Die Botschaft der Saarland-Wahl

Die Landtagswahl am vergangenen Sonntag im Saarland hatte eine eindeutige Botschaft. Sie lautet: Der angebliche Aufschwung der SPD dank Martin Schulz ist ein reines Kunstprodukt und hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Die Schulz-Euphorie, die seit Wochen die Medien beherrscht, widerspiegelt nicht die Stimmung der Bevölkerung, sondern wurde künstlich erzeugt, um einen Regierungswechsel in der Bundespolitik vorzubereiten.

Seit die SPD Ende Januar den Führungswechsel von Sigmar Gabriel zu Martin Schulz vollzog, war und ist sie in den Schlagzeilen. Es verging buchstäblich kein Tag, an dem Schulz nicht gefeiert und als „Erneuerer der Sozialdemokratie“ und „Hoffnungsträger für die liberale Demokratie“ stilisiert wurde. Im Februar kündigte Schulz einen „Wahlkampf für Gerechtigkeit“ an. Die schlimmsten Fehler der Hartz-Gesetze und Agenda 2010 müssten korrigiert werden, betonte er in unzähligen Interviews und in vielen Talkshows.

Vor knapp zwei Wochen wurde er auf einem Sonderparteitag der SPD zum neuen Vorsitzenden gewählt und erhielt dabei 100 Prozent der Delegiertenstimmen. Das hatte es in der langen Geschichte der SPD noch nie gegeben und war selbst im Vergleich mit DDR-Verhältnissen ungewöhnlich. Selbst SED-Chef Honecker hatte immer noch ein, zwei Prozent Luft gelassen, um den Eindruck zu erwecken, die Partei erlaube abweichende Meinungen.

Doch die Schulz-Euphorie schwoll nach der Krönungsmesse weiter an. Mehrere Zeitungen veröffentlichten sogenannte Blitzumfragen und verbreiteten die Nachricht, die Bundes-SPD habe seit Jahresanfang in der Wählergunst mehr als zehn Prozent aufgeholt und liege nun mit Merkels CDU gleichauf. In Bezug auf die Saarland-Wahl wurde behauptet, die Bereitschaft der SPD, ein Regierungsbündnis mit der Linkspartei einzugehen, wecke Hoffnungen auf Veränderung und beflügele viele Wähler. An der Saar herrsche eine politische Wechselstimmung.

Am Sonntag meldeten sich dann die Wähler selbst zu Wort. Statt der vorhergesagten Stimmengewinne musste die SPD erneut Verluste hinnehmen. Selbst gegenüber ihrem schlechten Ergebnis vor fünf Jahren verlor sie nochmal ein Prozent. Verglichen mit ihrem Ergebnis von 1990, als sie 54 Prozent erreichte, hat die SPD fast die Hälfte ihrer Wähler verloren und ist nur noch ein bürokratischer Funktionärsapparat ohne Fußtruppen.

Noch deutlicher sind die Verluste der Linkspartei. Als sie im Sommer 2009 erstmals unter Führung von Oskar Lafontaine zur Wahl im Saarland angetreten war, hatte sie 21,3 Prozent erreicht. Jetzt sacke sie auf 12,9 Prozent ab.

Auch die Grünen verloren ein Prozent und scheiterten an der Fünfprozenthürde. Damit hat Rot-Rot-Grün 5,2 Prozent verloren, während die CDU 5,5 Prozent hinzugewann.

Offensichtlich schenkten die Wähler an der Saar der Kampagne über eine angebliche Erneuerung der SPD durch Martin Schulz und seinen seichten Versprechungen über mehr Gerechtigkeit kein Vertrauen.

Nachdem alle Bundestagsparteien auf Landes- und kommunaler Ebene in den unterschiedlichsten Koalitionen miteinander verbunden sind und immer und überall dieselbe Politik machen, werden sie als Einheit wahrgenommen. Sie stimmen in allen wesentlichen Fragen überein und bilden eine gesamtdeutsche Einheitspartei, die das kapitalistische Profitsystem und die Interessen der herrschen Klasse verteidigt. Keine dieser Parteien vertritt die Interessen der Arbeiterklasse. Die Wähler sahen daher keinen Grund für einen Wechsel.

Wenn die Saarland-Wahl also deutlich macht, dass die Schulz-Euphorie nichts mit der Wählermeinung zu tun hat, stellt sich die Frage: Wer steckt hinter dem Medienhype um Schulz und was wird damit bezweckt?

Die Antwort darauf erfordert einen Blick auf die größeren politischen Zusammenhänge. Seit der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 verschärft sich die historische Krise des kapitalistischen Systems sehr schnell. Die Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten hat die Fäulnis des Kapitalismus an die Oberfläche gebracht und weiter verschärft.

Trump führt eine Regierung von Milliardären, die die Interessen der Superreichen rücksichtslos gegen die arbeitende Bevölkerung durchsetzt. Nach 25 Jahren unaufhörlicher Kriege im Nahen Osten, Afrika und Asien bereiten sich die USA auf eine direkte militärische Konfrontation mit China und Russland vor, die in einen dritten Weltkrieg münden würde. Mit seiner „America first“-Politik verschärft Trump zudem die Konflikte mit Europa und droht offen mit Handelskrieg,

Die Bundesregierung reagiert ihrerseits mit Wirtschaftskrieg und Militarismus. Siebzig Jahre nach dem Zusammenbruch des Hitler-Faschismus erhebt sie wieder den Anspruch, Hegemon Europas und Weltmacht zu sein. Der Militärhaushalt wird in den nächsten Jahren von 35 auf 60 Milliarden Euro erhöht, und in Sicherheitskreisen wird über eine nukleare Bewaffnung Deutschlands diskutiert.

Schon jetzt sind deutsche Soldaten wieder an der russischen Grenze stationiert und kämpfen im Irak und in Syrien. Die Bundeswehr ist in Europa, Asien und Afrika sowie im Mittelmeer und am Horn von Afrika im Einsatz. Die EU wird von einer Wirtschaftsunion in ein Militärbündnis verwandelt und für einen Handelskrieg mit den USA gerüstet. Vor den Augen der Welt entwickeln sich die gleichen Widersprüche, die im vergangenen Jahrhundert bereits zu zwei Weltkriegen geführt haben.

Unter diesen Bedingungen betrachten große Teile der herrschenden Klasse die Regierung Merkel als zu schwach und zu verbraucht und die Unionsparteien als zu zerstritten, um auf die Herausforderung durch die wachsenden transatlantischen Gegensätze und das Aufbrechen der EU mit einer deutschen Großmachtoffensive zu reagieren.

Deshalb gibt es in den herrschenden Kreisen Unterstützung für einen Regierungswechsel. Hinter dem Medienhype um Schulz und der demagogischen Kampagne für ein „Links-Bündnis“ verbirgt sich die Vorbereitung einer Regierung, die in der Lage ist, die Kriegspolitik nach außen und innen durchzusetzen.

Ähnlich wie vor zwanzig Jahren, als die Kohl-Regierung am Ende war und erstmals eine rot-grüne Koalition die Regierung übernahm, die dann die ersten Auslandseinsätze der Bundeswehr und die Agenda 2010 beschloss, wird heute mit Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün eine neue rechte bürgerliche Regierung vorbereitet.

Die unmittelbare Kriegsgefahr ist heute allerdings weitaus größer als zur Zeit der Schröder-Fischer-Regierung, und die sozialen Angriffe, die zur Finanzierung der Aufrüstung notwendig sind, gehen weit über die Agenda 2010 hinaus.

In dieser Situation spielt die Linkspartei eine wichtige Rolle. Außenpolitisch stand ihr DDR-Vorläufer schon immer auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs. Heute verbirgt sie die Wiederkehr deutscher Großmachtpolitik und wachsender transatlantischer Konflikte hinter Phrasen über den Kampf gegen den US-Imperialismus und den Neoliberalismus.

Innenpolitisch besteht die Hauptaufgabe der Linken darin, die Gewerkschaften in die Regierungspolitik einzubinden und mit Hilfe ihrer bürokratischen Apparate eine strikte Kontrolle über die Arbeiterklasse zu errichten.

Auch in dieser Hinsicht sind die Erfahrungen aus dem Saarland und die politischen Standpunkte von Oskar Lafontaine sehr aufschlussreich. Schon als junger Saarbrücker Oberbürgermeister hatte Lafontaine „gemeinnützige Arbeit“ für Sozialhilfeempfänger eingeführt – eine Form von staatlichem Arbeitsdienst. Als Ministerpräsident des Saarlandes (1985-1998) hatte er die Initiative ergriffen, um Hand in Hand mit den Gewerkschaften die dortige Kohle- und Stahlindustrie abzuwickeln und 40.000 Arbeitsplätze abzubauen. Gleichzeitig unterdrückte er jegliche Opposition und setzte ein Gesetz durch, das die Pressefreiheit stärker einschränkte als in irgend einem anderen Bundesland.

Als SPD-Vorsitzender war Lafontaine maßgeblich daran beteiligt, die SPD Ende der neunziger Jahre in die zentrale Wirtschafts- und Staatspartei zu verwandeln. Er war der Architekt von Rot-Grün und trat als Bundesfinanzminister 1999 zurück, als die Wirtschaftsverbände ihn unter Beschuss nahmen. Die Auswirkungen der folgenden Sozialkürzungen führten dazu, dass der SPD Mitglieder und Wähler in Scharen davonliefen.

Damals kehrte Lafontaine in die Politik zurück. Der Zerfall der Sozialdemokratie hatte bis weit ins bürgerliche Lager hinein Besorgnis ausgelöst, war die SPD doch seit fast einem Jahrhundert ein entscheidendes Instrument zur Aufrechterhaltung der bürgerlichen Herrschaft.

1918 hatte sie verhindert, dass die Novemberrevolution nicht nur den Kaiser, sondern auch den Kapitalismus wegfegte. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sie Privateigentum und Westintegration verteidigt, und nach der Studentenrevolte und den spontanen Streiks von 1968/69 hatte Willy Brandt dafür gesorgt, dass die Studenten und Arbeiter von der Straße kamen.

Lafontaines Ziel war es, den Niedergang der SPD aufzufangen. Zu diesem Zweck ergriff er die Initiative zum Aufbau der Linkspartei. Er organisierte den Zusammenschluss der PDS, die über einen großen Apparat und zahlreiche Mandate in ostdeutschen Ländern und Kommunen verfügte, mit der Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG), in der sich im Westen enttäuschte Sozialdemokraten und Gewerkschaftsbürokraten sammelten.

Angesichts der zugespitzten politischen Situation sollen nun SPD und Linkspartei gemeinsam an die Regierung gebracht werden. Das wäre kein „Links-Bündnis“, wie immer wieder behauptet wird, sondern eine Regierung, die jeden Widerstand gegen die Kriegspolitik und die damit verbundenen sozialen Angriffe unterdrückt.

Ungeachtet des Wahlausgangs im Saarland wird diese Initiative weiter verfolgt. Die Arbeiterklasse muss sich auf große politische Auseinandersetzungen vorbereiten. Das erfordert vor allen Dingen einen bewussten politischen Bruch mit der SPD, der Linkspartei und den Gewerkschaften und den Aufbau der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP).

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