Der Verkauf von Opel-Vauxhall an Peugeot Citroën PSA bedroht nach Expertenansicht mindestens 6000 Arbeitsplätze und möglicherweise mehrere Standorte. PSA-Vorstandschef Carlos Tavares will 1,7 Milliarden Euro pro Jahr einsparen. Ein Spitzentreffen in Berlin hat am Mittwoch erneut gezeigt, dass Tavares fest auf die Zusammenarbeit der IG Metall und der Opel-Betriebsräte bauen kann.
Der Inhalt der Gespräche, die am 5. April im Wirtschaftsministerium in Berlin geführt wurden, blieb streng geheim. In der Art einer Verschwörung trafen sich die so genannten „Arbeitnehmervertreter“ hinter verschlossenen Türen mit dem PSA-Chef und führenden Bundespolitikern, um die Maßnahmen abzusprechen, die Opel-Vauxhall in Zukunft am Markt konkurrenzfähig machen sollen. Eingeladen hatte die Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) und ihr Opel-Beauftragter Matthias Machnig (SPD).
An dem Treffen nahmen außer dem PSA-Chef Carlos Tavares der IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, der stellvertretende Opel-Gesamtbetriebsratschef Lothar Sorger sowie die Ministerpräsidenten oder deren Stellvertreter aller Länder mit Opel-Standorten teil. Neben Malu Dreyer (SPD, Rheinland-Pfalz) und dem hessischen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) war auch der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) zugegen.
Nach dem Treffen machte der PSA-Chef lediglich deutlich, dass er über die äußerst enge Zusammenarbeit der deutschen Gewerkschaften mit den Autobossen zufrieden sei. In einem Statement auf der Website des Wirtschaftsministeriums wird Tavares mit den Worten zitiert, er sei entschlossen, „die wertvolle Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretungen fortzusetzen“; diese Zusammenarbeit sei „ein zentraler Faktor für den Erfolg des Unternehmens“.
Weder der Opel-Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer Klug, noch der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann ließen Einzelheiten des Gesprächs nach außen dringen, das damit den Charakter einer Verschwörung gegen die Arbeiter erhält. Im Vorfeld hatte Schäfer-Klug gefordert, dass die Betriebsräte enger in den Übergangsprozess eingebunden werden müssten.
Nach dem Gespräch bestätigten alle Teilnehmer, es sei „in einer überaus konstruktiven Atmosphäre“ verlaufen. „Wir haben verabredet, dass wir nicht allzu viel nach draußen geben“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Dreyer (SPD) der Presse.
Auf der Betriebsversammlung am Donnerstag verabreichte der Betriebsrat weitere Beruhigungspillen und wiederholte die stereotype Behauptung, der neue Eigentümer PSA werde alle Verträge einhalten und – zumindest bis Ende nächsten Jahres – keine Arbeitsplätze vernichten. Dem Einwand eines Vertrauensmannes, der vorher in Bochum gearbeitet hatte, dass man auch dort genau dieselben Phrasen vor der Schließung des Opel-Werks gehört habe, wurde nichts Inhaltliches entgegengesetzt.
Ohne weitere Einzelheiten teilte die Betriebsleitung mit, dass die Adam Opel AG bis zum Sommer in eine GmbH umgewandelt werden soll. Auch soll ein Teil des Entwicklungsbereichs weiterhin bei General Motors verbleiben – wobei indessen nicht bekannt wurde, ob es sich um die Forschungsabteilung in Turin handelt oder ob es auch Powertrain in Rüsselsheim betrifft. Powertrain entwickelt auch Getriebe und Motoren für GM-Modelle. Alles in allem weigerte sich Betriebsratschef Schäfer-Klug konsequent, irgendwelche Aussagen über das Treffen in Berlin zu machen.
Die PSA Group hatte Anfang März mit General Motors vereinbart, Opel-Vauxhall für 2,2 Milliarden zu kaufen. Der europäische Konzern betreibt neun Werke in Deutschland, Großbritannien, Polen, Spanien, Österreich und Ungarn mit rund 35.000 Beschäftigten. Zu dem Berliner Spitzentreffen waren jedoch nur Vertreter der deutschen Standorte eingeladen, und die Vertreter von IG Metall und Betriebsrat fanden das offensichtlich auch vollkommen in Ordnung – ihre Politik ist seit Jahren völlig nationalistisch und standortbezogen.
Die Übernahme durch PSA findet unter Bedingungen eines gewaltigen Umbaus in der globalen Autoproduktion statt. In Deutschland ist jeder siebte Arbeitsplatz von der Autoindustrie abhängig. Opel unterhält hier noch Produktionsstandorte in Eisenach, Kaiserslautern und Rüsselsheim, wo auch das Forschungszentrum mit über 7000 Mitarbeitern steht.
Bei Vertragsabschluss Anfang März hatte der PSA-Vorstand die Einhaltung aller Standortgarantien bis 2020 und den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2018 zugesagt – allerdings nur in einer mündlichen Zusage. Als „französischen Treueschwur für Opel mit ungewisser Haltbarkeit“, bezeichnete dies das Handelsblatt.
Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer machte klar, dass die mündlichen Zusagen von Tavares lediglich Beruhigungspillen sind, um die Belegschaften ruhig zu stellen. In einem Kommentar zu dem Berliner Treffen sagte Dudenhöffer dem Sender n-tv: „Alles was bisher bekannt ist, ist ja, dass Tavares knallhart saniert, d.h. Kosten abbaut … diese bisherigen Zusagen – ein Jahr oder ein bisschen mehr – das ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben ist.“
Der Konzern sei durch den Wettbewerb gezwungen, schnell zu sanieren, und „schnelle Sanierung heißt: Kosten runter“, so Dudenhöffer. Auf Opel kämen jetzt „harte Kostenreduzierungsprogramme“ zu.
Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Wolfgang Schäfer-Klug stellt sich bereits auf scharfe Angriffe auf die Arbeiter ein. Am 30. März gab er der Wirtschaftswoche ein langes Interview. Darin bekräftigte der Opel-Betriebsratschef, er gehe davon aus, dass die 1,7 Milliarden Euro Einsparungen pro Jahr erreicht werden könnten. Gleichzeitig drohte er, dass die Übernahme durch PSA – die er unterstützt – konkret Arbeitsplätze gefährden werde.
Dies stehe im Zusammenhang mit dem Umbau der gesamten Autoindustrie und besonders der Entwicklung des Elektroautos. Schäfer-Klug sagte, wenn sich diese Trends „auf Basis der jetzigen Regulierungsanforderungen durchsetzen, wird das die Automobilindustrie signifikant Arbeitsplätze kosten“. Zynisch stellte er fest: „Noch leben wir im Kapitalismus und noch muss mit Autos Geld verdient werden, um Arbeitsplätze zu sichern.“
Auch Schäfer-Klugs Vorgänger, der frühere „Mister Opel“ Klaus Franz, veröffentlichte seine Einschätzung in einer Wirtschaftszeitung. In einem langen Artikel („Opels Zitter-Zukunft unter der Peugeot Herrschaft“) schlug er im Manager-Magazin im Ton eines Unternehmensberaters vor, PSA/Opel in eine „europäische Aktiengesellschaft (SE) mit einer Mitbestimmungsvereinbarung nach deutschem Vorbild“ zu überführen. Er erteilte Ratschläge, wie die Marktziele von PSA am besten zu erreichen seien, die er so wiedergab: „Bis zum endgültigen Vertragsabschluss Ende 2017 muss ein Plan stehen, der Opel ab 2020 wieder in die Gewinnzone führt und für 2026 eine Rendite von 6 Prozent vorsieht.“
Das Zusammengehen mit PSA sei derzeit „alternativlos“, so Franz, denn „Opel fehlt es an Größe, Marktanteilen und Ertragskraft, um alleine existieren zu können“. Weiter führte Franz aus, dass sowohl das Motorenwerk in Kaiserslautern als auch das spanische Opel-Werk in Saragossa schlechte Zukunftschancen hätten. Ein harter Brexit könne dazu führen, die Zulieferindustrie nach Großbritannien zu verlagern: „Dies kann zu Problemen im Komponentenwerk Kaiserslautern führen.“
Wenn außerdem die Synergien „Stück für Stück in Konstruktion, Einkauf, Verwaltung und Produktion mit jedem neuen Modell vollzogen“ würden, werde dies dazu führen, dass „der Druck auf das spanische Werk in Saragossa, ausgehend von den osteuropäischen PSA-Werken, enorm sein“ werde, so Franz.
Zweifellos würden „im Rahmen des Turnarounds … Arbeitnehmerbeiträge eingefordert werden“, so der ehemalige Betriebsratschef weiter. Er schlug vor, diese finanziellen Opfer, die die Arbeiter leisten sollen, „in Form einer Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung abzusichern“.
Dieser Vorschlag ist nicht neu. Schon 2009, als eine Übernahme durch den kanadisch-österreichischen Autozulieferer Magna geplant war, hatte Klaus Franz eine solche „Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung“ vorgeschlagen: Eine eigene Kapitalgesellschaft sollte aus drastischen Einsparungen bei den Arbeitern gespeist werden, und nur die Betriebsräte und einige IG Metall-Funktionäre sollten die Kontrolle darüber ausüben – eine böse Falle für die Arbeiter, die keine Garantien erhalten hätten, über ihre Einlagen verfügen zu können.
Damals blieb Opel am Ende doch bei General Motors, und Klaus Franz wurde für sein Krisenmanagement mit dem internationalen Preis „Kommunikator des Jahres“ ausgezeichnet. Im Verlauf dieses „Krisenmanagements“ unterstützte der Gesamtbetriebsrat den Abbau von 15.000 Arbeitsplätzen, organisierte die Schließung des Opel-Werks in Bochum mit 3300 Arbeitern und setzte in der Restbelegschaft ein erbarmungsloses Sparprogramm durch.
Davor hatten IG Metall und Opel-Betriebsräte schon der Schließung der Fabrik in Antwerpen und dem Saab-Werk in Trollhättan zugestimmt. Seither wurde auch das Opel-Werk in St. Petersburg und die Holden-Produktion in Australien eingestellt.
Wie das Manager Magazin vom 24. März berichtet, winkt dem Opel-Vorstand bei erfolgreichem Verkauf eine Millionenprämie. Die Noch-Eigentümerin General Motors habe den Managern eine Summe von zwanzig bis dreißig Millionen Euro in Aussicht gestellt, wenn der Verkauf tatsächlich abgeschlossen sei. Diese Prämien seien auch davon unabhängig, ob die Manager Opel verlassen. Der Meldung zufolge soll Karl-Thomas Neumann, der jetzige Opel-Vorstandschef, im März bereits einen Teil seiner GM-Aktien verkauft und dafür über vier Millionen Dollar kassiert haben.
Ob, von welcher Seite und in welcher Höhe der Betriebsratsführung ähnliche Prämien winken, ist bisher nicht bekannt. Sicher ist jedoch, dass sie vollkommen auf der Seite des Vorstands – ob er nun Opel, General Motors oder PSA heißt – und der Kapitalseite befindet. „Noch leben wir im Kapitalismus“, wie Schäfer-Klug den Medien vordoziert. In einer Krise des Kapitalismus wie heute ist der Gesamtbetriebsrat bereit, die Arbeitsplätze und den Lebensstandard von tausenden von Arbeitern in ganz Europa der Profitgier der Aktionäre zu opfern.