US-Präsident Trump hat mit der Rede, die er am Sonntag in Saudi-Arabien hielt, in Europa teils heftige Reaktionen ausgelöst. Während sich führend Politiker zurückhielten, weil sie Trump am Donnerstag zu einem Nato-Gipfel in Brüssel und am Freitag zu einem G7-Gipfel in Sizilien erwarten, haben viele Medien seinen Auftritt scharf kritisiert.
Im Zentrum steht dabei der Vorwurf, mit seiner eindeutigen Parteinahme für Saudi-Arabien und gegen den Iran heize Trump den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten und die Kriege in der Region weiter an.
Trump habe „die Islamische Republik als ebenso wichtigen Gegner bezeichnet wie die sunnitischen Extremisten von Al Kaida oder der Organisation Islamischer Staat (IS). Das ist eine Kehrtwende,“ kritisiert die französische Tageszeitung Le Monde. Sie wirft dem US-Präsidenten vor, er habe mit seiner Rede einen Tag nach der iranischen Präsidentenwahl, in der eine Mehrheit von 57 Prozent für den reformistischen Präsidenten Hassan Rohani stimmten, die „saudische Monarchie, die diktatorischste und rückständigste der Region“, gestärkt.
Die deutsche Wochenzeitung Die Zeit kommentiert: „Mit einer so pauschalen Parteinahme – hier der Verbündete Saudi-Arabien, dort der Feind Iran – verschärft Trump die Konflikte in der Region.“ Die Tageszeitung schreibt: „Trump hat zwar der ‚Schlacht zwischen verschiedenen Religionen‘ eine Absage erteilt, zugleich aber den innerislamischen Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten weiter angeheizt.“
Auch die italienische Zeitung Il Sole 24 Ore wirft Trump vor, er habe mit der Wiederbelebung der alten Strategie der Isolation des Iran „den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten weiter geschürt“.
Die europäischen Mächte stehen den USA in nichts nach, wenn es darum geht, im Nahen Osten religiöse und ethnische Konflikte zu schüren, um die eigenen wirtschaftlichen und Machtinteressen zu verfolgen. Fast alle beteiligen sich mit eigenen Truppen an den Kriegen in Afghanistan, dem Irak und Syrien, bewaffnen unterschiedliche Regime und Milizen und haben entschieden dazu beigetragen, den Bürgerkrieg in Syrien zu schüren. Wenn sich nun die europäischen Medien trotzdem über eine Verschärfung der Konflikte durch Trump beschweren, hat dies vor allem zwei Gründe.
Erstens befürchten sie, dass weitere Kriege im Nahen Osten Europa destabilisieren und die Europäische Union völlig sprengen werden. Bereits 2015 hatte die Zuwanderung Hunderttausender Flüchtlinge zu heftigen Konflikten innerhalb der EU geführt. Diese konnte den Flüchtlingsstrom nur bremsen, indem sie einen schmutzigen, aber äußerst brüchigen Deal mit dem türkischen Präsidenten Erdogan schloss und das Mittelmeer abriegelte, so dass dort jedes Jahr Tausende ertrinken. Eskalieren die Konflikte weiter, würden selbst diese brutalen Methoden nicht ausreichen, verzweifelte Menschen von der Flucht nach Europa abzuhalten.
Zweitens, und dies ist der Hauptgrund, kollidiert Trumps eindeutige Parteinahme für Saudi-Arabien und Israel mit den strategischen Interessen europäischer Mächte. Vor allem Deutschland (und teilweise auch Frankreich) setzen auf eine Öffnung des Iran, um in der Region Fuß zu fassen. Mit seinen riesigen Ölreserven und seiner jungen, gut ausgebildeten Bevölkerung ist das Land wirtschaftlich für sie interessanter als Saudi-Arabien.
Deutschland hat außerdem großes Interesse am chinesischen „Neue Seidenstraßen“-Projekt, das auch die Golfregion mit einbeziehen soll. Es lehnt daher Trumps Konfrontationskurs mit dem Iran ab, der sich auch gegen China richtet. Das deutsche Außenministerium war schon 2015 maßgeblich am Zustandekommen des Atomabkommens mit dem Iran beteiligt, das die Sanktionen gegen das Land schrittweise lockern und es für internationale Investitionen und Waren öffnen sollte.
Zahlreiche Kommentare fordern deshalb die deutsche und die europäischen Regierungen auf, die eigenen Interessen in der Region aggressiver gegen die USA zu verfolgen.
Typisch ist ein Beitrag der Rhein-Zeitung: „Ausgerechnet als im Iran der Reformer Hassan Ruhani die Präsidentenwahl für sich entscheidet und viele Iraner auf eine weitere Öffnung in Richtung Westen hoffen, erklärt Trump das Land zum neuen, alten Erzfeind und kritisiert dessen Demokratie in scharfen Tönen – wohlgemerkt in Saudi-Arabien. Für die Reformkräfte im Iran ist dies ein Schlag ins Gesicht. Diese neue Front aufzumachen, ist strategisch dumm...“
Die Süddeutsche Zeitung wirft „Trump und seinen Leuten“ vor, sie wollten „Iran isolieren und eindämmen“, und fordert: „Europa kann und muss in dieser Situation eine Mittlerrolle einnehmen, auch wenn ihm die harten Mittel der Macht fehlen, um wirklich Einfluss zu nehmen. Das Festhalten am Atomabkommen mit Iran gehört genauso dazu wie die Pflege der Beziehungen zu beiden Seiten des Golfs.“
Trumps Politik ist reaktionär, aber die Kritik der deutschen Medien daran auch. Sie ist mit einer intensiven militärischen Aufrüstung verbunden, die Deutschland und andere europäische Mächte mit den „harten Mittel der Macht“ versehen soll, die ihnen „fehlen, um wirklich Einfluss zu nehmen“.
Auf dem Nato-Gipfel am Donnerstag werden die europäischen Regierungschefs Trump erneut feierlich versichern, dass sie ihre Militärausgaben auf mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung erhöhen – was für Deutschland fast eine Verdoppelung bedeutet. Die Ereignisse im Nahen Osten zeigen, dass diese Aufrüstungsspirale mit wachsenden Konflikten einhergeht, die auch zu Kriegen zwischen den derzeitigen Nato-Verbündeten führen können.
Wie gespannt die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA bereits sind, zeigt der Leitartikel in der jüngsten Ausgabe des Spiegels, der noch vor Trumps Rede in Riad geschrieben wurde. Eine derart wüste Beschimpfung des Präsidenten der USA hat man in einem etablierten deutschen Nachrichtenmagazin seit 1945 nicht mehr gelesen.
Der Chefredakteur des Nachrichtenmagazins, Klaus Brinkbäumer, schreibt, Trump sei ein „hundertfach überführter Lügner, Rassist, Betrüger“ und „eine Gefahr für die Welt“. Um ihn loszuwerden, schlägt er „fünf mögliche Lösungen“ vor, von denen er die ersten vier gleich wieder als unrealistisch verwirft: Trump müsst selbst zurücktreten, durch ein Amtsenthebungsverfahren abgesetzt, von der Mehrheit des Kabinetts für Amtsunfähig erklärt oder nach der Kongresswahl in 18 Monaten abgesetzt werden.
Als fünfte Variante, die „zwingend und immerhin möglich“ sei, nennt Brinkbäumer: „Die Weltgemeinschaft erwacht. Findet Wege um das Weiße Haus herum. Wird handlungsfähig ohne die USA.“
Schließlich vergleicht er Trump mit der Figur „Mad King“ aus er Serie „Game of Thrones“, der ermordet wurde, und dem Kind, das ihm folgte und auch „nicht besser“ war: „Im wahren Leben sitzt nun ein kleiner Junge auf dem Thron des wichtigsten Landes der Welt; und dieser Junge kann jederzeit einen katastrophalen Befehl erteilen, der sofort ausgeführt werden wird. Darum dürfen sich die Eltern nicht wegducken…“ Wer diese „Eltern“ sind, schreibt Brinkbäumer nicht, doch anscheinend meint er die Deutschen.