UN-Resolution zum Libanon: Vorschlag zu Ausweitung des Kriegs und kolonialer Besatzung

Die amerikanisch-französische Resolution, über die der Weltsicherheitsrat diese Woche abstimmen soll, ist ein imperialistisches Diktat an die libanesische Bevölkerung. Es handelt sich um den Versuch Washingtons, die geo-strategischen Ziele, die der amerikanisch-israelische Aggressionskrieg schon seit einem Monat verfolgt, zu rechtfertigen und zu realisieren.

Der Resolutionsentwurf ist bewusst in provokativem Ton gehalten, um sicherzustellen, dass nicht nur die Hisbollah, sondern auch die libanesische Regierung ihn ablehnen. Nicht eine einzige libanesische Beschwerde wird darin berücksichtigt. Dagegen verlangt der Entwurf im Wesentlichen, dass die Hisbollah einen selbstmörderischen Pakt mit ihren Feinden unterzeichnet, und der Libanon seiner Verwandlung in eine Halbkolonie zustimmt.

In erster Linie soll sie das anhaltende Massaker an der libanesischen Bevölkerung rechtfertigen. In den nächsten Tagen werden Regierungsvertreter unterstützt von den Massenmedien gebetsmühlenartig wiederholen, der Libanon habe sich seine blutigen Leiden selbst zuzuschreiben, da er den "Frieden" nicht habe akzeptieren wollen.

Dies hat Sicherheitsberater Steve Hadley bereits klar gesagt, als er auf einer Pressekonferenz am vergangenen Sonntag erklärte, eine Ablehnung der Resolution werde "darüber Auskunft geben, wer Frieden will und wer nicht, und das wird ein Moment sein, der Klarheit schafft".

Eins haben amerikanische und israelische Politiker klar ausgedrückt: Diese Resolution bedeutet nicht das Ende des Abschlachtens und der Zerstörung des Libanon, sondern ihre brutale Eskalation.

So betonte US-Außenministerin Condoleezza Rice auf Präsident Bushs Ranch in Crawford, Texas, am Sonntag, dass die Kämpfe wahrscheinlich noch "eine ganze Zeitlang" anhalten werden. Sie sagte, sie hoffe zwar auf "ein Ende der groß angelegten Gewalt", aber es brauche immer eine Weile, "um solche Sachen abzustellen".

Während der Massaker des vergangenen Monats hat Rice eine Art makabrer "Shuttle-Diplomatie" praktiziert, die nicht auf ein Ende der blutigen Kämpfe abzielte, sondern ganz im Gegenteil die Rufe nach Waffenstillstand zum Schweigen bringen sollte, damit das israelische Militär seine Zerstörung der libanesischen Infrastruktur fortsetzen und mit Hilfe von Massenterror die arme schiitische Bevölkerung aus dem Südlibanon vertreiben konnte.

Die amerikanisch-französische Libanon-Resolution hat offensichtlich im Wesentlichen die gleichen Zielvorstellungen im Auge. Auf Washingtons Betreiben fordert sie keinen unmittelbaren Waffenstillstand, sondern nur ein "Aussetzen der Feindseligkeiten" in einem nicht definierten Zeitrahmen.

Während das Dokument die Hisbollah auffordert, sämtliche militärischen Aktivitäten zu beenden, wird Israel lediglich aufgefordert, die "offensiven" Militäroperationen einzustellen, eine vage Formulierung, die den israelischen Streitkräften unter dem Vorwand der "Selbstverteidigung" erlaubt, ihre Politik der verbrannten Erde im Libanon fortzusetzen.

Die Resolution enthält keine Forderung nach sofortigem Rückzug der über zehntausend israelischen Soldaten, die in libanesisches Gebiet eingedrungen sind, und gibt nicht einmal einen Zeitplan vor, innerhalb dessen sie das Land räumen müssen.

Dieses einseitige Dokument fordert die "bedingungslose Freilassung der entführten israelischen Soldaten", aber nur die Wiederaufnahme von Verhandlungen über die libanesischen, in Israel festgehaltenen Gefangenen.

Die Resolution schreibt die amerikanisch-israelischen Kriegsziele ausdrücklich fest und fordert die "Einrichtung eines Gebiets zwischen der Blauen Linie und dem Litani-Fluss... wo sich ausschließlich bewaffnete Kräfte, Einrichtungen und Waffen der libanesischen Armee und Sicherheitskräfte, sowie internationale UN-Truppen aufhalten dürfen", sowie die "Entwaffnung sämtlicher bewaffneter, in diesem Teil des Libanons operierender Gruppen". Er enthält jedoch keine nähere Definition für die Beendigung der israelischen Besetzung, weder der Region der libanesischen Schebaa-Gehöfte noch der syrischen Golanhöhen.

Das Dokument fordert in einem Abschnitt die "Wiedereröffnung der Flughäfen und Häfen [zur Zeit wegen der israelischen Bombenangriffe und Luft- und Seeblockade geschlossen] für überprüfbare rein zivile Zwecke". Was ist der Sinn eines solchen Hinweises? Er drückt den Zweck der UN-Resolution aus, den Libanon jeglichen Anscheins von Souveränität zu berauben und ihn in ein halbkoloniales Protektorat unter der Vorherrschaft Washingtons und Israels zu verwandeln.

Für den Fall, dass der Sicherheitsrat dieser Maßnahme zustimmt, wird bereits eine weitere Resolution vorbereitet, die die Zusammensetzung und Einsatzregeln einer "friedenserhaltenden" UN-Truppe formuliert. Diese Truppe soll mindestens 15.000 Soldaten mit gepanzerten Fahrzeugen umfassen - bis zu einen Drittel davon Franzosen -, die massive und tödliche Gewalt einsetzen dürfen, um die Hisbollah-Widerstandskämpfer zu entwaffnen und aus der geplanten Pufferzone südlich des Litani-Flusses zu vertreiben.

Beobachter gehen davon aus, dass es bis zu einer Einigung über diese zweite Resolution noch zwei Wochen weiterer UN-Gespräche bedarf, in denen Israel seinen Vernichtungskrieg gegen den Libanon fortsetzen wird. Washington hat den diplomatischen Prozess in der UNO genau darauf abgestimmt, Israel die nötige Zeit für seine Angriffe zu verschaffen. So antwortete der Sprecher des Weißen Hauses, Tony Snow, am Sonntag auf die Frage, ob Präsident Bush glaube, dass es bis zur Beendigung der Kämpfe noch ein langer Weg sei: "Ich denke, er gibt sich über das Bevorstehende keinen Illusionen hin".

Führende israelische Politiker reagierten auf den Resolutionsentwurf entweder mit Gleichgültigkeit oder der Zusage, den Krieg gegen den Libanon noch zu verschärfen. Tourismus-Minister Isaak Herzog, Mitglied des Sicherheitskabinetts, gab zu verstehen, dass die vorgeschlagene UN-Maßnahme eine unmittelbare Beschleunigung der israelischen Angriffe bedeute. "Bis die Resolution in Kraft tritt, wird die Armee weiter handeln", sagte er in einem israelischen Fernsehinterview. "Wir haben in den kommenden Tagen eine Menge Militärbewegungen vor uns. Aber wir müssen davon ausgehen, dass der Zeitplan kürzer wird. Es ist ein Fakt, den wir akzeptieren und mit dem wir unser Handeln in Übereinstimmung bringen müssen."

Justizminister Haim Ramon, der im Armeerundfunk sprach, bestritt die Bedeutung der Resolution: "Dies ist nur ein Entwurf", sagte er. "Deshalb müssen wir weiter kämpfen.... Wir haben immer noch militärische Ziele, die es zu erreichen gilt." Er fügte hinzu, Israel werde seine Militäroperationen im Südlibanon fortsetzen, bis die UN-Sicherheitstruppe in der Region eintreffe.

Vertreibung aus dem Südlibanon geht weiter

Alles deutet darauf hin, dass Israel diese Eskalation bereits begonnen hat. Über das Wochenende hat es massive Bombenangriffe auf mindestens fünfzehn Dörfer im Grenzgebiet geführt und fast alle dem Erdboden gleich gemacht. Auf ein einziges Dorf, Aitaroun, wurden über zweitausend Bomben abgeworfen. Israels unmittelbares Ziel besteht darin, an der Grenze eine sechs Kilometer tiefe "Sicherheitszone" zu schaffen, aus der es sämtliche Einwohner vertreibt.

Während die UN-Resolution die "Erleichterung einer sicheren Rückkehr der Vertriebenen" fordert, sind die israelischen Streitkräfte schon dabei, Fakten zu schaffen und einen Großteil des Südlibanon in eine unbewohnbare Trümmerlandschaft zu verwandeln. Israel führt massive ethnische Säuberungen durch: Es verwandelt schätzungsweise eine Million Menschen in permanente Flüchtlinge, indem es die Libanesen zum Verlassen ihrer Häuser zwingt und die arme Schiitenbevölkerung gewaltsam von ihrem Land vertreibt.

Zuletzt kündigte das israelische Militär auf Flugblättern ein Massenblutbad an, als es die Bombardierung der Hafenstadt Sidon ankündigte. Die Bevölkerung dieser Stadt betrug vor dem Krieg etwa hunderttausend Menschen, ist jedoch enorm angewachsen, seit Flüchtlingswellen aus anderen Teilen des zerstörten Südens ankamen. Viele haben sie als sichere Zuflucht betrachtet, weil sie überwiegend sunnitisch ist.

Die libanesische Regierung lehnte die Resolution der USA und Frankreichs ab und forderte eine Änderung, die die Forderung nach vollständigem Rückzug der israelischen Truppen aus dem Südlibanon beinhalten müsse.

Eine Regierungsquelle sagte gegenüber Agence France Press, die Resolution in ihrem jetzigen Zustand werde "die Krise weder im Sinne des Libanon noch Israels lösen. Israel wird keine Garantie auf sichere Grenzen bekommen, und der Libanon wird nicht sein ganzes besetztes Gebiet zurückerhalten". Der Sprecher fügte hinzu, dass die libanesische Regierung nicht verlangen könne, dass Hisbollah ihre Waffen niederlege, solange ihr Territorium unter israelischer Besatzung bleibe.

Der libanesische Energieminister Mohammed Fneisch, ein Hisbollah-Mitglied, bekräftigte: "Wir befinden uns in einer Verteidigungsposition", sagte er. "Es ist ganz einfach: Wenn die israelische Aggression aufhört, werden wir [zu kämpfen] aufhören, unter der Bedingung, dass kein israelischer Soldat auf libanesischem Gebiet bleibt."

Nach Berechnungen der Regierung in Beirut sind über tausend libanesische Zivilisten getötet worden, wobei noch viele Hunderte unter dem Schutt der Wohnhäuser begraben liegen, die von den israelischen Raketen- und Bombenangriffen zerstört wurden. Das Verhältnis der zivilen libanesischen und israelischen Toten beträgt dreißig zu eins, aber die UN-Resolution behandelt Hisbollah als den Hauptaggressor.

Unterdessen sprechen israelische Politiker offen über die Ermordung von Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah als Kriegsziel.

Der klarste Ausdruck für den kriminellen Charakter und den Zynismus der Washingtoner Diplomatie findet sich in Außenministerin Rice’s Erklärung, warum man damit rechnen müsse, dass der Libanonkrieg mit Zustimmung Washingtons noch wochenlang weitergehen werde. Sie erklärte: "Wir versuchen, mit einem Problem fertig zu werden, das im Libanon nun schon seit Jahr und Tag eitert und kocht, und darum wird es durch eine einzige Sicherheitsratsresolution nicht beigelegt werden."

Dieses "eiternde" Problem ist in den Augen Washingtons nicht etwa die andauernde israelische Besetzung arabischen Landes und die Anwendung militärischer Gewalt gegen benachbarte arabische Länder, oder das Problem der Palästinenser, die aus ihrem Land vertrieben und seit Jahrzehnten der israelischen Besatzung unterworfen sind, oder die ständige Missachtung internationalen Rechts und von UN-Resolutionen durch Israel. Im Gegenteil, das Problem besteht darin, dass Israel in seiner achtzehnjährigen Besetzung nicht in der Lage war, die libanesischen Massen zu besiegen, sondern dass eine machtvolle Widerstandsbewegung entstanden ist. Deshalb will Washington, dass diese jetzt mit militärischer Gewalt zerschlagen wird, damit es seinen Plan weiter verfolgen kann, eine amerikanische Vorherrschaft über den ganzen Nahen Osten zu errichten.

Hinter dieser Strategie steckt eine gute Portion politischer Verzweiflung. Der US-Imperialismus steht sowohl im Irak als auch in Afghanistan vor einem tiefen Debakel. Sowohl in den führenden Kreisen der USA als auch Israels gibt es wachsende Besorgnis, weil die laufende Intervention im Libanon auf viel größeren Widerstand gestoßen ist als erwartet, und weil innerhalb der israelischen Bevölkerung selbst die Unterstützung für den Krieg schwindet. In diesem Sinn stellt die UN-Resolution etwas wie eine Versicherungspolice dar, indem sie die Bildung einer "multinationalen Truppe" vorschlägt, die zur Durchsetzung amerikanisch-israelischer Ziele eingesetzt werden kann, wenn die israelischen Streitkräfte sich dieser Aufgabe nicht gewachsen zeigen.

Die Kollaboration Frankreichs hat eine klare Bedeutung. Paris hat schon mehrfach angeboten, Tausende seiner eigenen Soldaten für dieses Unternehmen abzustellen. Die Regierung von Jacques Chirac hat ihre ursprüngliche Forderung nach einer Resolution, die einen unverzüglichen Waffenstillstand verlangt, fallen gelassen und fügt sich nun der amerikanisch-israelischen Strategie, das Massaker im Libanon unter dem Deckmantel einer UN-"Friedensmission" fortzusetzen.

Die französische Regierung hat in den letzten Jahren eine enge Arbeitsbeziehung zu Washington in der Libanonfrage aufgebaut und schon 2004 die UN-Resolution mitverfasst, die den Abzug der syrischen Truppen aus dem Land verlangte. Mit der Bush-Regierung gemeinsam hat sie die so genannte "Zedernrevolution" mitgetragen, die 2005 nach der Ermordung des libanesischen Premierministers Rafik Hariri inszeniert wurde, und dazu diente, eine pro-westliche Regierung einzusetzen.

Als ehemalige Kolonialmacht im Libanon hat Frankreich keine prinzipiellen Differenzen mit der amerikanischen Nahoststrategie, es verfolgt nur seine eigenen Interessen am Ort und in der ganzen Region. Ohne Zweifel hofft Paris zudem, durch seine Zusammenarbeit mit Washington einen "präventiven" Krieg der USA gegen den Iran verhindern zu können, wo wichtige Interessen des europäischen Kapitals liegen, und wo ein beachtlicher Anteil der Energieversorgung Europas herkommt.

Diese Appeasement -Politik dem US-Militarismus gegenüber wird jedoch Washington keineswegs von einer Ausweitung seiner Intervention im Irak und in Afghanistan zu einem größeren, regionalen Krieg abbringen, der den gesamten Planeten zu überschwemmen droht. Der US-Imperialismus ist entschlossen, seine uneingeschränkte Kontrolle über die Energieressourcen der Welt zu errichten. Dazu gehören auch die des Iran, der die zweitgrößten Öl- und Gasreserven der Welt besitzt, und aus dem die amerikanischen Konzerne seit über einem Vierteljahrhundert ausgeschlossen sind, seit Washington ein Embargo gegen dieses Land aufrechterhält.

Die Libanonresolution der USA und Frankreichs hat außerdem einmal mehr demonstriert, dass die Vereinten Nationen ein willfähriges Werkzeug des amerikanischen und des Weltimperialismus sind. Ihre Unfähigkeit, die Schlächterei im Libanon zu beenden, und ihre offene Komplizenschaft bei der Fortsetzung und Ausweitung des Krieges, erinnert insbesondere an den Völkerbund der dreißiger Jahre, der untätig zuschaute, wie das faschistische Italien Äthiopien eroberte und das imperiale Japan in China einfiel.

Die kriminelle Militäraggression gegen die Bevölkerung des Libanon und des Irak, wie auch die wachsende Gefahr eines weit größeren Flächenbrandes im Nahen Osten und weltweit können nur durch die unabhängige Mobilisierung der arbeitenden Bevölkerung in aller Welt bekämpft werden. Im gemeinsamen Kampf muss sie das wirtschaftliche und gesellschaftliche System abschaffen, das Krieg hervorbringt, nämlich den Kapitalismus.

Siehe auch:
Taktieren und Appeasement: Europas Reaktion auf den amerikanisch-israelischen Krieg im Libanon
(4. August 2006)
Die Verantwortung der Merkel-Regierung für die Kriegsverbrechen im Libanon
( 4. August 2006)
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