Ihnen folgte Giuseppe Pisapia mit der Neugründung „Insieme“ (Gemeinsam). Und zuletzt hat Pietro Grasso, der prominente Senatspräsident der Partei, am 26. Oktober seinen Austritt aus ihrer Parlamentsfraktion erklärt. In Sizilien unterstützte ein Teil der Abtrünnigen nicht den Kandidaten der PD, sondern die Liste von Claudio Fava, dem Sohn eines Mafia-Opfers, was mit zu dem schlechten Ergebnis beitrug.
Geht man nach den aktuellen Umfragen, hat die PD kaum mehr eine Chance, den nächsten Regierungschef zu stellen. Danach liegt das von der PD angeführte Parteienbündnis mit knapp 30 Prozent deutlich hinter Berlusconis Rechtsbündnis (36 Prozent) und nur knapp vor der Fünf-Sterne-Bewegung (28 Prozent).
Den Rechten kommt auch das neue Wahlrecht, genannt „Rosatellum“ zugute, das die PD im Oktober gemeinsam mit den Rechten verabschiedete. Die Mischung aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht begünstigt die Bildung von Wahlbündnissen und sollte eigentlich die Fünf-Sterne-Bewegung isolieren, die sich bisher allen Allianzen verweigert. Doch nun begünstigt es die Rechten, die Listenverbindungen eingehen können, ohne sich vorher auf ein gemeinsames Programm zu einigen.
Der tiefere Grund für den Niedergang der PD ist die arbeiterfeindliche Politik, die sie seit 25 Jahren verfolgt und die sie in der Arbeiterklasse völlig diskreditiert hat. Als das traditionelle italienische Parteiensystem Anfang der 1990er Jahre in einem riesigen Korruptionsskandal implodierte und sich mit der Auflösung der Sowjetunion auch die einflussreiche Kommunistische Partei (KPI) auflöste, übernahm die Nachfolgepartei PDS die Aufgabe, den italienischen Kapitalismus zu stabilisieren.
Während die Rechtsregierungen unter Silvio Berlusconi hemmungslos in die eigene Tasche wirtschafteten, sahen die von der PDS unterstützten oder geführten Regierungen ihre Aufgabe darin, die Staatsfinanzen auf Kosten der Arbeiterklasse wieder in Ordnung zu bringen. Die Zerschlagung von Löhnen, sozialen Rechten und Errungenschaften tragen ihre Signatur. Zur Seite standen ihr dabei pseudolinke Organisationen wie Rifondazione Comunista, die 2006 sogar in die Regierung des ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi eintrat und damit ihr eigenes Schicksal besiegelte.
In diesen 25 Jahren rückte die PD immer weiter nach rechts und nahm nach und nach auch die Überreste der Christdemokraten in ihre Reihen auf, bis diese mit Matteo Renzi und Paolo Gentiloni schließlich die Führung stellten.
Die PD hat nicht nur systematisch die sozialen und demokratischen Rechte der Arbeiter angegriffen, sie steht den Rechtsextremen auch in Sachen Militarismus und Fremdenfeindlichkeit in nichts nach. So ist Innenminister Marco Minniti (PD) für einen Deal mit der libyschen Küstenwache verantwortlich, die Flüchtlinge mit brutalsten Mitteln daran hindert, die Überfahrt nach Italien anzutreten.
In das politische Vakuum, das so entstanden ist, dringen rechte, reaktionäre Kräfte vor. In Italien konnte einerseits die Fünf-Sterne-Bewegung davon profitieren, die sich als Gegnerin des Establishments ausgibt, in Schlüsselfragen wie der Sozial- und Flüchtlingspolitik aber ein rechtes, neoliberales und rassistisches Programm vertritt. Andererseits erhalten rechte Kräfte wie die Lega Nord Auftrieb, die sich inzwischen nur noch „Lega“ nennt, als nationale Partei auftritt und sich am Vorbild des französischen Front National orientiert.
Der italienische Soziologe Ilvo Diamanti bezeichnet den Niedergang der PD als „Krise einer Massenpartei, die heute offenbar keine Antworten auf die Bedürfnisse der Gesellschaft mehr hat“. Damit trifft er einen wahren Punkt. Die Parteien, die sich eins als „links“ bezeichneten, haben jedes Interesse an den sozialen Fragen, mit denen die Masse der Bevölkerung konfrontiert ist, aufgegeben. Sie vertreten die Interessen des Kapitals und wohlhabender Schichten der Mittelklasse.
Der Aufstieg rechter und faschistischer Kräfte ist eine große Gefahr. Sie kann nur durch den Aufbau einer revolutionären sozialistischen Bewegung in der Arbeiterklasse verhindert werden, die unabhängig von den Sozialdemokraten, den Gewerkschaften und ihren pseudolinken Anhängseln ist.