Obama ist jetzt fast ein halbes Jahr im Weißen Haus und die Anzeichen mehren sich, dass seine Regierung den Afghanistankrieg noch erheblich ausweitet. Die Eskalation hat gerade erst begonnen.
Obama wurde hauptsächlich deshalb gewählt, weil Amerikas arbeitende Bevölkerung den Militarismus der Bush-Regierung satt hatte. Aber jetzt führen Obama und das Pentagon den Krieg gegen Aufständische intensiv und brutal weiter. Er kann das Blutbad im Irak noch in den Schatten stellen und könnte noch weitere zehn Jahre dauern.
Obwohl der Juli erst zur Hälfte rum ist, hat er bereits die meisten Todesopfer unter den Besatzungstruppen seit Kriegsbeginn vor fast acht Jahren gefordert. Insgesamt 46 Soldaten sind getötet worden, 24 von ihnen Amerikaner. Dieser Blutzoll von durchschnittlich drei Toten pro Tage ist mit den Opferzahlen der schlimmsten Kämpfe im Irak vergleichbar.
Die Zahl der Todesopfer unter den afghanischen Regierungstruppen ist noch viel höher. Wie das Regime in Kabul berichtet, werden täglich sechs bis zehn Angehörige der nationalen Polizeitruppe getötet.
Wie immer bezahlt die afghanische Bevölkerung selbst den höchsten Preis. Sie hat eine ständig wachsende Zahl von Todesopfern zu beklagen, denn sie ist der ausländischen Besatzung am unmittelbarsten ausgesetzt. Die "Clear-and-hold"-Strategie des US-Militärs geht auf ihre Kosten.
Ein typisches Beispiel für die Gewalt, die gegen die afghanische Bevölkerung ausgeübt wird, liefert die US Air Force. Wie sie selbst bekannt gibt, hat sie im Juni 437 Bomben über Afghanistan abgeworfen. Die Zahl der so genannten "Close-air support missions" amerikanischer Kampfflugzeuge ist von Anfang 2009 bis Ende Juni auf 17.420 angestiegen. Im ganzen Jahr 2008 belief sie sich auf 19.092 Einsätze.
Die Taktik, sich immer stärker auf Bombenabwürfe aus der Luft zu verlassen, ist typisch für eine Bodentruppe, die in bedenklicher Weise überfordert ist. Sie unterwirft die Zivilbevölkerung horrender Massaker. Ein Beispiel ist das Blutbad im vergangenen Mai, als in zwei Dörfern in Farah, im Westen Afghanistans, über 140 Menschen durch amerikanische Bomben in Stücke gerissen wurden.
Im Verlauf der aktuellen Eskalation der Besatzung wird sich die Zahl der US-Soldaten von 32.000 auf 68.000 mehr als verdoppeln. Hinzu kommen 36.000 Soldaten aus anderen NATO-Ländern.
Besonders augenfällig an dieser Truppenaufstockung ist der Einsatz von 4.000 US-Marines, die zusammen mit Tausenden britischen Soldaten einen Großangriff in Helmand eröffnet haben. Die Provinz Helmand im Süden Afghanistans gilt als Hochburg der Aufständischen.
Doch wie es aussieht, erweist sich die "Operation Khanjar" als Fiasko. Die große US-Truppe ist nicht in der Lage, die Aufständischen in ein offenes Gefecht zu verwickeln. Diese tauchen in der Bevölkerung unter, von wo aus sie Guerillaangriffe führen, die besonders unter britischen Soldaten viele Opfer fordern.
In dem Gebiet in Helmand, wo die Invasionstruppen agieren, verbergen sich die Aufständischen in der Zivilbevölkerung oder ziehen sich in sichere Schlupfwinkel an der pakistanischen Grenze zurück. Die Größe der Besatzungsmacht ist in keiner Weise ausreichend, um die Gebiete zu halten und die geflohenen Aufständischen an einer Rückkehr zu hindern.
An den jüngsten Äußerungen amerikanischer Militärkommandanten lässt sich die Gefahr eines noch viel blutigeren Kriegs ablesen.
Besonders blutrünstig äußerte sich Admiral Michael Mullen, Vorsitzender des Vereinigten Generalstabs, als er am Mittwoch in Bagram weilte, auf dem Luftstützpunkt außerhalb von Kabul, der das US-Hauptquartier beherbergt. Mullen warnte, die US-Kräfte stünden vor "sehr schwierigen Kämpfen", und sagte, er wisse nicht, wie lange der Krieg noch dauern werde.
"Ich weiß, dass es in den drei, dreieinhalb Jahren seit 2006 immer schlimmer geworden ist", sagte er der BBC. "Und die Taliban haben sich verbessert, sie sind jetzt viel gewalttätiger, viel organisierter geworden, und so wird es zu Kämpfen kommen, die dem Rechnung tragen."
Wenn sich die Bedingungen für die Besatzungstruppe unter amerikanischer Führung nach acht Jahren "immer schlimmer" gestalten, und wenn sich die Aufständischen "verbessert haben" und "gewalttätiger" und "organisierter" geworden sind, kann dies nur bedeuten, dass die Feindschaft der Afghanen gegen die Besatzer stark zugenommen hat. Aus der Bevölkerung rekrutieren sich immer mehr Aufständische, und diese genießen offenbar die Unterstützung der Massen für ihren Kampf
Was die US-Eskalation besonders beeinträchtigt, ist ihre Unfähigkeit, eine ernst zu nehmende afghanische Truppe aufzustellen, die mit den amerikanischen Soldaten gemeinsam kämpfen würde. Obwohl die US-Kommandanten die Absicht hatten, in der Helmand-Offensive jedem Amerikaner einen afghanischen Soldaten zur Seite zu stellen, kämpfen bisher mit den 4.000 Marines erst 650 afghanische Soldaten.
Auch ist die amerikanische Eskalation bisher nicht in der Lage, die Unterstützung des pakistanischen Militärs zu gewinnen. Anfangs hoffte man, pakistanische Truppen würden die Taliban-Kämpfer daran hindern, die Grenze zu überqueren. Die pakistanischen Soldaten sind aber in den Operationen im Nordwesten des Landes gebunden, wo auf Initiative der USA zweieinhalb Millionen Menschen vertrieben und zu Flüchtlingen in ihrem eigenen Land gemacht wurden.
Die US-Kommandanten stellen die Eskalation in Afghanistan als Versuch hin, die Bevölkerung für sich zu gewinnen, doch die Realität sieht ganz anders aus. In der verarmten Region wird massive Militärgewalt entfesselt, um die Bevölkerung zu unterwerfen.
Die ursprünglichen Vorwände, die den Krieg in Afghanistan rechtfertigen sollten, sind völlig unter den Tisch gefallen. Der US-Kongress hat seine Zustimmung zur Anwendung militärischer Gewalt nach dem 11. September 2001 gegeben, d.h. nach den Angriffen auf Washington und New York, und mit dem ausdrücklichen Auftrag verbunden, al-Qaida und Osama bin Laden, die für diese Anschläge verantwortlich zeichneten, zu verfolgen. Heute wird der Name Osama bin Laden im offiziellen Washington praktisch nicht mehr in den Mund genommen.
Was Bushs angeblichen Wunsch betrifft, dem afghanischen Volk Demokratie zu bescheren, so hat Obama ein solches Ziel ausdrücklich als unrealistisch bezeichnet. Stattdessen geht jeder davon aus, dass bei den bevorstehenden Wahlen vom 20. August in Afghanistan der völlig unpopuläre Präsident Hamid Karzai wiedergewählt wird, denn er hat die besten Beziehungen zu den Warlords und kriminellen Elementen. Das Wahlresultat steht jetzt schon fest. Es wird die Wut der Bevölkerung gegen das Regime in Kabul und die US-Truppen, die es stützen, noch verstärken.
Der Afghanistankrieg ist nun eindeutig Obamas Krieg, und der einzige gebliebne Grund ist auch der eigentliche und wahre Grund: Die US-Armee muss Washingtons Vorherrschaft über die ölreiche und geostrategisch lebenswichtige Region Zentralasien aufrecht erhalten.
Die amerikanische Militärführung tritt ganz offen dafür ein, noch mehr Soldaten zu schicken, um dieses Ziel zu erreichen. Was das bedeutet, wurde am Donnerstag klar, als Verteidigungsminister Robert Gates erklärte, er erwäge den Vorschlag, die US-Armee um 30.000 Soldaten aufzustocken, um die Probleme zu bewältigen, die sich aus der Eskalation in Afghanistan und der fortgesetzten Irak-Besatzung ergeben hätten.
Deutlicher könnte das Urteil über die Obama-Regierung nicht ausfallen. Eine Welle der Antikriegsstimmung hat ihn ins Amt gespült, doch seine Regierung bereitet die Aufstockung der US-Armee vor, um einen schmutzigen und lang anhaltenden Kolonialkrieg fortzusetzen. Inzwischen können die führenden Generäle ihren Einfluss auf die Regierung beträchtlich erweitern und noch direkter und offener die Geschicke bestimmen.
Der amerikanische Militarismus genießt unter Obama die Unterstützung des gesamten Establishments. Die Demokratische Mehrheit im Kongress stimmt den Kriegskrediten zu, die amerikanische Medienwelt übernimmt die Kriegspropaganda des Weißen Hauses und des Pentagons, und die so genannten "linken" Organisationen, die früher für die Protestpolitik zuständig waren, sind vollkommen verstummt und unterstützen stillschweigend Obamas Krieg.
Allein an der Ablehnung der großen Bevölkerungsmehrheit gegen den Krieg hat sich nichts geändert. Sie wird letztlich gezwungen sein, den Preis für den Militarismus zu zahlen. Ihr Lebensstandard wird immer stärker angegriffen werden, sie wird den Preis an getöteten und verwundeten Soldaten zahlen und letztlich erleben, dass die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt wird, um die Lücken der größer werdenden Armee zu füllen. Der Kampf gegen Krieg kann nur durch die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse geführt werden. Sie muss sich gegen die Obama-Regierung und gegen das kapitalistische Profitsystem wenden, das den Militarismus hervorbringt.