Ab heute Mittwoch hat die Gewerkschaft Verdi den Streik des Bodenpersonals an den Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld gestoppt, obwohl die Arbeitgeber kein neues Angebot vorgelegt haben. Bis zum Wochenende solle es keinen Streik mehr geben, verkündete die Streikleitung am Dienstagmittag vor den überraschten Arbeitern am Flughafen Schönefeld. Kurz zuvor hatten sie noch zahlreich an einem Demonstrationszug durch die Flughalle teilgenommen.
Zur Begründung erklärte Streikleiter Enrico Rümker am Flughafen Schönefeld, die Gewerkschaft sei zu einer Schlichtung aufgefordert worden. Eigentlich gebe es dafür keine Grundlage, da ein entsprechendes Schlichtungsabkommen fehle. Dennoch wolle sich die Tarifkommission ab Mittwoch über das weitere Vorgehen beraten.
Die Beschäftigten der Bodendienste, die gerade erst mit großer Entschlossenheit ihren Arbeitskampf begonnen hatten, sind nach wenigen Tagen mit der Sabotage der Gewerkschaft konfrontiert. Anfang März hatten sie mit fast 99 Prozent für einen unbefristeten Streik gestimmt, um gegen die mörderischen Arbeitsbedingungen und Niedriglöhne zu kämpfen, die seit der Privatisierung der Bodendienste unter dem rot-roten Senat von Wowereit geschaffen wurden. Verdi sah sich gezwungen, einen Streik zu organisieren, beschränkte ihn aber von vorneherein auf einzelne Tage: Auf einen 24-Stunden-Ausstand letzten Freitag sollte am Montag ein zweiter 24-Stunden-Streik folgen, der allerdings unter dem Druck der Arbeiter um einen weiteren Tag verlängert wurde.
Zugleich hat Verdi einen Streik am Flughafen Stuttgart verhindert und damit die Berliner Beschäftigten isoliert. Am Montag sei nach der fünften Verhandlungsrunde „in letzter Minute ein weiterer Streik abgewendet worden“, heißt es in der Pressemitteilung von Verdi. Die Arbeiter in Stuttgart erhalten nun zwar einen Euro mehr pro Stunde, den Betrag, der in Berlin ebenfalls gefordert wird. Allerdings ist dies mit einem Dreijahresvertrag verbunden. Mit diesem Knebelvertrag sollen die Friedenspflicht durchgesetzt und weitere Tarifkämpfe in den kommenden Jahren ausgeschlossen werden.
Ähnliche Abschlüsse hat Verdi in den Tagen zuvor bereits in Hamburg, Düsseldorf und Köln vereinbart. Diese Haustarife wurden ebenfalls mit einer Laufzeit von drei Jahren abgeschlossen. Dies versuchte Verdi-Verhandlungsführer Enrico Rümker gegenüber der WSWS mit dem Argument zu rechtfertigen, bei so guten Abschlüssen könne man „keinem erklären, warum man dort in einen Streik treten soll“.
Er verschweigt, dass gerade auch in Hamburg die Stimmung am Flughafen zum Zerreißen gespannt ist. Dort hat die Lufthansa diese Woche bekanntgegeben, dass sie hunderte Stellen bei der Lufthansa-Technik streichen will. Dabei werde es erstmals auch zu betriebsbedingten Entlassungen kommen. Das Beispiel zeigt, dass die gleichen Probleme wie in Berlin auch in Hamburg, Frankfurt oder London und Paris vorherrschen. Die Flughäfen gleichen einem Pulverfass.
In Frankfurt a.M. sollen am Mittwoch, dem 15. März, Verhandlungen aufgenommen werden. Es ist offensichtlich, dass Verdi einen längeren und gemeinsamen Streik der Bodenbediensteten an allen Flughäfen unbedingt verhindern will.
Ganz anders die Arbeiter: Sie demonstrierten in den letzten beiden Tagen an beiden Flughäfen ihre Kampfbereitschaft. Der Streik wurde zu nahezu hundert Prozent befolgt und zeigte Wirkung. Ein Großteil der Flüge fiel aus. Grund für ihre Entschlossenheit sind die üblen Arbeitsbedingungen, die sich in den letzten zehn Jahren entwickelt haben. Die privaten Billigfirmen, bei denen die Arbeiter beschäftigt sind, bezahlen Löhne von neun bis elf Euro. Die meisten erhalten nur befristete Verträge, und viele der schwierigen Dienste bei der Abfertigung der Flüge werden von Leiharbeitern ausgeführt, die oft noch geringere Verdienste haben. Das Arbeitsvolumen dieser Beschäftigten hat sich gleichzeitig massiv erhöht durch die extrem gewachsenen Passagierzahlen in Berlin.
Die ohnehin magere Gewerkschaftsforderung von einem Euro mehr pro Stunden lehnen diese Firmen jedoch strikt ab und bieten stattdessen einen Dreijahresvertrag mit einer Lohnerhöhung von insgesamt acht Prozent – das heißt nach Berechnung von Verdi gerade mal eine jährliche Stundenlohn-Erhöhung von 27 Cent.
In Berlin gehörten die Bodendienste vor zwanzig Jahren zum Land Berlin und zur Lufthansa. Sie wurden 1988 in die Berliner Lufthansa Airport Service ausgegründet und 1999 in GlobeGround GmbH umbenannt. Als Ende 2001 der rot-rote Senat unter Klaus Wowereit und Gregor Gysi die Arbeit aufnahm, entschied er sich bewusst für die Privatisierung. So wurde GlobeGround in der Zeit von 2008 an die Dienstleistungsholding WISAG verkauft, die sie in zahlreiche weitere GmbHs aufspaltete. Inzwischen gibt es fünf Unternehmen, die auf der Arbeitgeberseite mit Verdi verhandeln, die wiederum durch Sub- und Subsubunternehmen letztlich siebzehn private Firmen vertreten.
Das Vorgehen des Senats aus SPD und Linkspartei an den Berliner Flughäfen war kein Zufall. Schon 2002 trat er aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband aus und setzte in der Folge bis zu zwölfprozentige Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst durch. Der Senat, und insbesondere die Linkspartei, arbeiteten dabei aufs Engste mit der Gewerkschaft Verdi zusammen, die sich in Berlin größtenteils in Personalunion mit SPD und Linke befindet. Das massive Sparprogramm im öffentlichen Dienst ist bekanntermaßen in einem privaten „Waldspaziergang“ zwischen Verdi-Chef Frank Bsirske und dem damaligen Berliner Wirtschaftssenator, Harald Wolf (Linkspartei, damals PDS), abgesprochen worden.
In einem Bericht der Linkspartei vom 11. April 2008 über den Verkaufsbeschluss des Aufsichtsrates der Flughafen Berlin Schönefeld GmbH heißt es: „Dieser Beschluss kam auch mit Stimmen eines Teils der ArbeitnehmerInnenvertreter zustande, die in der Veräußerung an einen möglichst tarifgebundenen Investor langfristig Entwicklungsperspektiven im schärferen Wettbewerb sahen.“
Die Linke sprach darin offen aus, was die erklärte Politik der Verdi-Führung auch heute ist. Ihre Antwort auf den scharfen Wettbewerb in Europa ist nicht die internationale Solidarität der Beschäftigten, sondern die Standortverteidigung – auf Kosten der Arbeiter.
Die Flughafenbeschäftigten stehen vor einem ernsten Problem: Wie in unzähligen anderen Tarifkonflikten sind sie mit einem Zweifrontenkrieg konfrontiert. Sie haben es nicht nur mit gewissenlosen Billigunternehmen zu tun, sondern auch mit den Gewerkschaften wie Verdi, in deren Hand die Streikführung liegt. Ihre Funktionäre sitzen in den Aufsichtsräten und arbeiten selbst daran mit, die „Wettbewerbsfähigkeit“ des Flughafens und der Unternehmen zu erhöhen; sprich: die Personalkosten zu senken.