Papandreou in Berlin

Freitagabend traf Griechenlands Regierungschef Giorgos Papandreou seine deutsche Amtskollegin Angela Merkel (CDU) im Berliner Kanzleramt. Am Vormittag hatte er bereits mit dem Chef der Euro-Gruppe und luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker konferiert.

Papandreou versicherte seinen Gesprächspartnern, dass er alle von den europäischen Banken und den EU-Institutionen geforderten Maßnahmen akzeptiere und bereit sei, auch "schmerzhafte Einschnitte" durchzusetzen. Er sei nicht nach Berlin gekommen, um die Bundesregierung um Geld zu bitten, betonte er. "Wir haben den deutschen Steuerzahler nicht gebeten, uns die Renten und den Urlaub zu zahlen", sagte Papandreou in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Ihm gehe es vielmehr um politische Unterstützung für die Sparbeschlüsse seiner Regierung.

Am Mittwoch hatte die griechische Regierung ein zweites drastisches Sparprogramm beschlossen, das Steuererhöhungen und Ausgabensenkungen in Höhe von 4,8 Mrd. Euro umfasst. Geplant ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von gegenwärtig 19 auf 21 Prozent, eine zehnprozentige Senkung der Löhne im öffentlichen Dienst, deutliche Steuererhöhungen für Benzin, Tabak und Alkohol, das Einfrieren der Renten und die Kürzung der Zulagen für Staatsbedienstete. Das heißt, die sozialistische PASOK-Regierung nimmt vor allem Arbeiterfamilien, Niedrigverdiener, Arbeitslose und Rentner ins Visier.

Merkel und Juncker begrüßten die angekündigten Maßnahmen als wichtige erste Schritte. Es sei allerdings notwendig, nicht nachzulassen und weitere Sparmaßnahmen vorzubereiten, um die internationalen Finanzmärkte zu beruhigen und die Kreditwürdigkeit des Landes weiter zu verbessern, forderten sie.

Kanzlerin Merkel lobte die Bereitschaft der Papandreou-Regierung zur engen Zusammenarbeit und sicherte ihrerseits politische Unterstützung bei der Durchsetzung der Sparmaßnahmen zu. Was im Einzelnen darunter zu verstehen ist, führte sie nicht aus, ist aber nicht schwer zu erraten. Sie will der griechischen Regierung den Rücken stärken, damit sie dem wachsenden Widerstand von Seiten der arbeitenden Bevölkerung nicht nachgibt. Dabei stehen offensichtlich zwei Dinge im Zentrum.

Seit der Einführung des Schengener Abkommen, das vor zehn Jahren im griechischen Parlament ratifiziert wurde, und der damit verbundenen Abschaffung der Grenzkontrollen wurde die Zusammenarbeit zwischen den griechischen und deutschen Sicherheitsbehörden ständig intensiviert. Diese Kooperation soll angesichts weiterer Streiks und Massendemonstrationen verstärkt werden.

Darüber hinaus nutzt die Merkel-Regierung ihren Kontakt zu den Gewerkschaften, um eine Ausweitung der Streiks und Proteste unter Kontrolle zu halten. Die deutschen Gewerkschaften spielen eine Schlüsselrolle in den europäischen und internationalen Verbänden und sorgen seit geraumer Zeit dafür, dass jeder ernsthafte internationale Kampf verhindert wird. Dabei veranstalten sie immer ein Wechselspiel aus fruchtlosen Protestaktionen und enger Zusammenarbeit mit den nationalen Konzernen und der jeweiligen Regierung. Als der Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbunds (ETUC) John Monks während des Generalstreiks am 24. Februar auf der Kundgebung in Athen sprach und mit starken Worten das Sparprogramm der EU anprangerte, unterzeichnete die IG Metall ein zweijähriges Lohnstopp-Abkommen, um der Merkel-Regierung und den deutschen Banken den Rücken frei zu halten.

Doch der Widerstand gegen das Diktat der europäischen Banken und die Sparbeschlüsse Papandreous nimmt weiter zu.

Der Regierungschef hatte bei der Bekanntgabe seiner Sparmaßnahmen davon gesprochen, dass sich Griechenland in einer "Kriegssituation" befände. Die Bevölkerung müsse bereit sein, Opfer zu bringen, um das "Überleben unseres Landes" zu ermöglichen. Daraufhin versammelten sich in den Innenstädten von Athen und Thessaloniki im Norden des Landes Zehntausende von Demonstranten und riefen auf Spruchbändern zum "Krieg gegen den Krieg der Kapitalisten" auf. Anlässlich der geplanten Eilabstimmung über das Sparpaket im Parlament kam es zu spontanen Kundgebungen vor Regierungsgebäuden und dem Parlamentssitz.

Mehrere Hundert Demonstranten riegelten das Finanzministerium in Athen ab und hinderten die Beamten am Betreten des Gebäudes. Sie besetzten vorübergehend mehrere Büros und brachten über dem Eingang des Ministeriums ein überdimensionales Spruchband an mit der Aufschrift: "Erhebt Euch, damit die Maßnahmen nicht in Kraft treten".

Am Freitag - zur selben Zeit, als Papandreou in Berlin weilte - legte ein erneuter Streik der Fluglotsen auf allen Flughäfen den Luftverkehr still. In Athen fuhren den ganzen Tag keine Busse und Straßenbahnen. Grundschullehrer und selbst Polizisten, die von den geplanten Einschnitten stark betroffen sind, riefen zu Arbeitsniederlegungen auf. Für den 16. März wurde ein weiterer nationaler Streiktag angekündigt.

Papandreou verhielt sich bei seinem Besuch in Berlin wie ein typischer Sozialdemokrat. Angesichts der wachsenden Wut der Bevölkerung suchte er die Unterstützung der stärksten imperialistischen Macht auf dem Kontinent. Wohl wissend, dass gerade die deutschen Banken hinter dem Brüsseler Finanzdiktat stehen, versicherte er immer wieder seine Bereitschaft zur engst möglichen Zusammenarbeit. Sein Auftritt war an Unterwürfigkeit kaum zu überbieten. Man hatte beinahe den Eindruck, er küsste die Stiefel, die ihn treten.

Die Tageszeitung Die Welt hatte vorab berichtet, dass die Bundesregierung die Einsetzung eines "europäischen Sonderbeauftragten" für Griechenland in Erwägung ziehe. Dieser solle vor allem die Umsetzung des Sparprogramms vor Ort überwachen. Er könne zugleich als "Blitzableiter für die Proteste in der griechischen Bevölkerung dienen", schreibt das Blatt.

Auch gegen diese Einschränkung der nationalen Souveränität und Errichtung einer Zwangsverwaltung kam von Papandreou kein Wort des Protests oder der Kritik.

Der servilen Haltung des griechischen Regierungschefs stand ein außerordentlich aggressives und provokatives Verhalten einiger deutscher Politiker und eines Teils der Medien gegenüber.

In einem Gespräch mit der Bild -Zeitung sagte Josef Schlarmann, Vorsitzender der CDU-Mittelstandsvereinigung: "Ein Bankrotteur muss alles, was er hat, zu Geld machen - um seine Gläubiger zu bedienen." Griechenland besitze Gebäude, Firmen und unbewohnte Inseln, "die für die Schuldentilgung eingesetzt werden können." Auch der Vorsitzende der Jungen Gruppe der Unionsfraktion, Marco Wanderwitz forderte "Sicherheiten" von Griechenland. Er wird mit den Worten zitiert: "Dabei kommen zum Beispiel auch einige griechische Inseln in Frage."

Die Redaktion der Bild -Zeitung veröffentlichte in ihrer gestrigen Ausgabe einen arroganten, an Papandreou gerichteten Hetzbrief. Unter der Überschrift "Lieber Herr Ministerpräsident" schreibt die Bild -Redaktion: "Wenn Sie diese Zeilen lesen, haben Sie ein Land betreten, dass ganz anders ist als das Ihre. Sie sind in Deutschland." Im Gegensatz zu Griechenland würden die Menschen hier nicht faulenzen, sondern arbeiten, "bis 67 Jahre". Deutschland habe zwar auch hohe Schulden, könne sie aber zahlen, "weil wir morgens ziemlich früh aufstehen und den ganzen Tag arbeiten".

Diese arrogante Hetze ist ein Versuch, jede Solidarität der deutschen mit den griechischen Arbeitern zu unterbinden.

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