Seit Beginn ihrer Regierungsbeteiligung im Frühjahr 2000 taumelt die rechtsradikale Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) von einer Krise in die nächste. Der Grund dafür besteht vor allem darin, dass ihre Regierungsmitglieder entgegen ihren vollmundigen Wahlversprechen für deutliche Steuererhöhungen, steigende Arbeitslosigkeit und Sozialabbau mit verantwortlich sind.
Der starke Mann der Freiheitlichen, Jörg Haider, hatte sich von Anfang an nicht in die Regierungsverantwortung einbinden lassen und statt dessen den Posten des Landeshauptmanns (Ministerpräsidenten) im südlichen Kärnten übernommen. Das gab ihm die Möglichkeit, in Opposition gegen die Regierungspolitik seiner eigenen Partei aufzutreten, wovon er reichlich Gebrauch machte.
In den vergangenen Wochen haben die Differenzen ein besonders heftiges Ausmaß angenommen und zu einem regelrechten Machtkampf zwischen der Parteivorsitzenden und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer und dem Ex-Vorsitzenden Haider geführt. Am letzten Montag kündigte Haider an, er werde einen Sonderparteitag durchsetzen und die Parteimitgliedschaft gegen die Politik der Regierungsmitglieder mobilisieren.
Vordergründig geht es bei dem jüngsten Streit um die Finanzierung der Flutschäden, die durch das Hochwasser der vergangenen Wochen entstanden sind. Ähnlich wie in Deutschland hat die rechtskonservative Regierung in Wien unter Leitung von Wolfgang Schüssel (Volkspartei) entschieden, bereits beschlossene Steuersenkungen um ein Jahr zu verschieben und die dadurch gesparten Finanzmittel in den Fluthilfefonds umzuleiten.
Haider sprach sich entschieden gegen eine solche Verschiebung der Steuerreform aus und drohte zusätzlich zu einem Sonderparteitag auch ein Volksbegehren für die Durchführung der Steuersenkung an, das bereits Ende September oder Anfang Oktober stattfinden solle.
Genauer betrachtet geht es Haider weder um die Steuerfrage noch um die Flutschäden-Finanzierung. Er hätte auch irgend eine andere Frage benutzt, um gegen die Regierungsmitglieder seiner Partei in die Offensive zu gehen. Sein Ziel ist es, sich frühzeitig für die Nationalratswahlen im kommenden Jahr zu positionieren.
Während in großen Teilen der Bevölkerung in den vergangenen drei Jahren eine deutliche Ernüchterung über die Regierungspolitik der FPÖ entstanden ist und Meinungsumfragen einen sinkenden Stimmenanteil der Rechtspartei prognostizieren, versucht Haider die wachsende Opposition auf sein politisches Konto zu leiten. "Die Dinge werden erst besser, wenn Haider Bundeskanzler wird," lautet sein Motto.
Um seinen Einzug als Regierungschef in die Wiener Hofburg vorzubereiten, stützt sich Haider auf eine enge Zusammenarbeit mit verschieden rechtsradikalen und neofaschistischen Parteien in mehreren europäischen Ländern. Er will die extreme Rechte in Europa zusammenbringen und sich an die Spitze einer Anti-EU-Bewegung stellen, die auf europäischer Ebene agiert.
Anfang August traf sich Haider mit Filip Dewinter, dem Vorsitzenden des Vlaams Blok aus Belgien, der eine offen rassistische Politik verfolgt, und Vertretern der italienischen Lega Nord, der spanischen Volkspartei und der Partido Popular, die seit letztem Jahr in der portugiesischen Regierung vertreten ist.
Bei diesem Treffen wurde auch über die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit anderen europäischen Rechtsparteien diskutiert. Aus unterschiedlichen Gründen lehnen gegenwärtig noch einige Parteien, wie die Schweizer SVP unter Christoph Blocher oder die Dänische Volkspartei von Pia Kjärsgaard, eine Zusammenarbeit mit Haider ab.
Der Initiator des Treffens, der FPÖ-Chefdemagoge Andreas Mölzer, sprach sich nach dessen Erfolg auch für eine Zusammenarbeit mit Le Pen in Frankreich aus, da dieser "ähnliche Inhalte wie die FPÖ" vertrete.
Wie schon bei Haiders Blitzbesuch beim irakischen Staatschef Saddam Hussein im Frühsommer, wurde die Parteivorsitzende Riess-Passer über das Europa-Treffen nicht informiert. In einem ORF- Interview darauf angesprochen, entgegnete Haider: "Ich pflege meine Entscheidungen selbst zu treffen".
Haider, der vor zweieinhalb Jahren aus taktischen Gründen die Führung der Partei an seine treue Gefährtin Riess-Passer abgegeben hatte, strebt eine Rückkehr an die Parteispitze an. Wie er in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin News angab, hatte er Riess-Passer bereits im Juni das Angebot gemacht, bis zu den Nationalratswahlen 2003 den Parteivorsitz zu übernehmen. Laut Haider lehnte die Vizekanzlerin das Angebot allerdings ab, um nicht "in der Öffentlichkeit abgewertet dazustehen".
Haider reagierte darauf, indem er begann, die Parteirechte zu formieren. Er setzte sich beispielsweise demonstrativ dafür ein, Ewald Stadler als Spitzenkandidat für die Landtagswahlen in Niederösterreich, dem größten Bundesland, aufzustellen. Stadler hatte heftige Kritik auch aus den eigenen Reihen geerntet, als er öffentlich die Verbrechen des Naziregimes relativierte. ("1945 - und das ist zur Staatsideologie geworden - sind wir angeblich vom Faschismus und von der Tyrannei befreit worden und in die nächste Tyrannei geraten".)
Der parteiinterne Flügelkampf zwischen dem "alten" Kader, der Rassismus, Antisemitismus und soziale Demagogie vertritt, und einer Riege von jüngeren Aufsteigern, die mit neo-liberaler Politik offen die Interessen der Wirtschaft vertreten, nimmt immer heftigere Formen an.
Dass sich die zerstrittene rechtskonservative Regierung trotzdem noch im Amt halten kann, ist auf das Fehlen einer politischen Alternative zurückzuführen, die die Interessen der Arbeiter vertritt. Das Programm der Sozialdemokratischen Partei (SPÖ) unterscheidet sich nicht wesentlich von dem der Konservativen und - zumindest wirtschaftspolitisch - auch nicht von dem der FPÖ. Erklärte Ziele der SPÖ sind Steuerentlastungen für Unternehmen, die weitere Privatisierung öffentlicher Betriebe, Deregulierung im Gesundheitswesen und verstärktes Engagement bei internationalen Militäreinsätzen.
In Österreich zeigt sich in aller Deutlichkeit eine Entwicklung, die gegenwärtig überall in Europa zu beobachten ist. Die sozialdemokratischen Regierungen - vor drei Jahren waren es noch 13 in Europa - bereiten mit ihrer rechten, an den Interessen der Konzerne und Banken ausgerichteten Politik den reaktionärsten politischen Kräften den Weg und passen sich in jeder Frage an sie an.