Die jüngsten amerikanischen Maßnahmen gegen den Iran sind in der Geschichte der internationalen Diplomatie ohne Beispiel. Die Vereinigten Staaten verhängten am 25. Oktober einseitig harte Wirtschaftssanktionen gegen die Revolutionären Garden des Iran sowie gegen mehr als zwanzig iranische Firmen und die drei größten Banken des Landes.
Die von der amerikanischen Außenministerin Condoleezza Rice und US-Finanzminister Henry Poulson verkündeten Sanktionen sind eine eiskalt geplante Provokation, die eine Verhandlungslösung im Streit über das iranische Atomprogramm von vornherein unmöglich machen soll. Damit scheint ein amerikanischer Krieg gegen das Land praktisch unausweichlich.
Die Maßnahmen sind tatsächlich deutlich schärfer als diejenigen, die Washington verhängte, als nach der iranischen Revolution 1979 die US-Botschaft in Teheran besetzt gehalten wurde. Rice erklärte bei der Bekanntgabe, dadurch solle "der Iran die Folgen des verantwortungslosen Verhaltens stärker am Geldbeutel spüren".
Die Sanktionen richten sich in erster Linie gegen die iranische Revolutionsgarde, die laut US-Regierung "Massenvernichtungswaffen verbreitet". Ebenso im Visier steht die Quds-Einheit, der Washington vorwirft, als "Unterstützer des Terrorismus" zu fungieren.
Die etwa 125.000 Mann starken Revolutionären Garden werden als Gesetzeshüter im Innern ebenso eingesetzt wie zur Grenzbewachung und Verteidigung des Landes gegen Angriffe von außen. Außerdem organisieren sie die iranische Volksmiliz und bilden darin ca. zwölf Millionen Freiwillige aus.
Die Quds-Einheit ist eine Spezialeinheit der Revolutionären Garden, in deren Verantwortungsbereich Operationen im Ausland fallen. Sie war schon mit direkter Zustimmung Washingtons in mehreren Ländern aktiv.
In Bosnien lieferte sie Waffen an die US-freundliche muslimische Regierung; in Afghanistan unterstützte sie jene Kräfte, die gegen die sowjetischen Truppen und später gegen die Taliban kämpften; im Irak unterstützte sie kurdische Guerillas in ihrem Kampf gegen das Baath-Regime von Saddam Hussein.
Anderswo unterstützt sie Organisationen, die von den USA bekämpft werden. Dies sind in erster Linie solche, die gegen die israelische Aggression Widerstand leisten, wie die schiitische Massenbewegung Hisbollah im Libanon und andere Organisationen in den besetzten Palästinensergebieten.
Mit den Vorwürfen, die die Bush- Regierung gegenüber den offiziellen Streitkräften eines souveränen Staates erhebt, mischt sich Washington dreist in die inneren Angelegenheiten des Irans ein. Gleich zwei Kriegsvorwände werden angeführt - Massenvernichtungswaffen und Terrorismus - und somit ein pseudo-legaler Rahmen für eine Militärintervention geschaffen. Diese Vorwände sind dieselben, die im Vorfeld des US-Angriffskriegs gegen den Irak propagiert wurden.
Washington wirft dem Iran vor, mit dem Nuklearprogramm Atomwaffen herstellen zu wollen. Teheran bestreitet dies und besteht auf dem Recht, die Atomkraft zu friedlichen Zwecken nutzen zu können, besonders als alternative Energiequelle.
Im Zusammenhang mit dem zweiten Casus Belli werfen die Bush-Regierung und einige hohe amerikanische Militärs dem Iran und besonders den Quds-Einheit schon seit einiger Zeit vor, Kräfte im Irak zu bewaffnen, zu finanzieren und auszubilden. Damit soll der Iran direkt für Angriffe auf amerikanische Besatzungstruppen im Irak verantwortlich gemacht werden.
Washington hat bislang keine konkreten Beweise vorgelegt, die diese Vorwürfe stützen würden. Bis jetzt hat man auch noch keine Person, die einen halbwegs glaubwürdigen iranischen Agenten abgibt und die Verwicklung in solche Aktivitäten bestätigen würde. Teheran weist die Vorwürfe zurück und macht darauf aufmerksam, dass die meisten Angriffe von sunnitischen Widerstandskämpfern und nicht von schiitischen Bewegungen ausgehen, zu denen die Iraner langjährige Beziehungen unterhalten.
Die Sanktionen gegen die Revolutionären Garden zielen darauf ab, der iranischen Wirtschaft größtmöglichen Schaden zuzufügen. Die Garden sind im Iran in sehr großem Umfang wirtschaftlich aktiv.
Ihre Baueinheiten betreiben zahlreiche große Projekte, so zum Beispiel die Teilerschließung des größten Erdgasfeldes im Lande im Wert von zwei Milliarden Dollar, den Bau einer neuen Pipeline nach Pakistan für 1,3 Milliarden Dollar, die Erweiterung der U-Bahn in Teheran, den Bau einer Hochgeschwindigkeitszugverbindung zwischen Teheran und Isfahan oder den Bau von Hafenanlagen und einem großen Staudamm.
Dabei ist die unmittelbare Wirkung der Sanktionen zu vernachlässigen. Die Strafmaßnahmen erlauben zwar das Einfrieren von Guthaben bei amerikanischen Banken und verbieten US-Firmen, wirtschaftliche Beziehungen zu den Garden, den erwähnten iranischen Banken und anderen Unternehmen zu unterhalten. Doch nach der iranischen Revolution 1979 und dem Sturz der Schahs hatte Washington bereits Sanktionen verhängt, in deren Folge die amerikanische Banken und Konzerne schon weitgehend aus dem iranischen Markt verdrängt wurden.
Ausländischer Banken und Konzerne unter Druck
Das Ziel dieser Maßnahmen besteht darin, ausländische Banken und Konzerne mit der Drohung zu erpressen, dass die Fortführung ihrer Geschäftsbeziehungen Strafaktionen von Seiten der Vereinigten Staaten und einen Ausschluss vom amerikanischen Markt nach sich ziehen kann. Die verkündeten Sanktionen sind dabei wesentlich schärfer und weitreichender als alles, was sich die Vereinigten Staaten von einem UN-Sicherheitsratbeschluss je erträumt haben.
US-Finanzminister Poulson forderte "verantwortungsvolle Banken und Firmen in aller Welt" auf, alle Beziehungen zu den bestimmten Banken, Firmen und Ablegern der Revolutionären Garden abzubrechen. US-Vertreter betonten, die Aktivitäten der Garden seien so breit gefächert, dass jegliche Wirtschaftsbeziehungen zum Iran Gegenmaßnahmen der USA nach sich ziehen könnten.
Das Vorgehen der USA wurde sofort von der britischen Regierung unter Premierminister Gordon Brown unterstützt, der einigen Presseberichten zufolge auch seine Bereitschaft signalisiert hat, mögliche Luftschläge der USA gegen den Iran zu billigen. Brown will offenbar die gleiche Rolle spielen wie Blair vor der Invasion im Irak. Er fordert vom UN-Sicherheitsrat, neue und schärfere Sanktionen zu verhängen, was von den beiden Vetomächten Russland und China abgelehnt wird, die beide starke Interessen im Iran haben. 2003 hatte Bush die Situation im Sicherheitsrat und das Scheitern eines Beschlusses zur Militärintervention als Vorwand genommen, um einseitig dem Irak den Krieg zu erklären.
Andere europäische Mächte zeigen sich allerdings wesentlich distanzierter gegenüber dem Diktat Washingtons. So sagte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag, dass eine Entscheidung über weitere Sanktionen gegen den Iran nicht zu treffen sei, bevor die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) eine Einschätzung zur Kooperationsbereitschaft des Irans abgegeben habe. Deutsche Firmen exportierten im vergangenen Jahr Waren im Wert von 5,7 Milliarden Dollar in den Iran und das deutsche Wirtschaftsministerium genehmigte Exportkreditbürgschaften in Höhe von 1,2 Milliarden Dollar für Exporte in den Iran.
Der neue iranische Chefunterhändler für das Atomprogramm Saeed Dschalili traf in der vergangenen Woche mit dem Außenpolitischen Beauftragten der Europäischen Union Javier Solana zusammen. Dschallili wurde von seinem Vorgänger Ali Laridschani begleitet, als er in Rom Unterredungen über Teherans Atomprogramm führte. Zum Ende der Gespräche am Mittwoch gaben die iranischen Unterhändler in eine gemeinsame Pressekonferenz mit Solana und mit dem italienischen Ministerpräsidenten Romano Prodi. Beide Seiten bezeichneten die Gespräche als "konstruktiv". Prodi betonte, dass "eine Lösung für das iranische Atomprogramm nur im Dialog im UN-Sicherheitsrat gefunden werden kann. Italien befürwortet diesen Weg".
Der russische Präsident Putin reagierte scharf auf die US-Sanktionen. Bei einem Gipfeltreffen mit Führern der Europäischen Union in Portugal betonte er, dass die Kontroverse über das Atomprogramm des Irans in Verhandlungen gelöst werden müsse, ähnlich dem Vorgehen im Fall Nordkorea.
"Warum soll man die Lage verschlimmern und sich durch Drohungen mit Sanktionen oder Militärmaßnahmen in eine Sackgasse manövrieren?" fragte Putin. Sein folgender Kommentar zur Lage zielte ganz offensichtlich auf Bush: "Wie ein Verrückter mit gezückter Rasierklinge herumzurennen, wird wenig dazu beitragen, die Situation zu retten."
Der Iran winkte angesichts der amerikanischen Sanktionen ab. "Die feindselige Politik Amerikas gegen die respektvolle iranische Nation und unsere gesetzlichen Einrichtungen verstößt gegen internationale Abkommen und ist wertlos", sagte der Sprecher des Außenministeriums Ali Hosseini. "Solche lächerlichen Maßnahmen können die Amerikaner nicht aus der Krise befreien, die sie im Irak selbst geschaffen haben."
Auf einer Konferenz für Auslandsinvestoren in Dubai über "Privatisierungen im Iran" sagte der Vorsitzende der Handels-, Industrie- und Bergwerkskammer des Irans, Mohammad Nahvandian, die Sanktionen "treiben zwar vielleicht unsere Kosten hoch", aber sie können "nicht die umfangreichen Handelsbeziehungen des Irans mit anderen Ländern stören oder gar unterbrechen".
Das wichtigste Ziel der Sanktionen scheint tatsächlich eher politischer als ökonomischer Natur zu sein. Durch die erhöhten Spannungen soll offenbar vor allem eine Verhandlungslösung im Atomstreit unmöglich und der Weg für eine US-Militäraktion frei gemacht werden.
Insofern sind sie ein Element der ständig verschärften Drohungen gegen den Iran. Bush warnte erst kürzlich vor dem "Dritten Weltkrieg" und US-Vizepräsident Dick Cheney drohte dem Iran am Sonntag "ernste Konsequenzen" an, wenn das Land nicht von seinem Kurs ablasse. Die USA würden "nicht tatenlos zusehen, wie ein Staat den Terror unterstützt und den aggressivsten Ambitionen nachgeht".
Neue Hinweise auf die Kriegsvorbereitungen der USA gegen den Iran stecken auch in den Details des amerikanischen Nachtragshaushalts. Dieser umfasst fast 200 Milliarden Dollar und wurde dem Kongress am vergangenen Montag vorgelegt, um die Fortsetzung der Kriege im Irak und in Afghanistan finanziell sicherzustellen.
Darin beinhaltet sind fast 88 Millionen Dollar für Bunker brechende Bomben in B2-Tarnkappenbombern, Bomben zur Sprengung von unterirdischen Anlagen. Einige Kongressabgeordnete haben darauf hingewiesen, dass in den beiden laufenden Kriegen gegen Aufständische im Irak und in Afghanistan der Einsatz solcher Waffen sinnlos ist und dass die Bomben aller Wahrscheinlichkeit nach für einen Angriff auf Atomanlagen im Iran gedacht sind.
Erneut erwiesen sich die Demokraten im Kongress als willige Helfer bei den Vorbereitungen der Bush-Regierung auf einen weiteren Krieg. Die Verhängung von Sanktionen durch die Bush-Regierung wurde durch ein Gesetz vorbereitet, das nicht-amerikanische Energiekonzerne, die mit dem Iran Geschäfte machen, mit Strafmaßnahmen bedroht. Das Gesetz passierte das Repräsentantenhaus, in dem die Demokraten über die Mehrheit verfügen, mit 397 zu 16 Stimmen.
Führende Demokratische Politiker behaupteten zwar, mit den Maßnahmen solle die Finanzierung des iranischen Atomprogramms untergraben werden, aber ihr wirkliches Ziel liegt auf der Hand. Die amerikanischen Energiekonzerne, die vom iranischen Markt ausgeschlossen sind, wollen verhindern, dass ihre Konkurrenten aus dieser Tatsache einen Vorteil ziehen.
Trotz all dem Gerede über eine atomare Bedrohung und Terrorismus wäre ein amerikanischer Krieg gegen den Iran letztlich von dem Bestreben bestimmt, die Vormachtstellung des US-Kapitalismus in der strategischen Ölregion am Persischen Golf sicherzustellen.