Deutscher Geheimdienst bespitzelte Journalisten und Wissenschaftler

Der deutsche Auslandsgeheimdienst BND (Bundesnachrichtendienst) hat in den 90er Jahren im Inland Journalisten und Wissenschaftler, die kritisch über seine Arbeit berichtet haben, rechtwidrig bis in ihr Privatleben hinein verfolgt. An Akribie und Skrupellosigkeit stand er dabei dem Staatssicherheitsdienst der untergegangenen DDR kaum nach. Während keine Beweise für ähnliche Aktionen nach 1998 vorliegen, verteidigt der BND seine Praxis, Journalisten auszuspionieren, im Grundsatz bis heute.

Ins Visier des BND geriet der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom, der seit Jahren über die Behörde schreibt. Wie die Berliner Zeitung berichtete, wurde Schmidt-Eenboom in den Jahren 1993/94 über eine Kamerainstallation vor dessen "Forschungsinstitut für Friedenspolitik" in Weilheim observiert.

Auslöser war ein 1993 erschienenes Buch, in dem Schmidt-Eenbohm auf der Grundlage von Insider-Informationen detailliert Pleiten, Pech und Pannen des BND ausgebreitet hatte. Der Geheimdienst verstand dies offenbar als Kampfansage. Das Forschungs-Institut wurde permanent gefilmt, alle Besucher genau registriert.

Der WELT sagte Schmidt-Eenboom, er sei auch auf Privatreisen verfolgt worden - egal ob in der Bahn oder im Auto. "Es ist schon komisch, von Dritten zu hören, was man mal vor Jahren in seinen eigenen Kofferraum gepackt hat." Sogar bei Sauna-Besuchen sei er observiert worden, und selbst was seine Sekretärin eingekauft habe, hätten die Spitzel akribisch überwacht.

Auch Josef Hufelschulte, ein Redakteur des Focus, der viel über Geheimdienste berichtete, soll über einen Zeitraum von gut neun Monaten verfolgt worden sein, von April 1994 bis Januar 1995. Selbst an Wochenenden folgten seine Bewacher dem Reporter ins Einkaufszentrum.

Der Spiegel behauptet außerdem: "Noch in den Jahren 1997 und 1998, drei Jahre also nach Beendigung der Weilheimer Überwachung, führte der BND mindestens zwei Quellen im Medienbereich, von denen eine auch die Frage klären sollte, woher der SPIEGEL seine Informationen in der so genannten Plutonium-Affäre bezogen haben könnte (SPIEGEL 15/1995). Die Enthüllung, dass der BND den Schmuggel von 363,4 Gramm waffenfähigem Plutonium durch dubiose V-Leute befördert hatte, hatte die Pullacher in eine ernste Krise gestürzt, die noch Jahre später den Dienst in Teilen lähmte."

Laut BND-Gesetz darf der Auslandsgeheimdienst zwar auch im Inland nachrichtendienstliche Mittel anwenden, soweit dies "zum Schutz seiner Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten" notwendig ist. Eine lückenlose Überwachung des Privatlebens unbescholtener Bürger, nur weil sie unangenehme Fragen stellen oder missliebige Recherchen betreiben, lässt sich damit aber wohl kaum rechtfertigen.

Zudem hat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch die Presse einen Anspruch auf Schutz ihrer Quellen. Schon vor Jahrzehnten hat das Gericht ausdrücklich klargestellt, dass der Quellenschutz ein unabdingbarer Bestandteil der im Grundgesetz garantierten Pressefreiheit ist. Eingriffsbefugnisse des Staates müssten daher stets sorgfältig mit Grundrechten des Bürgers abgewogen werden.

Dass Journalisten und Wissenschaftler mitunter auch Dinge wissen wollen, die staatliche Behörden der Öffentlichkeit lieber vorenthalten, gilt nur unter autoritären Regimes als "sicherheitsgefährdend" für den Staat. In der DDR wurde so ebenfalls jede Art der Bespitzelung gerechtfertigt, der Geheimdienst des Regimes trug deshalb sogar den Namen "Staatssicherheit".

Der heutige Präsident des BND, August Hanning, rechtfertigte auf einer Pressekonferenz letzten Donnerstag im Grundsatz die Überwachung von Journalisten. Laut einem Bericht der Zeit will er "nicht ausschließen", dass auch heute noch Pressevertreter überwacht werden, um "ungetreue" BND-Mitarbeiter zu entlarven: "‚Diese Observationen sind sehr kritisch’, sagte der BND-Chef. ‚Aber in die Optik von Nachrichtendiensten kommen auch Journalisten’. Eine abstrakte Aussage. Aber, wohlgemerkt, eine im Präsens. Zudem wies Hanning darauf hin, dass ‚immer mehr Geheimdienstler und immer mehr Journalisten in Berlin ein höheres Risiko’ darstellten."

Hanning, der mittlerweile als Staatssekretär für den designierten Innenminister Wolfgang Schäuble im Gespräch ist, arbeitete 1994, als Schmidt-Eenbohm und Hufelschulte bespitzelt wurden, im Bundeskanzleramt - als Gruppenleiter in der Abteilung "Geheimdienste-Aufsicht".

Siehe auch:
Schilys Abschiedsgruß: Ein Angriff auf die Pressefreiheit
(19. Oktober 2005)
Loading