Die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, hat sich gegen die Ausbildung arbeitsloser Jugendlicher aus anderen europäischen Ländern in Deutschland ausgesprochen.
Gegenüber der Zeitung Die Welt bezeichnete sie die Einladung von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) an junge Südeuropäer, in Deutschland eine Ausbildung zu machen, als „Ohrfeige für Hunderttausende junge Menschen, die in Deutschland leben und von denen viele nie eine Chance bekommen haben“.
„Bevor wir Talente aus anderen Ländern abwerben, müssen wir eine Ausbildungsoffensive in Deutschland starten und die verlorene Generation ausbilden“, sagte Wagenknecht. Sie verwies auf interne Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, laut denen in Deutschland im Mai fast eine Million Menschen zwischen 15 und 35 arbeitslos waren.
Wagenknechts Argumentation erinnert an die dumpfen Parolen der Neonazis. An die Stelle der internationalen Solidarität von Arbeitern und Jugendlichen setzt sie deren Spaltung entlang nationaler Grenzen. „Arbeitsplätze nur für Deutsche“ ist eine beliebte Parole der faschistischen NPD.
Peinlich berührt durch Wagenknechts nationalistische Äußerungen haben einige Vertreter der Linkspartei versucht zurückzurudern. Fraktionsvize Dietmar Bartsch behauptete, die Linkspartei werde „nicht arbeitslose Jugendliche in Griechenland, Spanien und Deutschland gegeneinander ausspielen“. Der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich sagte, die Linkspartei sei für offene Grenzen. „Deshalb ist zunächst jeder willkommen.“
Doch Wagenknechts nationalistische Parolen sind weder ein Versehen noch ein Zufall. Sie ergeben sich folgerichtig aus der gesellschaftlichen und politischen Orientierung der Linkspartei.
Diese reagiert auf die Verschärfung der internationalen Wirtschaftskrise, indem sie sich dem Nationalstaat zuwendet. Sie will den Staat stärken, um die deutsche Wirtschaft und insbesondere den Mittelstand gegen die internationale Konkurrenz zu schützen und um die Klassengegensätze im Innern zu unterdrücken.
Sahra Wagenknecht spielt dabei eine ideologische Vorreiterrolle. Hatte sie in den 1990er Jahren als Sprecherin der Kommunistischen Plattform noch das DDR-Regime und dessen stalinistische Politik des „Sozialismus in einem Land“ verteidigt, bekennt sie sich heute zu Ludwig Erhard und zum Ordoliberalismus.
Der erzkonservative CDU-Politiker Erhard hatte als Wirtschaftsminister und Bundeskanzler der Nachkriegszeit den modernen deutschen Kapitalismus maßgeblich geprägt und sich dabei auf eine Wirtschaftstheorie gestützt, die den freien Markt mit einem staatlichen Ordnungsrahmen verbindet. (Siehe: „Sahra Wagenknechts Loblied auf Markt und Leistungsgesellschaft“)
In einem Interview mit dem Straubinger Tagblatt erklärte Wagenknecht kürzlich: „Wer die alte Bundesrepublik gut findet, kann eigentlich nur noch die Linke wählen.“ Sie appellierte insbesondere an den deutschen Mittelstand, dem es, so Wagenknecht, mit der Linkspartei „besser gehen würde“.
Die Berufung auf die Bundesrepublik Adenauers und Erhards, deren Außenpolitik durch den Kalten Krieg und deren Innenpolitik durch Intoleranz, Antikommunismus und kulturelle Rückständigkeit geprägt waren, spricht Bände über die politische Orientierung Wagenknechts und der Linkspartei.
Eine sozialistische Perspektive – die grenzüberschreitende Mobilisierung der Arbeiterklasse für die Enteignung der Konzerne und Banken und eine sozialistische Reorganisation der Gesellschaft – lehnt Wagenknecht ausdrücklich ab. Das „Modell einer zentralisierten Planwirtschaft“, behauptet sie in dem bereits zitierten Interview, sei in der DDR gescheitert. Über die Verantwortung der SED-Bürokratie, die die Arbeiterdemokratie unterdrückte, die Wirtschaftsplanung sabotierte und schließlich selbst die kapitalistische Restauration in die Wege leitete, verliert sie dagegen kein Wort.
Das Eintreten für den freien Markt, den Nationalstaat und den Mittelstand führt die Linkspartei zwangsläufig in die rechte Ecke. Das Rot ihrer Parteifarbe nimmt dabei eine braune Tönung an. Rechte, nationalistische Parolen aus ihren Reihen sind nicht neu.
Parteigründer Oskar Lafontaine, mit dem Wagenknecht sowohl politisch wie persönlich liiert ist, hatte schon 2005 gegen „Fremdarbeiter“ gewettert. Es sei die Verpflichtung des Staats „zu verhindern, dass Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter zu niedrigen Löhnen ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen“, sagte er damals auf einer Großveranstaltung in Chemnitz.
Erst kürzlich trat Lafontaine mit der Forderung nach einer „produktionsorientierten Lohnpolitik“ innerhalb der Europäischen Union an die Öffentlichkeit. Um die Löhne in südeuropäischen Ländern an die niedrige Produktivität anzupassen und eine „annähernd ausgeglichene Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen“, schlug er die Rückkehr zu nationalen Währungen vor. Durch deren Abwertung könnten dann „Länder wie Griechenland, Portugal und Spanien 30 Prozent billiger werden“.
Auch dieser Vorschlag zielt darauf ab, die europäische Arbeiterklasse zu spalten und gegeneinander auszuspielen. Wagenknecht unterstützte ihn und gab zu, dass es „viele Überschneidungen“ zwischen der rechts-konservativen Anti-Euro-Partei Alternative für Deutschland und der Linkspartei gebe. Die AfD habe „mit ihrer Kritik an der derzeit praktizierten Eurorettung in vielen Punkten recht“.