Volkswagen: IG Metall und Betriebsrat stützen Vorstand

Der VW-Vorstand nutzt den VW-Abgasbetrug, um die bislang größten Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen in der Geschichte von VW durchzusetzen. Das ist der Wesenskern der von VW-Chef Matthias Müller in der letzten Woche vorgestellten „Strategie 2025“. Unterstützt wird er dabei wie in der Vergangenheit von der IG Metall und dem Betriebsrat.

Bezeichnend dafür war die Aktionärshauptversammlung am Mittwoch. Als dort der jetzige Vorsitzende des Aufsichtsrats, Hans Dieter Pötsch, der als VW-Finanzvorstand Teil der kriminellen Machenschaften beim Abgasbetrug war, unter Druck der Kleinaktionäre kam, stellte sich sein Stellvertreter, der IG Metal-Vorsitzende Jörg Hofmann, demonstrativ hinter ihn. Pötsch genieße „in hohem Maße das Vertrauen“ der IG Metall, sei qualifiziert und müsse als Aufsichtsratschef wiedergewählt werden.

Bereits vorab hatte der Aufsichtsrat beschlossen, den Vorstand, der für die Manipulation der Abgaswerte bei weltweit 11 Millionen Dieselfahrzeugen verantwortlich ist und sich im schlechtesten Geschäftsjahr der Unternehmensgeschichte Gehälter in Höhe von über 63 Millionen Euro ausgezahlt hat, zu entlasten.

Am Montag hatte die Braunschweiger Staatsanwaltschaft verkündet, nun doch gegen zwei VW-Vorstände zu ermitteln: den im September 2015 zurückgetretenen VW-Vorstandschef Martin Winterkorn und den amtierenden VW-Markenvorstand Herbert Diess. Beiden wird vorgeworfen, die Aktionäre zu den Abgasmanipulationen zu spät informiert und damit geschädigt zu haben.

Am Tag vor der Hauptversammlung berichtete dann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Bafin), dass sie den gesamten Vorstand von Volkswagen bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig angezeigt hatte. Die Bafin mache alle zehn Manager des Vorstands für die mutmaßliche Marktmanipulation verantwortlich.

Im Aufsichtsrat haben die Gewerkschaftsvertreter, die Betriebsräte und die Sozialdemokraten, die für das Land Niedersachsen als Anteileigner in diesem Gremium sitzen, die Mehrheit. Wenn sie gewollt hätten, hätten sie nicht nur gegen die Entlastung des Vorstands stimmen, sondern ihn zur Rechenschaft ziehen und entlassen können. Stattdessen arbeiten sie eng mit ihm zusammen, um massenhaft Arbeitsplätze und Errungenschaften abzubauen, die sich die Arbeiter in den vergangenen Jahrzehnten erkämpft haben.

Die neue Strategie 2025 trägt nicht zufällig den Titel „Together 2025“. Offiziell geht es darum, Volkswagen „gemeinsam“ bis zum Jahr 2025 international führend in den Bereichen Mobilitätsdienstleistungen, Elektromobilität, Batterietechnik und selbstfahrende Autos zu machen.

In einem Brief an die Belegschaft deutete der Betriebsratschef Bernd Osterloh in der vergangenen Woche jedoch an, um was es wirklich geht. Er schrieb: „In der Marke Volkswagen haben wir den Prozess für einen Zukunftspakt gestartet. Er soll […] mehr Effizienz bringen - beispielsweise durch die stringente Einhaltung des Produktentstehungsprozesses, die Reduzierung von Komplexität und Variantenvielfalt der Produkte und die konsequente Fortsetzung des Effizienzprogramms durch den Volkswagen Weg.“

Im Klartext: Hinter Code-Wörtern wie „Zukunftspakt“ und „Effizienz“ verbergen sich Kürzungspläne, die der Betriebsrat dem Vorstand bereits im Herbst 2014 in einem 400-seitigen Papier vorgelegt hat. Osterloh hatte damals in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ganz offen erklärt: „Wir müssen schauen, dass wir die Autos mit einer vernünftigen Rendite auf die Straße bringen. Um das zu schaffen, müssen auch die Kosten in den Fabriken runter.“

Der seit längerem bekannte Abbau von jedem zehnten der 30.000 Beschäftigten in der Verwaltung ist dabei nur der Anfang. In einem Interview mit Börse-Online erklärte Prof. Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen, was auf die Arbeiter zukommt. So rechnete der in der Automobilindustrie bestens vernetzte Markstratege vor, dass „bei der Kernmarke VW-Pkw mindestens drei Milliarden Euro jährlich eingespart werden“ müssten.

Anders als der VW-Vorstand und der Betriebsrat spricht Dudenhöffer ganz offen darüber, wie diese Einsparungen erzielt werden können. Die Volkswagen AG als Stammgesellschaft „strotze geradezu vor Unproduktivität“. Alle Zulieferaktivitäten, „wie etwa die Getriebe in Kassel, die Achsen und Lenkungen in Braunschweig und die Gießerei-Aktivitäten oder die Sitzproduktion bei Si-Tech erscheinen sehr unproduktiv und sollten ausgegliedert und als Zulieferbetriebe verselbstständigt werden“. Dort würden die hohen „VW-Haustarife für Zulieferarbeiten bezahlt“.

Die insgesamt 114.000 Haustarif-Arbeiter verursachten „Personalkosten von 7.300 Euro pro Nase“. Bei Conti um die Ecke seien es nur „3.700 Euro pro Nase und Monat“. Das hauseigene VW-Zuliefergeschäft fresse gut zwei Milliarden jährliche Personalkosten. Allein in der Komponentenfertigung gebe es auf fünf Kontinenten und an 26 Standorten 67.000 Menschen, die nicht zum „Kerngeschäft eines Mobilitätsanbieters“ gehörten. Und überhaupt sei VW insgesamt „völlig überdimensioniert bei der Beschäftigtenzahl“.

Börse Online verdeutlicht, welch massive Stellenstreichungen hinter dem Rücken der Beschäftigten diskutiert werden, um VW international konkurrenzfähig zu halten. So baue der Konzern mit über 600.000 Beschäftigte rund zehn Millionen Autos. Toyota allerdings komme „für eine vergleichbare Anzahl an Fahrzeugen mit rund 345.000 Mitarbeitern aus.“

Die Verhandlungen mit dem Betriebsrat über den von Osterloh vorgeschlagenen „Zukunftspakt“ übernimmt für den VW-Vorstand Karlheinz Blessing. Der Personalvorstand und langjährige IG Metall-Funktionär werde „wohl die ersten Stellenstreichungen verkaufen“ müssen, schrieb das Manager Magazin bereits im vergangenen Dezember. Bei seinem vorherigen Arbeitgeber sei das „gut gelungen“. Obwohl die Dillinger Hütte (das größte Grobblechwerk Europas) „zuletzt fast zehn Prozent seiner 5000 Stellen kürzte“, hätte „es keinen großen öffentlichen Widerstand“ gegeben.

Dass die Kürzungen, die Blessing nun mit Osterloh im Detail aushandelt, bei VW erneut „gut gelingen“ und „ohne Widerstand“ ablaufen werden, darf auf Grund der kriminellen Machenschaften des Vorstands und der aufgestauten Wut unter den Arbeitern bezweifelt werden.

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