Unter den amerikanischen Autoarbeitern wachsen Widerstand und Militanz. Das hat sowohl nationale wie internationale Folgen. In den letzten Tagen gab es wütende Reaktionen auf die Versuche der Gewerkschaft United Auto Workers, ein Tarifabkommen mit Fiat Chrysler durchzudrücken, das eine Laufzeit von vier Jahren hat und den Lebensstandard und die Arbeitsbedingungen der Autoarbeiter verschlechtert.
Die World Socialist Web Site und ihr Autoworker Newsletter haben viele Briefe und E-Mails von empörten Autoarbeitern erhalten, die den Tarifvertrag und die gemeinsame Anstrengung des Konzerns und der UAW verurteilen, noch größere Profite aus den Arbeitern herauszupressen.
Der Widerstand beschränkt sich nicht auf die Autoarbeiter. Er ist Ausdruck der Empörung über die soziale Ungleichheit und das unablässige Bemühen der Regierungen auf der ganzen Welt, die Forderungen der globalen Banken und Konzerne zu erfüllen. Arbeiter in Athen, Sao Paulo, London, Moskau oder Detroit stehen vor demselben Kampf.
Auch wenn Akademiker aus der Mittelklasse den Klassenkampf für tot erklären, lehnen sich die amerikanischen Arbeiter gegen die Fesseln der korporatistischen Gewerkschaften auf. Der lange unterdrückte Klassenkampf dringt wieder an die Oberfläche des gesellschaftlichen und politischen Lebens der Vereinigten Staaten. Der schlafende Riese der Weltpolitik, die amerikanische Arbeiterklasse, wacht langsam auf.
Die amerikanischen Autoarbeiter sind entschlossen, Widerstand gegen die Versuche der UAW zu leisten, den Tarifvertrag mit allen erdenklichen Drohungen, Lügen und Einschüchterungsversuchen durchzusetzen. Die Abwehr dieses Verrats ist jedoch nur der erste Schritt in einem größeren und komplexeren Kampf.
Dieser Kampf erfordert mehr als bloße Entschlossenheit und Militanz – so wichtig diese sind. Die Arbeiter brauchen eine durchdachte politische Strategie, um die größtmögliche Unterstützung von Arbeitern und Jugendlichen in ganz Amerika und weltweit zu mobilisieren. Dafür müssen die politischen und sozialen Kräfte verstanden werden, die sich der Arbeiterklasse entgegenstellen.
Die Arbeiter bezeichnen die UAW-Funktionäre zu Recht als korrupte Handlanger des Unternehmens. Da sie die objektiven Ursachen der jahrzehntelangen Degeneration der Gewerkschaften nicht verstehen, hoffen aber viele, die UAW ließe sich reformieren. Das zeigt ein weitverbreiteter offener Brief eines Fiat Chrysler-Arbeiters, der dazu aufruft, den Tarifvertrag abzulehnen. Er endet mit einem Appell an UAW-Präsident Dennis Williams, „auf seine Mitglieder zu hören“, „sich zu erinnern, auf welcher Seite du stehst“, und zu tun, „was eine Gewerkschaft tun sollte“.
Tatsächlich hat die UAW aber schon vor langer Zeit mit den Traditionen des Klassenkampfes gebrochen. Sie ist keine „Arbeiterorganisation“, die reformiert werden kann, sondern eine gelbe Gewerkschaft. Der Tarifvertrag wurde von zwei Unternehmen, der UAW und Fiat Chrysler, ausgehandelt, die beide das Ziel verfolgen, die Profite von Fiat Chrysler zu maximieren. Die UAW erhält als Gegenleistung für die Unterdrückung des Widerstands der Arbeiter und die Durchsetzung der Konzernforderungen einen Anteil an der Beute.
Das wichtige Anliegen der UAW ist die Erweiterung ihres Geschäfts mit der medizinischen Versorgung. Da die Mitgliederzahl und das Beitragseinkommen sinken, will sie ihren Milliarden Dollar schweren Treuhandfond vergrößern. Als Gegenleistung hat die UAW dauerhaft niedrigen Löhnen, verschiedenen Formen der Produktionssteigerung und einer weiteren Umstrukturierung der Autoindustrie zugestimmt, die Zehntausende Arbeitsplätze kosten wird.
Das Vorgehen der UAW ist nicht nur das Ergebnis der Korruption von Gewerkschaftsfunktionären. Ihre Feindschaft gegen die Interessen der Arbeiter, die sie angeblich vertritt, hat tiefe historische Wurzeln. Die UAW wurde zwar in erbitterten, von Sozialisten geführten Klassenkämpfen gegründet, geriet jedoch unter die Kontrolle einer konservativen, pro-kapitalistischen Bürokratie, die den Kampf gegen das Profitsystem ablehnte und die Arbeiter der Demokratischen Partei unterordnete. Einer radikalen Infragestellung der Kontrolle der Unternehmer- und Finanzelite über die Wirtschaft erteilte sie eine Absage.
Die Folgen dieser Entwicklung blieben während des Wirtschaftsbooms nach dem Zweiten Weltkrieg eine Zeit lang verborgen, doch als der amerikanische Kapitalismus seine Vormachtstellung in der Welt in den späten 1970er und 1980er Jahren verlor, zeigte sich das verheerende Ergebnis. Die herrschende Klasse ließ die Politik der Klassenkompromisse fallen und ging in die Offensive, um alle Errungenschaften der Arbeiterklasse wieder zunichte zu machen. Die UAW und alle anderen Gewerkschaften reagierten auf die Zunahme der transnationalen Produktion, indem sie jeden Widerstand aufgaben und in den 1980er Jahren ein korporatistisches Programm übernahmen. Sie lehnten den Klassenkampf ab und propagierten die Interessenidentität von Arbeitern und Unternehmen sowie die völlige Unterordnung der Bedürfnisse der Arbeiter unter das Profitstreben der Unternehmen.
Doch schon bevor sich die Gewerkschaften völlig in das Konzernmanagement einfügten, hatten sie nie das kapitalistische System und den Privatbesitz der Wirtschafts- und Finanzelite an riesigen Unternehmen in Frage gestellt. Ebenso wenig deren angebliches Recht, sich durch die Aneignung des Mehrwerts zu bereichern, der kollektiv von der Arbeiterklasse erwirtschaftet wird.
Die Autoarbeiter müssen mit der UAW brechen und neue Kampforganisationen aufbauen. Dazu gehören auch Aktionskomitees der einfachen Arbeiter, die von ihnen selbst demokratisch kontrolliert werden. Es geht nicht darum, „besserer Gewerkschaften“ aufzubauen, sondern einen politischen Massenkampf der Arbeiterklasse um die politische Macht zu entwickeln.
Der Hauptgrund für den Verrat der UAW ist die Unterordnung der Arbeiter unter den Kapitalismus, der von einem politischen System überwacht wird, das die Interessen der herrschenden Klasse vertritt. Mehrere Autoarbeiter haben in Diskussionen die Ansicht geäußert, eine Klage vor Gericht oder dem National Labor Relations Board würde die UAW demokratischer machen und sie dazu bringen, die Arbeiter besser zu vertreten.
Bittere Erfahrungen haben jedoch gezeigt, dass die Regierung nicht die Arbeiter verteidigt, sondern mit staatlicher Gewalt, gerichtlichen Verfügungen und Massenverhaftungen gegen Kämpfe der Arbeiterklasse vorgeht. Die Regierung ist kein neutraler Vermittler, sondern ein Werkzeug der Wirtschafts- und Finanzelite.
In den USA verteidigen beide Parteien, Demokraten wie Republikaner, das kapitalistische System. Die Obama-Regierung hat bei dem Angriff auf die Autoarbeiter eine Vorreiterrolle gespielt. Unter anderem hat sie das Zweiklassen-Lohnsystem ausgeweitet und den Achtstundentag abgeschafft, um einen Präzedenzfall für umfassende Angriffe auf Löhne, Renten und die medizinische Versorgung in der ganzen Wirtschaft zu schaffen. Jeder Arbeiter, der hofft, die Regierung werde die Rechte der Arbeiter verteidigen, sollte sich das ekelhaftes Spektakel der Vorwahlen ansehen. Politische Nieten, die von verschiedenen milliardenschweren Oligarchen ins Rennen geschickt werden, bewerben sich um das Präsidentenamt.
Die Verbündeten der Arbeiter sind nicht die Politiker des Großkapitals, sondern hunderte Millionen Arbeiter in den USA und auf der ganzen Welt, die vor den gleichen Kämpfen und denselben Klassenfeinden gegenüber stehen. In jedem Land müssen Arbeiter für die Milliarden aufkommen, die den kriminellen Banken gegeben wurden, die 2008 die Finanzkrise auslösten, und die eine neue Spekulationsblase erzeugen.
Die World Socialist Web Site wird alles in ihrer Macht stehende tun, um die Arbeiter bei ihrem Widerstand gegen das verräterische Tarifabkommen der UAW zu unterstützen. Der Erfolg des Kampfes der Autoarbeiter erfordert jedoch die Mobilisierung der gesamten Arbeiterklasse in den USA und weltweit. Sie muss eine politische Gegenoffensive gegen die Ungleichheit führen und für eine Zukunft kämpfen, die es der nächsten Generation ermöglicht, ohne Armut und Krieg zu leben.
Arbeiter, die ihre elementaren Rechte verteidigen – eine deutliche Verbesserung des Lebensstandards, die Abschaffung des verhassten Zweiklassen-Lohnsystems und der tödlichen Arbeitshetze, sichere Arbeitsplätze, Renten und Gesundheitsversorgung – stehen nicht nur im Konflikt mit Fiat Chrysler, den anderen Autokonzernen und ihren Handlangern in der UAW. Sie geraten in Konflikt mit dem gesamten wirtschaftlichen und politischen System, das die Bedürfnisse der Arbeiterklasse dem Profitstreben der Eigentümer der Banken und Konzerne unterordnet.
Für die Interessen der Arbeiterklasse zu kämpfen, bedeutet für den Sozialismus zu kämpfen, für die Abschaffung eines Systems, das auf Ausbeutung und Ungleichheit beruht. Es bedeutet, für die Übernahme der politischen Macht durch die Arbeiterklasse zu kämpfen und die Gesellschaft auf der Grundlage der sozialen Bedürfnisse anstatt des privaten Profits zu organisieren.