Vorsitzender der Berliner Linkspartei unterstützt Israel im Krieg gegen Gaza

Der Vorsitzende der Berliner Linkspartei, Klaus Lederer, hat sich öffentlich hinter den israelischen Krieg gegen Gaza gestellt. Er sprach am Sonntag auf einer Kundgebung, die den Bombenterror gegen die palästinensische Bevölkerung uneingeschränkt unterstützte.

Die Jüdische Gemeinde Berlin hatte zu der Pro-Israel-Demonstration aufgerufen, die zeitgleich mit ähnlichen Veranstaltungen in München und Frankfurt stattfand. Sie war als Antwort auf die Anti-Kriegsdemonstrationen gedacht, an denen sich am Vortag deutschlandweit rund 35.000 Menschen beteiligt hatten.

Zu den Pro-Kriegsdemonstrationen kamen dagegen nur wenige Tausend, größtenteils Berufspolitiker und Verbandsfunktionäre. Demonstrationsteilnehmer trugen Transparente, die Solidarität mit Israel einforderten. Auf anderen war zu lesen: "Israel hat ein Recht auf Selbstverteidigung!" und "We need victory!"

Der Berliner Demonstrationsaufruf verteidigte mit den Worten: "Israels Selbstverteidigung ist legitim und kein Verbrechen!" ausdrücklich das brutale Vorgehen der israelischen Armee gegen die Einwohner Gazas. Die hohe Zahl ziviler Opfer unter den 1,5 Millionen auf engstem Raum zusammenlebenden Palästinensern rechtfertigte der Aufruf mit der zynischen Bemerkung, die "Terroristen der Hamas" missbrauchten "Menschen als Schutzschilde" und machten damit "zivile Opfer unvermeidlich". Die Hamas habe "diesen Konflikt eröffnet" und trage "die Verantwortung für das Leid auf beiden Seiten".

Der Demonstrationsaufruf gipfelte in der Forderung: "Die islamistische Diktatur der Terrororganisation Hamas muss dauerhaft beendet werden!" Damit unterstützte er implizit die gezielte Ermordung von Hamas-Mitgliedern durch die israelischen Streitkräfte.

Selbst die Haltung der Bundesregierung, die uneingeschränkt hinter Israel steht, ging den Veranstaltern der Demonstration nicht weit genug. Deutschland sei "Akteur in diesem Konflikt", warfen sie der Berliner Regierung vor. Als wichtigster westlicher Handelspartner finanziere es das totalitäre Regime im Iran, das seinerseits die Hamas aufrüste.

Der hysterische Ton des Demonstrationsaufrufs hinderte die im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien nicht daran, ihre führenden Vertreter zu der Kundgebung zu schicken. Für die CDU sprach der Landes- und Fraktionsvorsitzende Frank Henkel, für die FDP der Landesvorsitzende Markus Löning, für die SPD der Präsident des Abgeordnetenhauses Walter Momper, für die Grünen die Fraktionsvorsitzende Franziska Eichstädt-Bohlig und für Die Linke der Landesvorsitzende Klaus Lederer.

Momper (am Mikrofon) und Lederer (rechts) auf der Pro-Israel-Demonstration

Der Christdemokrat Henkel und der Liberale Löning sicherten Israel ihre uneingeschränkte Unterstützung zu und erhielten dafür Applaus. Löning begründete sein Eintreten für das brutale Vorgehen der israelischen Streitkräfte mit dem Argument: "In Israel herrscht Meinungsfreiheit, und das unterscheidet Israel von all seinen Nachbarn". Er sah geflissentlich darüber hinweg, dass die israelische Armee eine strikte Zensur über die Kriegsberichterstattung ausübt und sich - trotz anders lautender Gerichtsurteile - kategorisch weigert, unabhängige Journalisten ins Kriegsgebiet zu lassen.

Auch die Vertreter von SPD und Grünen, Momper und Eichstädt-Bohlig, stellten sich voll hinter Israel und schoben Hamas die Verantwortung für den Krieg zu. Als sie aber zaghaft für eine Verhandlungslösung eintraten, ernteten sie Pfiffe und Buhrufe von der kriegsbegeisterten Menge. Vor allem die Vertreterin der Grünen konnte kaum weiter sprechen, als sie ein dauerhaftes Existenzrecht für die palästinensische Bevölkerung verlangte und hinzufügte: "Israel kann diesen Krieg moralisch nicht gewinnen!"

Nicht so der Vertreter der Linkspartei. Seine Rede wurde mehrmals von Beifall und Jubel unterbrochen. Er traf offensichtlich den Nerv der versammelten Menge, als er den Gegnern des Gaza-Kriegs pauschal Antisemitismus vorwarf.

Er habe sich entschieden zur Kundgebung zu kommen, sagte Lederer, weil er der Ansicht sei, "dass der brutale und bittere Konflikt im Gazastreifen und im Süden Israels keinerlei Anlass sein darf, um darauf hier in unserem Land ein antisemitisches Süppchen zu kochen". Er nannte keine Namen, aber die Botschaft war unmissverständlich: Jede Kritik an der israelischen Regierung und Armee ist antisemitisch und daher abzulehnen.

Dieses Argument ist ebenso abgedroschen wie infam. In Wirklichkeit ist das Gegenteil wahr. Das verbrecherische Vorgehen der israelischen Regierung und ihr Anspruch, sie handle dabei im Namen sämtlicher Juden, schüren Antisemitismus, und nicht die Kritik an ihrer Politik. In Israel und auf der ganzen Welt gibt es zahlreiche Juden, die mit Abscheu und Empörung auf den israelischen Angriff auf Gaza reagieren und die Politik der israelischen Regierung ablehnen.

Lederer sprach die kriegsbegeisterten Demonstrationsteilnehmer mit "Liebe Freundinnen und Freunde" an. Wie alle anderen Redner ignorierte auch er die Vorgeschichte des Krieges - die Vertreibung und jahrzehntelange Unterdrückung der Palästinenser - und erblickte in den Kasam-Raketen der Hamas seinen Urquell. "Nichts, aber auch absolut nichts rechtfertigt den Abschuss von Granaten und Raketen auf Wohngebiete der Zivilbevölkerung, auf [die israelischen Orte] Ashdod, Beer-Sheva und Ashkelon", sagte er. "Das ist für mich der Ausgangspunkt der Diskussion, die in unserem Land angesichts solcher Demonstrationen zu führen ist."

Kein Wort über die Zerstörung der Wohngebiete im Gazastreifen. Kein Wort über die Verzweiflung der palästinensischen Bevölkerung, die ohne Fluchtweg dem Massaker des israelischen Militärs wehrlos ausgesetzt ist. Kein Wort über die Unverhältnismäßigkeit der israelischen Reaktion, die längst das Hundertfache an zivilen Opfern in Gaza gefordert hat.

Stattdessen vergoss Lederer reichlich Krokodilstränen über die Leiden der Zivilbevölkerung im Allgemeinen und schob der militärisch hoffnungslos benachteiligten Hamas dafür die Verantwortung zu. "Egal wie hoch entwickelt die Waffensysteme sind, die zum Einsatz kommen", sagte er, "egal wer den Krieg führt, das Desaster trifft zu allererst immer die Zivilbevölkerung, nicht zuletzt deshalb, weil die Geiselnahme der Zivilen Bevölkerung zum Wesen des modernen Krieges gehört. Und zwar gerade in der asymmetrischen Konfliktstrategie, wie sie die Hamas strategisch verfolgt."

Der Auftritt eines hochrangigen Funktionärs der Linkspartei auf einer Pro-Kriegsdemonstration markiert einen weiteren Rechtsschwenk dieser Organisation. Lange Zeit hatte sich Die Linke zumindest in Worten von der Außenpolitik der Bundesregierung distanziert und unter anderem die Bundeswehreinsätze im Kosovo und in Afghanistan abgelehnt. Nun schwenkt sie im Nahostkonflikt auf die offizielle Linie der deutschen Außenpolitik ein, so wie die Grünen dies vor zehn Jahren getan haben.

Damals hatten die Grünen den Preis für den Eintritt in die Bundesregierung entrichtet, indem sie ihre pazifistische Haltung aufgaben und den Krieg gegen Jugoslawien unterstützten. Seither haben sie sich zu den heftigsten Befürwortern deutscher Militäreinsätze gemausert.

Die Weichen für den neuen Kurs der Linkspartei hatte der Vorsitzende ihrer Bundestagsfraktion, Gregor Gysi, schon im letzten Frühjahr gestellt, als er in einer denkwürdigen Rede für eine Umorientierung gegenüber Israel eintrat. Er lehnte das Attribut "imperialistisch" zur Charakterisierung der israelischen Politik ab und verlangte die Anerkennung des Existenzrechtes des Staates Israel auch durch die Linke.

Lederer ist jetzt einen Schritt weiter gegangen, indem er den mörderischen Angriff auf die Palästinenser unterstützt, denen Die Linke in der Vergangenheit noch ihre Solidarität bekundet hatte. Dass er damit nicht allein steht, beweist das Fehlen offizieller Vertreter der Linkspartei auf den Antikriegsdemonstrationen vom Vortag.

Lederer ist nicht irgendwer. Er steht an der Spitze des einzigen Landesverbands der Linken, der seit acht Jahren ununterbrochen Regierungsverantwortung auf Landesebene trägt. Im Berliner Senat hat Die Linke als Koalitionspartner der SPD ihre unbedingte Loyalität gegenüber dem bürgerlichen Staat bewiesen und soziale Kürzungen durchgesetzt, die weit über alles hinausgehen, was in anderen Bundesländern geschah.

Angesichts der Zuspitzung der wirtschaftlichen und sozialen Krise bereitet sich Die Linke nun darauf vor, auch im Bund Regierungsverantwortung zu übernehmen. Das zwingt sie, eine eindeutige Haltung zu den Grundpfeilern der deutschen Außenpolitik einzunehmen, zur deutschen Staatsräson, zu der auch die uneingeschränkte und unkritische Solidarität mit dem Staate Israel gehört. Der gegenwärtige Krieg in Gaza nimmt ihr jeden Raum zur Unbestimmtheit in dieser Frage. Sie muss sich bekennen. Und sie hat sich bekannt in der Person Lederers und seines Auftritts auf der pro-israelischen Demonstration vom vergangenen Sonntag.

Siehe auch:
Eine sozialistische Antwort auf die Gaza-Krise
(10. Januar 2009)
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