Partei für Soziale Gleichheit
Historische Grundlagen der Sozialistischen Gleichheitspartei

Die Partei für Soziale Gleichheit und die WSWS

225. Aus dem Bankrott der reformistischen Organisationen folgerte das Internationale Komitee, dass die bisherige Organisationsform seiner Sektionen als „Bund“ oder „League“ nicht mehr angemessen sei. Diese Form war zu einer Zeit gewählt worden, in der viele militante Arbeiter die sozialdemokratischen oder stalinistischen Massenparteien und Gewerkschaften aktiv unterstützten. Die politische Aktivität der Sektionen „ging daher trotz Unterschieden in der Taktik davon aus, dass eine große neue Umorientierung der Arbeiterklasse in der Form einer Radikalisierung der klassenbewusstesten und politisch aktivsten Elemente in den Reihen dieser Organisationen vor sich gehen werde. Aus dieser Bewegung, in der die Sektionen des Internationalen Komitees eine katalytische Rolle als die kompromisslosesten Gegner der Sozialdemokratie und des Stalinismus spielen würden, könnte sich dann die wirkliche Möglichkeit entwickeln, revolutionäre Massenparteien aufzubauen“, wie David North erklärte. Dies war nicht länger der Fall. „Wenn es in der Arbeiterklasse eine Führung geben soll, dann muss sie von unserer Partei kommen. Wenn ein neuer Weg für die arbeitenden Massen eröffnet werden soll, dann muss er von unserer Organisation eröffnet werden. Das Problem der Führung kann nicht auf der Grundlage einer cleveren Taktik gelöst werden. Wir können die Krise der Führung der Arbeiterklasse nicht dadurch lösen, dass wir ‚fordern’, dass andere diese Führung geben sollen. Wenn es eine neue Partei geben muss, dann müssen wir sie aufbauen.“ [130] Alle Sektionen des Internationalen Komitees bereiteten nun die Gründung von Parteien vor.

226. Am 30. März 1997 gründete eine nationale Konferenz des BSA bei Darmstadt die Partei für Soziale Gleichheit. Zur Begründung heißt es in der Konferenzresolution: „In der Nachkriegsperiode hatten SPD und Gewerkschaften eine bürgerliche – d.h. der Verteidigung des Privateigentums verpflichtete – Politik noch mit sozialen Reformen verbunden. Das ermöglichte Arbeitern, zumindest ihre Tagesinteressen mittels dieser Organisationen wahrzunehmen, auch wenn deren Politik ihren langfristigen Interessen zuwiderlief. ... Heute sind SPD und Gewerkschaften auch in Tagesfragen zu offenen Gegnern der Arbeiter geworden. Wähler und Mitglieder laufen ihnen in Scharen davon. Jede, selbst die geringste Forderung, stellt die Arbeiter vor Aufgaben, die sie nur mittels einer neuen Partei lösen können. Eine solche Partei kann nicht aus den Trümmern der alten, politisch bankrotten Organisationen hervorgehen. Sie kann nur durch die Sammlung der politisch fortgeschrittenen Arbeiter um das historisch entwickelte Programm der Vierten Internationale entstehen. Deshalb hat der BSA die Initiative ergriffen, diese Partei jetzt zu gründen. Sie versetzt die Arbeiterklasse in die Lage, ihre eigene Stimme zu erheben und als selbständige Kraft in die gesellschaftliche Entwicklung einzugreifen.“ [131]

227. Der Name Partei für Soziale Gleichheit, bzw. Socialist Equality Party, wurde mit Bedacht gewählt. Er „bringt die grundlegende Zielsetzung der neuen Partei zum Ausdruck: Sie ist unversöhnliche Gegnerin der vorherrschenden gesellschaftlichen Entwicklung, die durch die zunehmende Verarmung breiter Bevölkerungsschichten auf der einen und die hemmungslose Bereicherung einer kleinen Minderheit auf der anderen Seite geprägt ist. Sie tritt für das eigentliche Ziel der sozialistischen Bewegung ein: eine Gesellschaft, in der es keine Klassenunterschiede gibt und die auf wirklicher Gleichheit zwischen den Menschen beruht. Und sie grenzt sich von den politischen Verbrechen ab, die die stalinistischen und sozialdemokratischen Bürokratien im Namen des Sozialismus begangen haben, den sie theoretisch verfälschten.“ [132]

228. Die Entwicklung des Internationalen Komitees zu einer politisch vereinigten Weltpartei nach der Spaltung von der WRP gipfelte im Januar 1998 in der Gründung der World Socialist Web Site. Epochemachende Fortschritte in der Kommunikation, die das Internationale Komitee sorgfältig verfolgt hatte, schufen die technologischen Voraussetzungen für die WSWS. Das Internet eignete sich hervorragend für die Verbreitung revolutionärer Ideen und für die Organisierung der revolutionären Arbeit. Viele Jahrzehnte lang hatte die Produktion von Zeitungen eine zentrale und entscheidende Rolle beim Aufbau der revolutionären Bewegung gespielt. Lenin hat einen erheblichen Teil seines Bahn brechenden Werks Was tun? der Erläuterung der Rolle der allrussischen Zeitung gewidmet. Auch der BSA hatte seit seiner Gründung im Jahr 1971 eine Zeitung – erst Der Funke und dann die Neue Arbeiterpresse -herausgegeben. Aber deren Verbreitung hing von der Zahl der Parteimitglieder ab, die in der Lage waren, sie zu verkaufen. Das Internet hatte neue Voraussetzungen geschaffen, um diese Beschränkung zu überwinden und den Leserkreis zu erweitern.

229. Die WSWS war aber nicht bloß ein Produkt der Internet-Technologie. Ihr lag dieselbe Konzeption zugrunde wie der Verwandlung der Bünde in Parteien: Bei der politischen Neuorientierung der Arbeiterklasse auf der Grundlage des Marxismus fiel dem Internationalen Komitee die entscheidende Rolle zu. Die WSWS stützte sich auf das gesamte theoretische Kapital der marxistischen Weltbewegung. Die Redaktion erklärte dazu: „Die World Socialist Web Site, die gemeinsam von Mitgliedern des IKVI in Asien, Australien, Europa und Nordamerika herausgegeben wird, geht vom internationalen Charakter des Klassenkampfs aus. Sie schätzt politische Entwicklungen in jedem Land vom Standpunkt der Weltkrise des Kapitalismus und der politischen Aufgaben ein, vor denen die internationale Arbeiterklasse steht. Von diesem Standpunkt aus kämpft sie gegen alle Formen von Chauvinismus und nationaler Beschränktheit. Wir sind zuversichtlich, dass die WSWS zu einem einmaligen Hilfsmittel für die politische Ausbildung und Vereinigung der Arbeiterklasse in internationalem Maßstab werden wird. Sie wird der arbeitenden Bevölkerung verschiedener Länder helfen, ihre Kämpfe gegen das Kapital zu koordinieren, genauso wie die transnationalen Konzerne ihren Krieg gegen die Arbeiter über nationale Grenzen hinweg führen. Sie wird die Diskussion zwischen Arbeitern aller Länder erleichtern und ihnen ermöglichen, ihre Erfahrungen zu vergleichen und eine gemeinsame Strategie auszuarbeiten. ... Das Internationale Komitee der Vierten Internationale beabsichtigt, dieses Werkzeug für die Befreiung der Arbeiterklasse und der Unterdrückten in aller Welt zu nutzen.“


[130]

David North, The Workers League and the Founding oft the Socialist Equality Party, Detroit 1996, S. 18-19, 30

[131]

Partei für Soziale Gleichheit, Grundsätze und Ziele, Essen 1997, S. 11-12

[132]

ebd., S. 5