Perspektive

SPD auf AfD-Kurs

Wer geglaubt hat, es gebe eine rechte Hemmschwelle, die die SPD im Bundestagswahlkampf nicht überschreiten werde, wurde am Sonntag eines anderen belehrt.

Nachdem bereits das SPD-Wahlprogramm, der sogenannte „Deutschlandplan“, für die Fortsetzung der arbeiterfeindlichen Agenda-Politik des letzten SPD-Kanzlers Gerhard Schröder eintritt und für eine massive innere und äußere Aufrüstung wirbt, hat nun der Vorsitzende und Kanzlerkandidat der Partei, Martin Schulz, auch noch die letzte Hürde geschleift, die die SPD von der AfD und anderen rechtsextremen Parteien unterschied: Er hetzt offen gegen Flüchtlinge.

Ausgerechnet im rechten Boulevard-Blatt Bild am Sonntag trat Schulz dafür ein, die Flüchtlingspolitik zu einem zentralen Wahlkampfthema zu machen. 2015 seien mehr als eine Million Flüchtlinge „weitgehend unkontrolliert“ nach Deutschland gekommen, erklärte er im Jargon der AfD. Das dürfe sich nicht wiederholen. Bundeskanzlerin Angela Merkel griff er von rechts an, indem er ihr vorwarf, sie habe ohne Absprache mit anderen EU-Staaten die Grenze für Flüchtlinge geöffnet.

Nun sei die Lage im Mittelmeer erneut „hochbrisant“, warnte Schulz dann. „Wenn wir jetzt nicht handeln, droht sich die Situation zu wiederholen.“ Um dies zu verhindern, verlangte er verschärfte Maßnahmen zu Flüchtlingsabwehr. Unter anderem soll ein „europäisches Einwanderungsgesetz“ dafür sorgen, dass nur noch ausgewählte Bewerber nach Europa kommen dürfen. Wer als Flüchtling Asyl beantragt und abgewiesen wird, soll das Recht auf Einwanderung für immer verwirken. „Jemand, der Asyl beantragt, kann sich anschließend nicht mehr auf das Einwanderungsrecht berufen,“ wie Schulz der Augsburger Allgemeinen erklärte.

Gleichzeitig will Schulz andere EU-Staaten mit finanziellen Sanktionen dazu zwingen, mehr Flüchtlinge aus Italien aufzunehmen, wo derzeit zahlreiche Flüchtlinge über das Mittelmeer ankommen. Deutschland nimmt er davon ausdrücklich aus. „Jetzt sind die anderen EU-Mitgliedsstaaten dran,“ betonte er.

Schulz, der seit über 40 Jahren als Politiker aktiv ist, kennt die hetzerische Wirkung seiner Worte. Sie fördern das Wachstum der AfD und anderer rechtsextremer Parteien in ganz Europa. Ähnliche Hetztiraden gegen Flüchtlinge, die bis tief in die etablierten Parteien und Medien verbreitet wurden, hatten schon vor zwei Jahren zu einem Anwachsen der Rechtsextremen geführt.

Einige Kommentare führen den Umstand, dass nun auch er SPD-Vorsitzende auf der „Klaviatur der Überfremdungsängste“ (Rheinische Post) spielt, auf dessen „Verzweiflung“ zurück. Nach dem Verpuffen des künstlich geschürten Schulz-Hypes liegt die SPD in den Wählerumfragen wieder weit abgeschlagen hinter der Union und hat kaum noch Chancen, nach der Bundestagswahl im September den Kanzler zu stellen.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die SPD buhlt nicht nur aus wahltaktischen Gründen um die Wähler der AfD. Ihr Rechtschwenk hat tiefere gesellschaftliche Ursachen. Sie reagiert damit auf die wachsende soziale Polarsierung und die sich anbahnende Radikalisierung in der Arbeiterklasse und der Jugend.

Seit die SPD 1914 ihr sozialistisches Programm verriet und den Ersten Weltkrieg unterstützte, in dem Millionen Arbeiter sinnlos abgeschlachtet wurden, sieht sie ihre Aufgabe darin, die kapitalistische Gesellschaft zu verteidigen und Widerstand dagegen zu unterdrücken. In Zeiten des Aufschwungs versuchte sie, den Klassenkampf mittels sozialer Zugeständnisse zu dämpfen, doch in Zeiten der Krise griff sie stets zu den brutalsten Unterdrückungsmethoden.

So verbündete sie sich am Ende des Ersten Weltkriegs mit der Reichswehr, um die revolutionären Aufstände der Arbeiter und Soldaten blutig niederzuschlagen und ihre Führer, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, zu ermorden. Als die Weimarer Republik 1929 erneut in die Krise geriet, unterstützte die SPD das halbdiktatorische Regime Heinrich Brünings, das mit Notverordnungen die sozialen Errungenschaften der Arbeiter zerstörte, und unterstützte dann die Wahl Generalfeldmarschall Hindenburgs zum Reichkanzler, der seinerseits Hitler zum Kanzler berief.

Der Wirtschaftsaufschwung der Nachkriegszeit ermöglichte eine neue Phase sozialer Reformen, die bereits Mitte der 1970er Jahre zu Ende ging. Der damalige SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt leitete eine sozialpolitische Kehrtwende ein, die von seinem CDU-Nachfolger Helmut Kohl fortgesetzt wurde und bis heute anhält. Anfang der 2000er Jahre war es dann wieder ein SPD-Kanzler, Gerhard Schröder, der mit den Hartz-Gesetzen einen riesigen Niedriglohnsektor schuf.

Mit der Finanzkrise 2009 hat die globale Krise des Kapitalismus ein Ausmaß erreicht, das selbst den Schein sozialer Reformen unmöglich macht. Überall werden die sozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse zerschlagen, während sich eine kleine Oberschicht hemmungslos bereichert. Die Großmächte rüsten auf, verwüsten ganze Länder und Regionen wie im Nahen Osten und bereiten sich auf einen neuen imperialistischen Weltkrieg vor.

Diese Politik wird von allen etablierten Parteien unterstützt. Union, FDP, Grüne und SPD wetteifern darum, wer die wirkungsvollste Aufrüstung der Bundeswehr, die aggressivste Außenpolitik, die meisten Polizisten und die weitgehendsten Sozialkürzungen fordert. Keine will zurückstehen, wenn es darum geht, die verzweifelten Opfer der Kriege im Nahen Osten und Afrika brutal abzuwehren.

So hat CDU-Generalsekretär Andreas Scheuer Schulz‘ Kritik an Merkel mit dem Argument zurückgewiesen, die SPD habe das Eintreten der CDU für „mehr Abschiebungen, mehr sichere Herkunftsstaaten, Grenzkontrollen und Transitzonen“ bisher stets verhindert.

Auch die Linkspartei unterstützt diesen Kurs. Sie ordnet ihre gesamte Politik dem Ziel unter, gemeinsam mit der SPD die nächste Bundesregierung zu bilden. Ihre Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht hetzt seit langem mit Parolen gegen Flüchtlinge, die sich kaum von jenen der AfD unterscheiden.

Was all diese Parteien vereint, ist ihre Furcht vor einer Rebellion der Arbeiterklasse und der Jugend. Davor haben sie weit mehr Angst als vor dem Aufstieg der AfD, die sie mit ihrem Kurs fördern und deren Politik sie übernehmen.

Das Einschwenken der SPD auf den Kurs der AfD ist nicht nur Ausdruck des vollständigen Bankrotts dieser Partei, die ihre Laufbahn im 19. Jahrhundert als marxistische Arbeiterpartei begann. Es zeigt auch, das heute kein einziges Problem – die Verteidigung von Flüchtlingen und demokratischen Rechten, der Widerstand gegen Sozialabbau und Entlassungen, der Kampf gegen Krieg – mehr gelöst werden kann, ohne seine Ursache, das kapitalistische System zu bekämpfen, das von der SPD und der Linkspartei verteidigt wird.

Die Sozialistische Gleichheitspartei ist die einzige Partei, die im Bundestagswahlkampf für ein sozialistisches Programm eintritt. Sie verbindet den Kampf gegen Krieg und Staatsaufrüstung mit der Verteidigung demokratischer und sozialer Rechte und kämpft für den Aufbau einer internationalen Bewegung der Arbeiterklasse zum Sturz des Kapitalismus. Wir rufen alle Leser der WSWS auf, den Wahlkampf der SGP zu unterstützen und Mitglied zu werden.

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