Die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) hat am 4. August ein weiteres Debakel erlitten. In dem Nissan-Werk in Canton (Mississippi) lehnte die Belegschaft mit einer Mehrheit von 63 zu 37 Prozent eine Vertretung bei Tarifverhandlungen durch die UAW ab.
In allen großen Autowerken im Süden der USA musste die UAW in der jüngeren Vergangenheit schon solche Niederlagen einstecken. 2014 weigerten sich die Beschäftigten im VW-Werk Chattanooga (Tennessee), sie als Vertretung anzuerkennen. Die gleiche Entscheidung fiel davor schon 1998 und 2001 im Nissan-Werk in Smyrna (Tennessee).
Seit fast vierzig Jahren steht die UAW bei der Schließung von Fabriken, dem Abbau von Arbeitsplätzen und den Angriffen auf Löhne und Zusatzleistungen an der Seite der Autokonzerne. Heute ziehen die Arbeiter daraus ihre eigenen Schlüsse. Nicht nur unter Arbeitern, die ihr niemals beitraten, ist die UAW verhasst, sondern auch bei der Mehrheit ihrer Mitglieder. Die Nissan-Arbeiter sehen einfach keinen Grund, warum sie einer korrupten rechten Bürokratie, die sich an den Arbeitern bereichert, statt sie zu vertreten, jeden Monat zweieinhalb Stundenlöhne als Beitrag zahlen sollen.
Die UAW kann nicht glaubhaft an die Einheit der Arbeiterklasse appellieren. Deshalb hat sie die Abstimmung in Mississippi als Rassenfrage dargestellt und behauptet, ein Sieg der UAW würde die „Bürgerrechte“ der größtenteils afroamerikanischen Belegschaft stärken. Dasselbe behaupteten Demokratische Politiker wie Bernie Sanders, afroamerikanische Geistliche und Hollywood-Prominente.
Die Arbeiter ließen sich davon zu Recht nicht beeindrucken. Die UAW steht für keinen ernsthaften Kampf. Sie hat die zweite Hälfte ihres Bestehens damit verbracht, Streiks zu unterdrücken und die Profite und Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Autokonzerne zu erhöhen. Bereits vor langer Zeit hat sie ihren Nationalismus auf die korporatistische Vorstellung von der „Partnerschaft“ zwischen Kapital und Arbeit ausgedehnt. Beispielhaft dafür waren die T-Shirts mit dem Aufdruck „Für Nissan, für die Gewerkschaft“, die die UAW in Mississippi verteilte.
Die UAW wollte den Konzern davon überzeugen, dass er seine Profite steigern könne, wenn er ihre Dienste in Anspruch nähme, statt sie auszusperren. Vor der Abstimmung im VW-Werk in Chattanooga 2014 hatte die UAW ein „Neutralitätsabkommen“ unterzeichnet, in dem sie versprach, „die Kostenvorteile und andere Wettbewerbsvorteile“, die Volkswagen gegenüber seinen Konkurrenten genießt, „zu wahren und wenn möglich zu vergrößern“. In der Praxis bedeutete dies eine Lohnsenkung für die VW-Arbeiter.
Obwohl das VW-Management damals die UAW unterstützte, verlor sie die Abstimmung. Nissan hielt es ihrerseits nicht für nötig, einen Mittelsmann für die Ausbeutung der Arbeiter zu unterhalten.
Nach der Abstimmung bei Nissan gab UAW-Präsident Dennis Williams dem republikanischen Gouverneur Phil Bryant und anderen Politikern die Schuld. Er behauptete, sie hätten „eine bösartige Kampagne gegen ihre eigene arbeitende Bevölkerung geführt, die von starker Panikmache, Desinformation und Einschüchterung geprägt war“.
Das ist eigennütziger Unsinn. Die UAW hat die Abstimmung nicht wegen einer gewerkschaftsfeindlichen Hetzkampagne verloren, sondern wegen ihres unternehmerfreundlichen Verhaltens in der Vergangenheit. Es ist eine historische Tatsache, dass die Sozialisten und militanten Linken, die in den 1930ern die UAW und den Congress of Industrial Organizations (CIO) aufgebaut hatten, im Untergrund operieren mussten und ständig von Schlägern und Spitzeln der Unternehmen mit Gewalt bedroht wurden.
Die UAW wurde im Verlauf heftiger Klassenkämpfe gegründet, zu denen u.a. der Streik bei Toledo Auto Lite und der Sitzstreik in Flint gegen General Motors gehörten. Das bedeutet, sie kämpften gegen den damals größten Konzern der Welt. Dabei trotzten die Arbeiter der Nationalgarde, der Polizei und den Richtern, die im Handumdrehen einstweilige Verfügungen ausstellten, wenn die Konzerne darum baten. Das schnelle Wachstum der UAW von 35.000 auf 350.000 in der Zeit von 1937 bis 1938 ist von einer Welle riesiger Arbeitskämpfe nicht zu trennen. An ihrer Spitze standen Arbeiter, die vom Sieg der russischen Arbeiterklasse in der Oktoberrevolution 1917 inspiriert waren.
Die jahrzehntelange Degeneration der UAW und ihre Verwandlung in ein direktes Werkzeug des Konzernmanagements begannen mit der antisozialistischen Hexenjagd und den Säuberungen der Gewerkschaften nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals wurden die UAW und andere kurz zuvor gegründete Industriegewerkschaften als pro-kapitalistische und pro-imperialistische Organisationen konsolidiert, die mit der Demokratischen Partei verbündet waren und es ablehnten, die Arbeiterklasse unabhängig zu organisieren.
1947 schloss UAW-Präsident Walter Reuther mehr als 100 Mitglieder seines Stabs aus, und viele andere mussten antikommunistische Treueschwüre unterschreiben. Einer seiner Gegner sagte später: „Man sollte es nicht McCarthyismus nennen, sondern Reutherismus.“
In den späten 1970ern endete Amerikas Vormachtstellung in der Weltwirtschaft und damit auch seine Politik relativer Klassenkompromisse. Angesichts der wachsenden Herausforderung durch europäische und asiatische Rivalen ging die amerikanische herrschende Klasse zu einer Politik des offenen Klassenkampfs über. Diese Entwicklung begann unter der Demokratischen Regierung von Jimmy Carter, der durch hohe Leitzinsen bewusst die Arbeitslosigkeit in die Höhe trieb und 1980 die erste Rettungsaktion für Chrysler organisierte, in deren Verlauf zahlreiche Werke geschlossen und die Löhne gesenkt wurden. Der Republikaner Ronald Reagan führte diese Politik fort. Mit der Entlassung von 11.000 streikenden Fluglotsen begann eine zehnjährige Periode des Kampfs gegen die Gewerkschaften.
Die UAW und die anderen Gewerkschaften sind mit ihrem Nationalismus und ihrer kapitalistischen Politik nicht in der Lage, eine fortschrittliche Antwort auf die Globalisierung zu geben, die es den Kapitalisten erlaubt, ihre Produktion in die Billiglohnländer der Welt zu verlagern. Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Detroiter Autokonzerne zu steigern, hat die UAW jeden Widerstand gegen den Angriff der Konzerne und der Regierung eingestellt. Seit 1983 ist der Korporatismus ihre offizielle Doktrin, und in einer schmutzigen nationalistischen Kampagne macht sie Japaner und andere ausländische Arbeiter – und nicht die Autokonzerne – für den Angriff auf die amerikanischen Arbeitsplätze verantwortlich.
Zum Dank dafür, dass die UAW als aktiver Partner das Management bei der Durchsetzung seiner Diktate unterstützt, stecken die Autobosse Milliarden Dollar in gemeinsame „Ausbildungsprogramme“ und andere Arbeitnehmer/Arbeitgeber-Programme, die die UAW-Bürokratie kontrollieren darf. Seither hat sie eine Einkommensquelle, die sie von den sinkenden Mitgliederbeiträgen unabhängig macht. 1978 verabschiedete der Kongress ein besonderes Gesetz, den Labor Management Cooperation Act, um die juristischen Einschränkungen für die Finanzierung von Gewerkschaften durch Unternehmen zu überwinden, die noch aus den 1930er Jahren stammten.
Ein wichtiger Grund für die Niederlage der UAW in Mississippi war der Korruptionsskandal um den verstorbenen UAW-Vizepräsidenten General Holiefield. Laut der Staatsanwaltschaft hat er zwischen 2009 und 2014 mehr als 1,2 Millionen Dollar Bestechungsgelder von Fiat Chrysler-Vorständen kassiert, während er nachteilige Tarifverträge mit dem Unternehmen aushandelte. Die Zahlungen wurden über das UAW-Chrysler National Training Center abgewickelt. Doch es geht hier nicht um eine einzelne „faule Tomate“, wie es UAW-Präsident Williams letzte Woche behauptete, sondern um die tiefere Beziehung zwischen den Gewerkschaften, den Konzernen und der Regierung.
Die gleichen kleinbürgerlichen und pseudolinken Organisationen, die in den 1960ern und 1970ern nichts mit den Gewerkschaften zu tun haben wollten, als sie noch Dutzende Millionen Arbeiter als Mitglieder hatten, wurden zu überzeugten Verteidigern dieser Organisationen, nachdem sich diese in eine Betriebspolizei der Konzerne verwandelt hatten. Alle diese falschen „linken“ Organisationen zu denen z.B. die International Socialist Organization oder die Democratic Socialists of America gehören, erklären heute, die Arbeiter müssten sich der Autorität der rechten und arbeiterfeindlichen Gewerkschaftsapparate unterwerfen.
Den Kampf gegen die Konzerndiktatur in den Betrieben und gegen die Plünderung von Löhnen, Gesundheitsleistungen und Renten können und werden die Gewerkschaften nicht führen. Das müssen die Arbeiter tun, indem sie sich von ihrer Kontrolle befreien und ihre Interessen selbst in die Hand nehmen. Die Socialist Equality Party ruft zur Bildung von demokratisch gewählten und von der Belegschaft geführten Werkskomitees auf, die davon ausgehen, dass zwischen den Interessen der Arbeiterklasse und denen der kapitalistischen Ausbeuter und ihrer politischen Repräsentanten ein unversöhnlicher Konflikt besteht.
Der jahrzehntelange Verrat der UAW zeigt, dass es unmöglich ist, eine Arbeiterbewegung auf der Grundlage von Antikommunismus und Nationalismus aufzubauen. Eine neue Strategie ist notwendig, um die bevorstehenden Massenkämpfe gegen Ungleichheit, Armutslöhne und Krieg zu führen. Arbeiter müssen mit beiden kapitalistischen Parteien brechen und eine politische Arbeitermassenbewegung aufbauen, die sich auf die internationale Einheit aller Arbeiter stützt, um die Wirtschaft auf sozialistische Weise umzugestalten. Anstatt die Profitgier der Superreichen zu bedienen, müssen die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung befriedigt werden.